Mir sind hier in NRW 4 noch nicht abgeschlossene Verfahren bekannt (darunter mein eigenes), in dem die Vollstreckungsbehörde vor dem zuständige VG auf Unterlassung der Vollstreckung verklagt wurde, weil die zwingenden Vollstreckungsvoraussetzungen nicht gegeben sind.
Zu den Voraussetzungen der Verwaltungsvollstreckung gehört das Vorliegen eines Leistungsbescheids, also einer hinreichend bestimmten verpflichtenden Aufforderung an den genau bezeichneten Schuldner, einen genau bezeichneten Geldbetrag an einen genau und ggr. unter Angebe der Bankverbindung zu bezeichnenden Gläubiger innerhalb einer genau zu bestimmenden Frist zu zahlen.
Es gibt umfangreiche Rechtsprechung darüber, was ein Leistungsbescheid ist — und was nicht als Leistungsbescheid durchgeht. Das BVerwG hat zudem auch in einer Entscheidung sehr schön den Unterschied zwischen Festsetzungs- und Leistungsbescheid ausgearbeitet, zudem gibt es vom VG Gera eine Definition des Festsetzungsbescheids.
Wir alle wissen, daß die Festsetzungsbescheide der LRAs keine Anordnung einer Zahlungspflicht — und damit keinen Leistungsbescheid — enthalten, so daß diese nicht Grundlage einer Vollstreckung sein können.
Das Thema ist sehr, sehr umfangreich und sprengt den Rahmen dieses Threads. Hierzu sollte ein eigener eröffnet werden.
Es gibt zudem noch zahlreiche weitere Angriffspunkte für die Unzulässigkeit der Vollstreckung. Wichtig ist immer, daß der Angriff sich nicht gegen die Forderung an sich richten darf, dazu ist es im Vollstreckungsverfahren zu spät.
Die Vollstreckung ist auch unzulässig, wenn die einzelnen Leistungsbescheide in den von der Vollstreckungsbehörde an den Schuldner oder an AG / GV / Drittschuldner gerichteten Verwaltungsakten in der zugehörigen Forderungsaufstellung nicht genau mit Datum, Betrag, Fälligkeit, etc. bezeichnet sind. Dann ist die Vollstreckung unzulässig. Hierzu verweise ich auf
Vollstreckung für den WDR: erfolgreiche Anfechtung einer Kontopfändung in Kerpen.
Auch die Nichtigkeit der Festsetzungsbescheide wegen vollautomatischer Erstellung kann man einwenden.
Um es noch mal ganz deutlich zu machen: die Unterlassungsklage richtet sich nicht gegen die Forderung oder deren Vollstreckung, sondern gegen die (wegen fehlender Vollstreckungsvoraussetzungen) unzulässige Tätigkeit der Vollstreckungsbehörde. Die Klage ist also kein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckung einer Forderung, sondern die Geltendmachung eines öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruchs gegen die Vollstreckungsbehörde — und damit neben den Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren eine zusätzliche Abwehrmaßnahme.
Üblicherweise fordern die Verwaltungsgerichte nach Eingang der Klage die Vollstreckungsbehörde auf, bis zu einer Entscheidung über die Klage von (weiteren) Vollstreckungsmaßnahmen abzusehen, bestenfalls sogar die Vollstreckung bis dahin auszusetzen. Gegebenenfalls kann man das auch ausdrücklich in der Klageschrift beantragen, allerdings sollte das nicht als Eilantrag geschehen. Denn wenn die Vollstreckungsbehörde der Aufforderung des Gerichts nachkommt und den Verzicht auf die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen zusichert, ist das Rechtschutzbedürfnis für ein Eilverfahren erloschen, der Eilantrag würde unzulässig — und man bleibt auf den Kosten des Eilverfahrens sitzen.
Und da Verwaltungsgerichte bis zu einer Entscheidung in solchen Verfahren mittlerweile Jahre brauchen, ist erst mal Ruhe an der Front....