B.4. Begriff der Raster- / Programmfahndung als Maßnahme der Datenerhebung und des besonderen Datenabgleichs.
B.4.1. Gegenstand und Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelungen zur operativen Informationserhebung durch die Rasterfahndung
BVerfGE vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -:
Die Rasterfahndung ist eine besondere polizeiliche Fahndungsmethode unter Nutzung der elektronischen Datenverarbeitung. Die Polizeibehörde lässt sich von anderen öffentlichen oder privaten Stellen personenbezogene Daten übermitteln, um einen automatisierten Abgleich (Rasterung) mit anderen Daten vorzunehmen. Durch den Abgleich soll diejenige Schnittmenge von Personen ermittelt werden, auf welche bestimmte, vorab festgelegte und für die weiteren Ermittlungen als bedeutsam angesehene Merkmale zutreffen.
In Deutschland wurde die Rasterfahndung zunächst in den 1970er Jahren für den Bereich der Terrorismusbekämpfung entwickelt. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes wurden aufgrund einer solchen Rasterfahndung Ende der 1970er Jahre in Frankfurt am Main eine konspirative Wohnung der Rote Armee Fraktion (RAF) entdeckt und ein Mitglied der RAF darin festgenommen (vgl. auch Klever, Die Rasterfahndung nach § 98a StPO, 2003, S. 13 f.; Kube, Rasterfahndung – Kriminologische und rechtliche Aspekte, in: Cassani/Dittmann/Maag/Steiner <Hrsg.>, Mehr Sicherheit – weniger Freiheit?,2003, S. 49 <51 ff.>). Das Bekanntwerden der Maßnahme habe danach jedoch dazu geführt, dass sich die Täter auf sie eingestellt hätten.
Eine spezialgesetzliche Grundlage für die Rasterfahndung zu strafprozessualen Zwecken wurde in Gestalt des § 98a StPO durch das Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität (OrgKG) vom 15. Juli 1992 (BGBl. I S. 1302) geschaffen. Das Bundeskriminalamt hat allerdings nach seinen Angaben in der Zeit vor dem 11. September 2001 über viele Jahre hinweg keine entsprechenden Maßnahmen durchgeführt (zu Fällen der Anwendung des § 98a StPO auf Länderebene vgl. Klever, a.a.O., S. 19 ff.).
Im Bereich der Länder ist die Rasterfahndung als präventives Fahndungsinstrument vorgesehen.
Entsprechende Ermächtigungen enthielten die meisten Polizeigesetze der Länder bereits vor den terroristischen Anschlägen in den Vereinigten Staaten von Amerika am 11. September 2001. In Schleswig-Holstein und Niedersachsen wurden sie erstmals 2001 geschaffen; in Bremen wurde die kurz zuvor aufgehobene gesetzliche Befugnis nach den Anschlägen wieder eingeführt. Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Rasterfahndung durchgeführt werden kann, wurden in den letzten Jahren geändert. Ursprünglich setzten die meisten Regelungen eine gegenwärtige Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sowie für Leib, Leben oder Freiheit einer Person voraus (vgl. Koch, Datenerhebung und -verarbeitung in den Polizeigesetzen der Länder, 1999, S. 187 ff.). Auch eine von der Bundesregierung ausgehende, bislang nicht aufgegriffene Initiative, eine europaweite Rasterfahndung zu ermöglichen, verwies dementsprechend darauf, dass der Einsatz der Rasterfahndung in Deutschland nur zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die genannten Schutzgüter in Frage komme (vgl. Rat der Europäischen Union, Vermerk der deutschen Delegation an den Ausschuss Artikel 36, 8. März 2002, 6403/02 ENFOPOL 27).
B.4.1.2. Begriff Rasterfahndung / Programmfahndung / systematisierte Fahndung / besondere Form des Datenabgleichs
Walter Graf; Rasterfahndung und organisierte Kriminalität; Forum Verlag, Godesberg, 1997 Fußnote 1 S. 16: Die Bezeichnung als „Programmfahndung“ oder „systematisierte Fahndung“ hat sich nicht durchgesetzt.
Die Rasterfahndung ist der maschinelle Abgleich von personenbezogenen Daten, die bestimmte auf den Täter vermulich zutreffende Prüfungsmerkmale erfüllen, mit anderen Daten, um Nichtverdächtige auszuschließen oder Personen festzustellen, die für die Ermittlung bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen. Gegenstand der Ermittlungsmethode ist demnach die systematisierte Suche nach bislang unbekannten Personen unter Zuhilfenahme der Möglichkeiten elektronischer Datenverarbeitung.
Sie ist eine Anwendungsform der Fahndung, da unter diesen Begriff alle Maßnahmen subsumiert werden können, die zur Festnahme und Aufenthaltsermittlung sowie zur Ermttlung unbekannter Zielpersonen getroffen werden.
Diese Maßnahmen können im Rahmen der Strafprozessordnung nur zur Strafverfolgung eingesetzt werden. Dies hat zur Folge, daß § 98 a Abs. 1 S. 1 StPO die Rasterfahndung als EDV-gestützte selektive Fahndung mit repressiverer Zielsetzung charkaterisiert.
Die präventive polizeiliche Rasterfahndung ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) nur vereinbar, wenn eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Im Vorfeld der Gefahrenabwehr scheidet eine solche Rasterfahndung aus.
Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus. Voraussetzung ist vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen, aus denen sich eine konkrete Gefahr, etwa für die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge, ergibt (vgl. BVerfGE vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 - ).
Die Rasterfahndung ist eine zweistufige Fahndungsmethode. Private und öffentliche Stellen, bei denen sich für den Datenabgleich erforderliche, durch bestimmte Prüfungsmerkmale (Raster) gekennzeichnete Daten befinden werden verpflichtet, diese Daten (Treffer) zu selektieren und in eine separate Datei auszusondern.
Nach Übermittlung der Datei an die zuständige Behörde - im vorliegenden Lebenssachverhalt rechtswidrig dem Beitragsservice - wird diese mit anderen Daten im Wege elektronischer Datenverarbeitung abgeglichen.
In der hier durchgeführten Rasterfahndung des § 14 Abs. 9 RdFunkBeitrStVtr waren die Meldebehörden verpflichtet den gesamten Meldedatenbestand nach einer Altersgruppe (ab 18 Jahren) zu selektieren und zu einem bestimmten Stichtag, die gewonnen separierten personenbezogene Meldedaten zu einer Gruppendatei zusammenzufassen und einzufrieren.
Mit dem Datenabgleich können unterschiedliche Zielrichtungen verfolgt werden, für die im Schrifttum die Begriffe „positive“ und „negative“ Rasterfahndung geprägt wurden.
Ziel der positiven Rasterfahndung ist es, durch den elektronischen gesteuerten Abgleich von in zwei oder mehreren Dateien gespeicherten Daten, solche Personen zu ermitteln, die bestimmte positive Merkmale oder Eigenschaften aufweisen.
So werden beispielsweise zur Ermittlung des Aufenthaltsortes flüchtiger Personen die Fahndungsnotierungen beim Bundeskriminalamt mit den Personalien aus verschiedenen anderen Datenbeständen abgeglichen. Als positive Rasterfahndung wird ein solches Verfahren bezeichnet, weil die zumindest in zwei Dateien übereinstimmenden Daten auf einem dritten Datenträger als positives Ergebnis übernommen werden.
Im Gegensatz dazu ist die negative Rasterfahndung auf Zielgruppen zugeschnitten, bei denen Anhaltspunkte für eine positive Fahndung fehlen, weil sich die Täter / Gefährder bemühen, in der Anonymität der Massengesellschaft unterzutauchen. Deshalb richtet sich die Fahndungsmethode nicht gegen eine durch bestimmte Merkmale individuell bezeichnete Person. In Umkehrung der traditionellen polizeilichen Ermittlungsweise wird vielmehr versucht, Personengruppen auszuscheiden, zu denen die Zielgruppe nicht gehören kann. Infolgedessen erfasst die Datenerhebung im ersten Schritt alle ein Prüfungsmerkmal erfüllenden Daten. Durch die Aussortierung aller Merkmalsträger, die ein zusätzliches Merkmal erfüllen, welches die Zielgruppe nicht aufweisen kann, wird die Zahl der Daten reduziert. Dieser Vorgang wird durch „Ausrasterung“ der Daten, die weitere Prüfungsmerkmale erfüllen, wiederholt, bis ein „Bodensatz“ der Daten der Zielgruppe verbleibt, die zahlreiche Merkmale aufweisen, die auch die einzelne Zielperson besitzt.
So z.B. bei der bundesweiten Rasterfahndung zur Entdeckung islamistischer Schläferzellen 2001 - 2003; BVerfGE vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -:
Am 18. September 2001 setzte der Arbeitskreis "Innere Sicherheit" der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder eine "Koordinierungsgruppe Internationaler Terrorismus" unter Vorsitz des Bundeskriminalamtes ein, in welcher unter anderem der Bundesgrenzschutz, das Bundesamt für Verfassungsschutz und der Bundesnachrichtendienst vertreten waren (vgl. BTDrucks 14/7206, S. 1 f.). Von dieser Koordinierungsgruppe wurden nach Angaben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bundesweit abgestimmte Rasterkriterien zur Entdeckung potentieller islamistischer Terroristen in Deutschland entwickelt. Die Landeskriminalämter erhoben anschließend Daten unter anderem bei Universitäten, Einwohnermeldeämtern und dem Ausländerzentralregister und rasterten die Datenbestände nach den folgenden Kriterien: männlich, Alter 18 bis 40 Jahre, Student oder ehemaliger Student, islamische Religionszugehörigkeit, Geburtsland oder Nationalität bestimmter, im Einzelnen benannter Länder mit überwiegend islamischer Bevölkerung (vgl. zu den Kriterien auch AG Wiesbaden, DuD 2001, S. 752 <753 f.>).
Die durch Datenabgleich nach diesen Kriterien auf Landesebene gewonnenen Daten wurden anschließend an das Bundeskriminalamt übermittelt. Dort wurden sie in die bundesweite Verbunddatei "Schläfer" eingestellt. Nach Angaben des Bundeskriminalamtes übermittelten die Länder insgesamt 31.988 Datensätze. Diese wurden anschließend mit weiteren, durch das Bundeskriminalamt erhobenen Datenbeständen abgeglichen. Unter den Abgleichsdateien befanden sich nach Angaben des Polizeipräsidiums Düsseldorf gegenüber der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen etwa Dateien über Inhaber von Fluglizenzen oder Personen, die gemäß § 12 b AtG einer Zuverlässigkeitsprüfung bedürfen. Nach Einschätzung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz waren in diesen Abgleichsdateien zwischenzeitlich die Daten von 200.000 bis 300.000 Personen gespeichert. Als "Treffer" sei es beim Abgleich angesehen worden, wenn ein Datensatz aus der Datei "Schläfer" mit einem Abgleichsdatensatz in jeweils zwei Bestandteilen eine Übereinstimmung ergeben habe, etwa Name und Geburtsdatum oder Name und Geburtsland. Das Ergebnis des Abgleichs sei in einer Ergebnisdatei zusammengefasst und den jeweiligen Landeskriminalämtern zur Verfügung gestellt worden. Sowohl die Daten der Verbunddatei "Schläfer" als auch die Abgleichsdateien waren nach Angaben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz bis 2003 beim Bundeskriminalamt gespeichert. Die Löschung der Verbunddatei erfolgte danach am 30. Juni 2003, die der Abgleichsdateien am 21. Juli 2003.
Die Rasterfahndung führte, soweit ersichtlich, in keinem Fall dazu, dass "Schläfer" aufgedeckt worden wären oder gar aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse eine Anklage - etwa wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder wegen Unterstützung einer solchen (vgl. §§ 129a, 129b StGB) - gegen eine der davon erfassten Personen erhoben worden wäre.
Im Gegensatz zur positiven Rasterfahndung, bei der eine Schnittmenge beziehungsweise eine Schnittmenge der Schnittmenge gesucht wird, zielt die negative Rasterfahndung damit auf eine möglichst kleine Restmenge nach der Ausscheidung möglichst zahlreicher Schnittmengen.
§ 98 a Abs. 1 S. 1 StPO liegt sowohl der Begriff der negativen („um Nichtverdächtige auszuschließen“) als auch der positiven Rasterfahndung zugrunde („Personen festzustellen, die weitere für die Ermittlungen bedeutsame Prüfungsmerkmale erfüllen“).
Bis zur Implantierung des §§ 98a - b in die Strafprozessordnung erfolgte die Verdachtsklärung ganz überwiegend aufgrund konkreter tat- und täterbezogener Verdachtsmerkmale. Anknüpfungspunkt traditioneller Ermittlungsmaßnahmen ist nämlich regelmäßig ein Kreis von Tatverdächtigen, gegen die sich der Verdacht aufgrund verhaltensspezifischer oder sachbezogener Auffälligkeiten richtet. Über diese Personen werden strafprozessuale Informationen mit dem Ziel erhoben, sie im Entscheidungsverfahren beweiskräftig zu verwerten. Die traditionellen Ermittlungsmethoden können deshalb als Maßnahmen zur „beweisförmigen Informationserhebung“ charakterisiert werden.
Dagegen knüpft die Rasterfahndung nicht an bestimmte Tatverdächtige, sondern an einen unbegrenzt großen Kreis zunächst unverdächtiger Personen an. Diese werden auf das Vorliegen bestimmter Rastermerkmale hin überprüft, um so schrittweise einen immer kleiner werdenden Personenkreis herauszufiltern, auf den zahlreiche, für den Täter als charakteristisch vermutete positive oder negative Merkmale zutreffen. Auf diesem Wege der „gestuften Verdachtsverdichtung“ sollen Hinweise und Spuren aufgefunden werden, die erst nach weiterer Abklärung mittels traditioneller Fahndungsmethoden im Strafverfahren beweiskräftig verwertbar sind.
Im Vorfeld der „beweisförmigen Informationserhebung“ von Daten zum Zwecke der weiteren Informationserhebung“ erfolgt demnach eine Fahndung abstrakter Natur, die auf „informationelle Sichtung“ von Daten zum Zwecke weiterer Informationsbeschaffung gerichtet ist.
Da diese Informationssichtung planvoll strategisch erfolgt, erscheint es sachgerecht, die Rasterfahndung der Systematik der Gruppe von Ermittlungsmaßnahmen zuzuordnen, die auf eine „operative Informationserhebung“ gerichtet sind.
B.4.1.3. Besondere Form des Datenabgleichs § 47 ASOG
Im Bereich des Landes Berlin ist die gefahrenabwehrende Rasterfahndung in § 47 Besondere Formen des Datenabgleichs ASOG geregelt und wegen der Streubreite und des Additiven Grundrechtschutzes ausschließlich der Polizei vorbehalten. Diese Form des besonderen Datenabgleichs unterliegt der richterlichen Anordnung.
Beschluss Az. 81/02 des VerfGH des Landes Berlin vom 28. Mai 2004 zur bundesweiten Rasterfahndung zur Entdeckung islamistischer Schläferzellen 2001 - 2003, hier Bereich des Bundeslandes Berlin:
Es liegt auch keine Herabwürdigung des Einzelnen zum bloßen Objekt darin, dass mit der angegriffenen Anordnung der Rasterfahndung Befugnisse für Eingriffe gegenüber Personen geschaffen worden sind, die in keiner besonderen Beziehung zu einer Gefahr für bedeutsame polizeiliche Schutzgüter stehen. Das „Misstrauen“ des Staates ist bei einer Rasterfahndung kein konkretes, gegen einen bestimmten Betroffenen gerichtetes, sondern allenfalls ein abstraktes. Fahndungsmaßnahmen wie die Rasterfahndung knüpfen gerade nicht daran an, dass der Einzelne als (möglicher) Störer angesehen wird; statt dessen geht es zunächst nur darum, bestimmte Informationen zu gewinnen, um überhaupt erst beurteilen zu können, ob der Betroffene als Störer in Betracht kommen könnte.
Grundrechtssichernde Wirkungen haben zudem § 47 Abs. 4 Satz 1 ASOG, wonach die Rasterfahndung regelmäßig nur durch den Richter angeordnet werden darf, sowie die in § 47 Abs. 4 Satz 8 ASOG erforderliche Unterrichtung des Berliner Datenschutzbeauftragten.
Hiervon ist das „staatsferne“ Misstrauen des öffentlichen-rechtlichen Rundfunks zu unterscheiden. Die Maßnahme § 14 Abs. 9 sowie § 14 Abs. 9 a RdFunkBeitrStVtr zielt auf jeden Volljährigen der wohnt. Dies soll der Herstellung der „Beitragsgerechtigkeit“ dienen und stellt damit jede nach dem BMG gemeldete volljährige Person unter „Generalverdacht“.
Leitsätze zum Beschluss des Ersten Senats vom 4. April 2006 - 1 BvR 518/02 -:
1. Eine präventive polizeiliche Rasterfahndung der in § 31 PolG NW 1990 geregelten Art ist mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG) nur vereinbar, wenn eine konkrete Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person gegeben ist. Im Vorfeld der Gefahrenabwehr scheidet eine solche Rasterfahndung aus.
2. Eine allgemeine Bedrohungslage, wie sie im Hinblick auf terroristische Anschläge seit dem 11. September 2001 durchgehend bestanden hat, oder außenpolitische Spannungslagen reichen für die Anordnung der Rasterfahndung nicht aus. Vorausgesetzt ist vielmehr das Vorliegen weiterer Tatsachen, aus denen sich eine konkrete Gefahr, etwa für die Vorbereitung oder Durchführung terroristischer Anschläge, ergibt.
Eingriffsvorrausetzung des § 47 ASOG ist:
„durch Tatsachen belegten gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“
Tatsachen sind dabei einer objektiven Beweisführung zugängliche Fakten, die für die konkrete Lebenssituation eine Prognose über die Gefährdung des Rechtsgutes ermöglichen.
Eine allgemeine Gefahr genügt angesichts der Schwere des Grundrechtseingriffes nicht (BVerfG Beschl. v. 04.04.2006, 1 BvR 518/02, BVerfG Urteil v. 11.03.2008 1 BvR 1254/07).
Eine Beeinträchtigung des Bundes ist gegeben, wenn die Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufgehoben, die staatliche Einheit beseitigt oder ein zur Bundesrepublik Deutschland zugehöriges Gebiet abgetrennt wird (§ 92 Abs. 1 StGB). Die Sicherheit des Bundes wird beeinträchtigt, wenn Personen darauf hinarbeiten, die innere oder äußere Sicherheit zu beeinträchtigen (§ 92 Abs. 3 Nr. 2 StGB). Eine Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn die Fähigkeit des Bundes gemindert wird sich gegen Eingriffe von außen zu wehren oder die Rechtsordnung gegen Störungen von innen aufrechtzuerhalten (vgl. Pewestorf/Söllner/Tölle, POR-Ber/Koom, §47, RdNr. 7, S.601).
§ 92 Begriffsbestimmungen StGB
(1) Im Sinne dieses Gesetzes beeinträchtigt den Bestand der Bundesrepublik Deutschland, wer ihre Freiheit von fremder Botmäßigkeit aufhebt, ihre staatliche Einheit beseitigt oder ein zu ihr gehörendes Gebiet abtrennt.
(2) Im Sinne dieses Gesetzes sind Verfassungsgrundsätze
1. das Recht des Volkes, die Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuüben und die Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl zu wählen,
2. die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmäßige Ordnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an Gesetz und Recht,
3. das Recht auf die Bildung und Ausübung einer parlamentarischen Opposition,
4. die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung,
5. die Unabhängigkeit der Gerichte und
6. der Ausschluss jeder Gewalt- und Willkürherrschaft.
(3) Im Sinne dieses Gesetzes sind
1. Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen (Absatz 1),
2. Bestrebungen gegen die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, die äußere oder innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen,
3. Bestrebungen gegen Verfassungsgrundsätze solche Bestrebungen, deren Träger darauf hinarbeiten, einen Verfassungsgrundsatz (Absatz 2) zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben.
Welche gesetzliche Hürden einer derartiger Abgleich im Polizeirecht mit sich bringt zeigt § 47 Abs. 4 ASOG:
(4) Die Maßnahme darf nur durch den Richter angeordnet werden. Zuständig ist das Amtsgericht Tiergarten. Die Anordnung muss den zur Übermittlung Verpflichteten sowie alle benötigten Daten und Merkmale bezeichnen. Antragsberechtigt ist der Polizeipräsident oder sein Vertreter im Amt. Dem Antrag sind die Errichtungsanordnung nach § 49 dieses Gesetzes, das Datensicherheitskonzept und die Risikoanalyse nach § 5 Abs. 3 des Berliner Datenschutzgesetzes und die Maßnahmen zur Gewährleistung von Datensicherheit der erhobenen Daten beizufügen. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 Abs. 1 des Berliner Datenschutzgesetzes ist im Antrag nachzuweisen.
Für das Verfahren gelten die Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit entsprechend. Wird eine Anordnung unanfechtbar aufgehoben, sind bereits erhobene Daten zu löschen.
Andere Behörden sind von der Unzulässigkeit der Speicherung und Verwertung der Daten zu unterrichten. § 48 Abs. 6 gilt nicht. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit ist durch die Polizei fortlaufend über die Maßnahmen zu unterrichten.
§ 49 Errichtungsanordnung
(1) Für jede bei der Polizei nach diesem Gesetz geführte automatisierte Datei über personenbezogene Daten und solche nicht automatisierten Dateien über personenbezogene Daten, aus denen personenbezogene Daten an andere Stellen übermittelt werden, ist jeweils eine Errichtungsanordnung zu erlassen.
Ihr Inhalt bestimmt sich nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 sowie Nr. 6 und 7 des Berliner Datenschutzgesetzes. Sie hat außerdem Prüffristen nach § 48 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 zu enthalten. Die Errichtungsanordnung tritt an die Stelle der Dateibeschreibung nach § 19 Abs. 2 des Berliner Datenschutzgesetzes.
(2) Die für Inneres zuständige Senatsverwaltung regelt das Nähere durch Verwaltungsvorschrift. Sie übersendet die Errichtungsanordnung dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
(3) Die Speicherung personenbezogener Daten in Dateien ist auf das erforderliche Maß zu beschränken. Die Notwendigkeit der Weiterführung oder Änderung der Dateien ist in angemessenen Abständen zu überprüfen.
Die Errichtungsanordnung ist Grundlage für die Errichtung einer Datei der Polizei. Sie ist eine Verwaltungsvorschrift, erlassen durch die Senatsverwaltung für Inneres. Sie ist eine Dateibeschreibung und regelt insbesondere den Zweck der Datenbeschreibung, die Art der gespeicherten Daten und die Zugriffsmöglichkeiten für die Bearbeiter und die Prüffristen für die Löschung der Daten. Diese Errichtungsanordnung enthält eine detailierte Dateibeschreibung und ersetzt die nach § 19 BlnDSG geforderte Dateibeschreibung und ergeht nach Maßgabe der Dateienrichtlinie über den Erlass einer Errichtungsanordnung. Diese Richtlinie gibt im Wesentlichen den Zweck sowie die Art der Daten und die Prüffristen für die Löschung der Daten vor. Die Errichtungsanordnung regelt dazu insbesondere Detail, wie die Art und Weise des Abrufs von Daten wie z.B. Onlineabruf, zeitgesteuerte automatische Übermittlung und Zugriffsrechte (vgl. Pewestorf/Söllner/Tölle, POR-Ber/Koom, §49, RdNr. 1, S. 623).
B.4.1.4. Kein Verfahrensverzeichnis nach § 19 BlnDSG
§ 19 BlnDSG Durchführung des Datenschutzes und Dateibeschreibung
(1) Die datenverarbeitenden Stellen, in den Fällen des § 4 Abs. 3 Nr. 1 Halbsatz 2 auch die jeweiligen Behörden oder sonstigen öffentlichen Stellen, und die Aufsichtsbehörden haben für ihren Geschäftsbereich die Ausführung dieses Gesetzes sowie anderer Rechtsvorschriften über den Datenschutz sicherzustellen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die ordnungsgemäße Anwendung der Datenverarbeitungsprogramme, mit deren Hilfe personenbezogene Daten verarbeitet werden sollen, gewährleistet ist.
(2) Für automatisierte Verarbeitungen hat die datenverarbeitende Stelle schriftlich oder elektronisch festzulegen:
1. Name und Anschrift der datenverarbeitenden Stelle,
2. Zweckbestimmung und Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung,
3. Beschreibung der betroffenen Personengruppe und der diesbezüglichen Daten oder Datenkategorien,
4. Empfänger oder Kategorien von Empfängern, denen die Daten mitgeteilt werden,
5. Herkunft regelmäßig empfangener Daten,
6. zugriffsberechtigte Personen oder Personengruppen,
7. Fristen für die Sperrung und Löschung der Daten,
8. geplante Übermittlung personenbezogener Daten an Behörden oder sonstige öffentliche Stellen außerhalb des Geltungsbereichs der Rechtsvorschriften zum Schutz personenbezogener Daten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union,
9. Betriebsart des Verfahrens, Art der Geräte, Stellen, bei denen sie aufgestellt sind, und das Verfahren zur Übermittlung, Sperrung, Löschung und Auskunftserteilung,
10. Beschreibung der Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit der Verarbeitung (§ 5 Abs. 3 Satz 1),
11. Ergebnisse der Vorabkontrollen (§ 19 a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1).
(3) Absatz 2 findet keine Anwendung auf Dateien, die bei automatisierter Verarbeitung ausschließlich aus verarbeitungstechnischen Gründen vorübergehend vorgehalten werden.
In der Abgeordnetenhaus Drucksache 16/3941, vom 09.03.2011, zur Einführung des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag, führt der Landesgesetzgeber zur Begründung zu § 11 Abs. 3 RdFunkBeitrStVtr auf Seite 68 aus:
Die in Absatz 3 vorgenommenen Umformulierungen straffen den Gesetzestext und haben keine Auswirkung auf die materielle Rechtslage. Die Landesrundfunkanstalten nehmen ihre Aufgaben rechtlich jeweils selbst wahr, auch soweit sie sich einer gemeinsamen Stelle im Sinne des § 10 Abs. 7 Satz 1 bedienen. Die gemeinsame Stelle hat deshalb die den einzelnen Landesrundfunkanstalten zuzuordnenden Daten – wie bisher – logisch von den Daten der anderen Anstalten getrennt zu verarbeiten. Die anlassunabhängige Übermittlung bzw. der Abruf ganzer Datenbestände oder Teile davon ist schon aufgrund allgemeiner Grundsätze ausgeschlossen. Die Übermittlungsbefugnis in Satz 1 beschränkt sich daher nach wie vor auf den Einzelfall (z. B. Umzug, Abstimmung von Mehrfachkonten bei Zweitwohnsitzen), der eine Erforderlichkeitsprüfung voraussetzt. Satz 2 schreibt wie bisher die Einzelheiten der Dokumentation vor, um die Zulässigkeit jedes einzelnen Abrufs nachprüfen zu können, für die die abfragende Landesrundfunkanstalt verantwortlich ist
Der RBB ist nicht in der Lage ein Verfahrensverzeichnis gemäß § 19 BlnDSG vorzulegen, da er selbst keine Vorprüfung zu seiner - logisch von den Daten der anderen Anstalten getrennt zu verarbeitenden Dateien - vorgenommen hat.
Es existiert lediglich ein Verfahrensverzeichnis nach dem DSG NRW.
Anlage: Verfahrensverzeichnis Beitragsschuldnerbetreuung
Herkunft: Klageverfahren des Beschwerdeführers VG Berlin (VG 27 K xx.16)
Meine insgesamt vorliegenden datenschutzrechtlichen Einwände und Feststellungen sind nicht als „höchstbedenklich“, sondern als offensichtlich verfassungswidrige Verletzung des Grundrechtes auf Datenschutz zu bezeichnen.
Es ist wahrhaft erstaunlich welches Ausmaß die datenschutzrechtlichen Verstöße des „Niemand“, in Gestalt einer nichtrechtsfähigen Verwaltungsgemeinschaft, haben.