[art18GG]

Aus: vorgänge Nr. 190, Heft 2/2010, S. 92-99
Gewöhnung an die Mediokratie?
von Thomas Meyer

Die Parteiendemokratie klassischen Zuschnitts wird zur Mediendemokratie, und wer genauer hinschaut sieht: sie wird zur Mediokratie, zur Herrschaft der medialen Kommunikationsgesetze über Öffentlichkeit und Politik. Die Regeln der medialen Politikdarstellung, unterhaltsam, dramatisierend, personalisiert und mit Drang zum Bild, allesamt der Darstellungskunst des Theaters entlehnt, greifen auf das politische Geschehen selbst über.

(...)

Die Logik der Massenmedien unterscheidet sich von der komplexen und zeitaufwendigen Logik demokratischer Politik von Grund auf. Sie resultiert aus der Wechselwirkung von zwei aufeinander abgestimmten Regelsystemen. Das erste ist die Selektionslogik, die die Auswahl berichtenswerter Ereignisse so genannten „Nachrichtenwerten“ unterwirft.

(...)

Das zweite Regelsystem, die Präsentationslogik, besteht aus einem Kanon von Attraktion steigernden Inszenierungsformen für das so ausgewählte Nachrichtenmaterial, um die Maximierung eines anhaltenden Publikumsinteresses zu sichern. Und zwar nicht nur beim Einschalten und Aufblättern, sondern die ganze Zeit. Es herrscht das Gesetz der spannungsreichen theatralischen Inszenierung.

(...)

Die Unterwerfung der politischen Logik unter die Medienlogik erfolgt in den Formen der Inszenierung sowie der Auswahl von Themen, Problemlösungen und Personen.

(...)

Und auch der Parlamentarismus selbst gerät durch diese Logik in Bedrängnis. Die Fraktionen können oft nur noch nachvollziehen, was ihre Spitzen in der Medienarena längst verkündet haben – jedenfalls solange diese Erfolg damit haben.

Weiterlesen auf:
https://www.humanistische-union.de/publikationen/vorgaenge/190-vorgaenge/publikation/gewoehnung-an-die-mediokratie/


Der Begriff „Mediokratie“ geht nach Wikipedia ebenfalls auf den habilitierten (mittlerweile emeritierten) Politikwissenschaftler Thomas Meyer zurück:

Mediokratie bedeutet nach Meyer vor allem eine Verschmelzung der Logik der Medien und der der Politik.Indem sich die Politik der Medienlogik unterwirft, beherrscht sie auch die mediale Darstellung. Politiker engagieren Journalisten als Berater, zwischen der Elite der Politiker und der Elite der professionellen politischen Journalisten entwickelt sich eine große Nähe.

https://de.wikipedia.org/wiki/Mediokratie_(Medienherrschaft)
https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Meyer_(Politikwissenschaftler)

Hintergrund dieser Definition ist wohl der Wahlerfolg von Gerhard Schröder im Jahre 1998 gewesen, der auch als erster Medienkanzler in die deutsche Geschichte eingegangen ist, da er es als erster Bundeskanzler geschafft hat, die Logik der Medien derart für sich zu vereinnahmen, dass er sich der Macht der Medien bedienen konnte. Meyer (selbst SPD Mitglied) hatte im Jahre 2001 daraufhin eine viel beachtete Studie mit dem Titel Mediokratie. Die Kolonisierung der Politik durch die Medien vorgelegt. Zu dieser Studie gibt es einen zusammenfassenden Aufsatz, der auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) veröffentlicht wurde:
   
(bpb: 22.05.2002)
Mediokratie - Auf dem Weg in eine andere Demokratie?
https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/26977/mediokratie-auf-dem-weg-in-eine-andere-demokratie/

Der obige Text ist aus dem Jahre 2010 und die Studie aus dem Jahre 2001, weshalb es zu dieser Sichtweise eine Aktualisierung geben sollte, da sich die Gegner des Rundfunkbeitrages immer wieder mit der Gleichsetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit einer sehr fragwürdigen Demokratieauffassung konfrontiert sehen. Zuletzt wurde dies in dem folgenden Thema behandelt:

Thema: Sachsen-Anhalt: Landtag setzt Enquete-Kommission zum Rundfunk ein
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,36935.0.html

Neben der Aktualisierung der Betrachtungen von Meyer wäre die Frage, ob eine Mediokratie überhaupt eine Demokratieform (= Beteiligung aller an der Herrschaft) ist, ein Thema dieses Thread. Dazu gehört ebenfalls der Umstand, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk es offensichtlich geschafft hat, nicht nur die Politik, sondern auch das Rechtssystem für sich zu vereinnahmen. 

[pinguin]

Daran sollte man sich nicht gewöhnen, denn solches basiert nicht mehr auf Vernunft, sondern auf kurzfristige Effekthascherei, die leider oft längerfristig Nachwirkungen hat.

Und das ist auch nicht unbeachtlich und hat Folgen für die ganze Gesellschaft; (aus Copyright-Gründen nachstehend nur Links und keine Zitat aus den Artikeln):

Zahlreiche Studien bestätigen: Fernsehen macht Kinder dumm
https://www.kindergartenpaedagogik.de/fachartikel/psychologie/1335/

Baby-TV statt Gute-Nacht-Geschichten? Hirnforscher sind davon nicht begeistert
https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Baby-TV-statt-Gute-Nacht-Geschichten-Hirnforscher-sind-davon-nicht-begeistert-400311.html

[art18GG]

Daran sollte man sich nicht gewöhnen, (...)

Da sind wir mal einer Meinung!

Es bleibt jedoch zu klären, inwieweit diese Verschmelzung der Medien und der Politik zu einer Einflussnahme auf das Rechtssystem führt, worauf ich in anderen Themen gerade mit Bezug auf die Rundfunkpflicht (Beitragspflicht) aus §2 RBStV i. V. mit §8 RBStV versucht habe hinzuweisen. Siehe hierzu z. B.:

BVerfG - 2 BvR 1333/17 - Neg. Religionsfreiheit -> neg. Informationsfreiheit?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34539.msg219486.html#msg219486

[NichtzahlerKa]

Ein schöner Fund art18GG
Mir gefällt besonders:

Die Auswirkungen dieser Entwicklung sind umfassend und vielgestaltig. Sie strukturieren nicht nur die Darstellung des Politischen, sondern auch seine Herstellung neu. Welche Themen auf den Tisch kommen, welcher Politiker Aufstiegschancen hat, wer die Führung übernimmt und wie groß seine Spielräume zur Definition seiner Politik sind gegenüber der eigenen Partei, den Kontrahenten und gegenüber der Öffentlichkeit - das wird durch mediale Vermittelbarkeit und Mediencharisma mit entschieden. Wo beide ausbleiben, haben Themen und Interessen - auch wenn sie im Hinblick auf Gerechtigkeit, Zukunftsfähigkeit und Gemeinwohl wichtig sind - wenig Aussicht auf Berücksichtigung.

Wie soll der Normalbürger, der Politik nur von den Medien her kennt, noch wissen, was bloße Schau ist und was gut dargestellte Realität? Eigene Erfahrungen zur Gegenprüfung in Anspruch nehmen kann er oft erst dann, wenn die in Wahrheit ungelösten Probleme etwa von Arbeitslosigkeit, von Gewalt, Umweltschädigungen oder Unsicherheit jenseits der medialen Glanzbilder in die eigene Lebenswelt einbrechen. Was politisch möglich ist und was nicht, welches die wirklichen Optionen sind und was die Rolle der Akteure beim Ringen um sie, gerät kaum in den Blick.

Unter dem Druck der ultraschnellen Medienzeit mit ihrem Zwang zur jederzeitigen Sofortreaktion und zum professionell inszenierten, spontanen Akzeptanztest für Positionen, Konzepte und Posen der politischen Spitzenrepräsentanten ergibt sich die Verdrängung von Mitgliederpartei und Mitgliederdiskurs aus dem Zentrum der Politik, jedenfalls auf deren überörtlicher Ebene, fast von selbst.

u.v.m.
Fazit für mich: Es ist keine Demokratie.
1. Man kann nur wählen was man irgendwo gesehen hat -> Darüber bestimmen die Medien.
2. Die Medien kann man nicht stürzen. Sie werden immer zu ihrem Vorteil berichten und ihren Einfluss auf alle Systeme ausüben.
3. Die Parteien werden zu bloßen "Followern" ihrer "Könige". Ein Diskurs findet nicht statt. Die innerparteiliche Demokratie ist am Ende.

Fazit: Die Macht liegt nicht bei der Basis der Bevölkerung, sondern bei einzelnen "Quotenbringern" und den Entscheidern im Rundfunk. Mediokratie ist keine Demokratie. Der Einzelne mag eine freie Wahl haben, aber Framing, Sperrklauseln, Parteienoligopol, Mediensteuerung etc. verhindern über die "Vorhersagbarkeit der Masse" eine reale und souveräne Machtentfaltung durch das Volk.

[Zeitungsbezahler]

Ist ebenfalls nicht hilfreich, wenn diverse Zeitungsverlage einer Partei (mit)gehören und Nachichtenagenturen vom ÖRR mitbesessen oder beeinflußt werden.
Da hat mich immer das Herumhacken auf Berlusconi verwundert, da wußte man jedenfalls immer, was Sache ist.


Edit "Bürger": Siehe dazu u.a. auch unter
Warum berichten die meisten Zeitungen so zögerlich zum Rundfunkbeitrags-Unrecht?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=17321.0

[pinguin]

Ist ebenfalls nicht hilfreich, wenn diverse Zeitungsverlage einer Partei (mit)gehören

Man sollte hier eigentlich unterstellen dürfen, daß diese von sich aus ein Interesse haben, daß ihre Verlage nicht immer begünstigende Treiben der ÖRR zu begrenzen, aber offenbar ist das tlw. ein Trugschluß?

Für mich absolut unverständlich, daß an Verlagen beteiligte Parteien zugucken, bzw., den Eindruck erwecken, als würden sie bloß zugucken, daß sich Bürger*innen die Abos ihrer Verlage ob des real praktizierten Zwangsheranziehens zur Finanzierung der ÖRR nicht mehr leisten können.


Edit "Bürger" @alle: Bitte nicht abdriften, sondern bitte eng und zielgerichtet am eigentlichen Kern-Thema dieses Threads bleiben, welches da lautet
Gewöhnung an die Mediokratie? (Aufsatz von Thomas Meyer aus dem Jahre 2010)
und insbesondere den im Einstiegsbeitrag erwähnten Aufsatz zum Gegenstand hat. Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.

[hankhug]

Der Begriff „Mediokratie“ geht nach Wikipedia ebenfalls auf den habilitierten (mittlerweile emeritierten) Politikwissenschaftler Thomas Meyer zurück:
[...], zwischen der Elite der Politiker und der Elite der professionellen politischen Journalisten entwickelt sich eine große Nähe.

Das Gleiche gilt ja auch für die andere Säule des Rechtsstaats, siehe BVerfG und JPK (Justizpressekonferenz). Dort geht es dann um die Nähe zwischen BVerfG und professionellen Journalisten. Auf dieses Verhältnis lässt sich der Begriff 'Mediokratie' in seiner wörtlichen Bedeutung genauso anwenden.
Die JPK - durch Vorabzugang zu den Presseerklärungen zu den Urteilen bevorzugt - gibt die Interpretation der BVerfG-Urteile am Tag der Veröffentlichung vor und erreicht damit den Großteil der Medien-Konsumenten. Andere und mutmaßlich neutralere Journalisten brauchen für Berichte/Kommentare entsprechend länger und da ist das Aufmerksamkeitsschlaglicht der Tagespresse schon längst zum nächsten Thema gewandert. Siehe auch
Heimliche Pressearbeit: Bundesverfassungsgericht verrät vorab seine "Urteile"
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33787.msg205825.html#msg205825

Das nur zur Einordnung, aber nicht Vertiefung an dieser Stelle.

[pjotre]

Dieser Thread hat wesentliche Bedeutung und diese wird genutzt werden.
Wir haben mit den verschiedenen Texten von Meyer nun einen repräsentativen Erklärungs-Hintergrund für Vieles.

Nun werden die Vorgänge zeitlich einordenbar.
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Um 2000....2002 war die Diskussion "Internet / Auswirkung" intensiv.
Meyer konzentrierte das Bedenkliche hiervon, zugleich als Gebrauchsanleitung für die SPD.

Seither wurde die Ideologisierung und politische Schlagseite der Sender strategisch gesteuert. Nicht völlig neu, das war ja bereits 4 Jahrzehnte vorher Adenauers Plan mit dem ZDF-Vorgänger.

Da fehlte der Eckpfeiler der Dominanz über das Verfassungsorgan Justiz
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für den "Staat im Staat". Also gründeten ARD-Juristen und Nahestehende den Beck'schen Rundfunkrechtlichen Kommentar.
Dieser "beeinflusste" um 2010...2014 die Rechtsprechung für das Unterdrücken der offenkundigen Verfassungswidrigkeit des neuen Rundfunkabgabe-Konzepts.


Unterdessen sorgt der gleichgeschaltete Journalismus -
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ARD, ZDF usw.,
aber auch die quer-subventionierten wesentlichen Teile der Presse
und auch in Selbstgleichschaltung z.B. RTL
- alle diese sorgen dafür, dass die Gehirne der Bürger einseitig gefüttert werden. In Gehirnen kann nur drin sein, was eingefüttert wurde.

Man lügt manchmal, aber das ist nur maßvoll bedeutsam. Viel wichtiger:
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Man lügt indirekt durch Weglassen von politischen und wissenschaftlichen Gegenmeinungen,
Man lügt durch Nichteinladen von konservativ-liberalen rechtsstaatsbewussten Politik-Akteuren.
Man lügt durch Nachrichten-Intensität, sobald diesen selbst winzigste Fehler nachweisbar sein.
Man lügt durch das "Framing" von "hochkarätiger Wissenschaftlerin" Wehling.


Beispiel Corona-Maßnahmen.
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In diesen Tagen hat Lauterbach zugegeben, dass die meisten Massenbeschränkungen Mist waren. Auf Wunsch der Herrschenden haben Journalisten von ARD, ZDF usw. den überwiegend zu unkritischen Bürgern in die Gehirne gestopft, bei den damaligen Kritikern eben dieser Maßnahmen handele es sich um unsolidarische Sozialschädlinge und Verschwörungs-Geisteskranke.


Beispiel RBB
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Frau Schlesinger zahlte aus der Rundfunkabgabe 15 000 Euro für die Kontakte-Einführung in das Berliner politische Gesellschaftsleben. Also genau das, was öffentlich-Rechtliche Medien laut Bundesverfassungsgericht auf keinen Fall dürfen: Parteinehmender Schulterschluss mit bestimmten Lagern der Politik.

So ungefähr wird das nun verwertet und verwendet,
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natürlich vorher noch überdacht und verbessert.
Danke für diesen Fund, der die lang gesuchte Lücke schließt, wieso um 2002 die Weichenstellung für Deformierung der Sender begann.

[Spark]

Auch wenn etwas OFF Topic, aber eines sollte nicht unerwähnt bleiben:

Beispiel Corona-Maßnahmen.
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In diesen Tagen hat Lauterbach zugegeben, dass die meisten Massenbeschränkungen Mist waren. Auf Wunsch der Herrschenden haben Journalisten von ARD, ZDF usw. den überwiegend zu unkritischen Bürgern in die Gehirne gestopft, bei den damaligen Kritikern eben dieser Maßnahmen handele es sich um unsolidarische Sozialschädlinge und Verschwörungs-Geisteskranke.

Die eigentliche Impfung erfolgte durch die Massenmedien, ganz besonders durch ARD, ZDF usw.. Und sie verwendeten dafür einen hochwirksamen Impfstoff, bekannt unter der Bezeichnung: Angst.

Edit "Bürger": Bitte keine diesbezügliche weitere Vertiefung. Danke.