@ope23
So, wie es hier verstanden wird, bedeutet "ultra-vires" das Handeln einer Behörde, eines Gerichtes wie auch eines Verfassungsorganes gegen die diesem Organ gegenüber zugestandenen gesetzlichen wie verfassungsrechtlichen Befugnisse.
Da die ÖRR keine Behörden sind, sondern "Unternehmen im Sinne des Kartellrechts", (siehe BGH KZR 31/14, Rnn. 2, 29 & 47 in gefestigter Rechtsprechung des für Wirtschaftsrecht zuständigen Bundesgerichts), gilt diese Aussage aus Leitsatz 10 der aktuellen EZB-Entscheidung für die Landesregierungen, die lokalen Stadtkassen, (bspw.), und sonstigen Landesbehörden, die für den Rundfunk gerne Helfer spielen, was sie nicht dürfen, wenn sie sich dabei außerhalb der ihnen entlang der Normenhierarchie gesetzten Grenzen bewegen.
Die hier zugrundeliegende BVerfG-Entscheidung richtet sich auch in Belangen des Rundfunks nicht an diesen, sondern eben an alle staatlichen Helfer.
Zum besseren Verständnis: Ist es im Zusammenhang mit Barzahlung nicht schon ein Ultra-Vires-Akt, wenn eine Rundfunksatzung sich über das Bundesbankgesetz und anscheinend sogar über einschlägiges EU-Recht hinwegsetzen darf und das auch so polizeilich durchgesetzt wird?
Man könnte dieses mit "Ja" beantworten, wenn es mittels einer "Behörde" realisiert wird; d.h., die Polizei dürfte sich dafür gar nicht einspannen lassen, denn sie ist ohne jeden Zweifel "Behörde", die nicht befugt ist, außerhalb ihrer Zuständigkeiten zu handeln, schon gar nicht auf Zuruf durch eine Nichtbehörde.
Kann eine spezialgesetzliche Norm einfach so eine allgemeingesetzliche Norm "überschreiben"?
Ist im EU-Recht nicht anders; die "spezielle" Norm geht der "allgemeinen" Norm im Regelfalle innerhalb derselben Normenebene vor, wenn es beide Regeln so vorsehen.
Die "spezielle" Norm des entlang der Normenhierarchie befindlichen niederen Rechts hebelt eine "allgemeine" Norm des entlang der Normenhierarchie befindlichen höheren Rechts regelmäßig weder innerhalb Europas noch im Bunde aus; umgekehrt hingegen immer, wenn das jeweils höhere Recht die Normgebungsbefugnis inne hat.
Für den Bund legt das Grundgesetz dieses anschaulich fest, mit BVerfG 2 BvN 1/95 in Auslegung des Art. 31 GG, und für Europa, damit letztens auch für den Bund und seine Regionen, sind die europäischen Verträge maßgebend.
Ist das z.B. aber dann zulässig, wenn beide Normen vom selben Normgeber stammen, und somit kein Ultra-Vires vorliegt, weil der Normgeber ja sich selbst überstimmt?
"Ultra-vires" ist das Handeln außerhalb der zugestandenen Befugnisse; der Rang des Normgebers, (also Europa, Bund oder Land), ist hier zweitrangig.
Beispiel:
Welche Befugnisse hat die Stadtkasse?
Dieses wäre die erste Frage zur Klärung; jedes Tun, was sich außerhalb der Antwort auf diese Frage befindet, wäre "ultra-vires"; die zweite Frage wäre dann die nach dem Rang des Normgebers und, ob dieser dazu befugt ist/war, diese Norm zu setzen, auf der die Stadtkasse/Behörde ihr Tun gründet. Die dritte Frage wäre die nach weiteren Normen, die vorrangig oder parallel zum Handeln einer Stadtkasse/Behörde von dieser einzuhalten sind.
Für Europa ist auch seitens BVerfG wie EuGH gesetzt, daß Bundesrecht Landesrecht bricht und nationales Recht im konkreten Fall nicht angewendet werden darf, wenn europäisches Recht entgegensteht.
Leitsatz 10 der aktuellen EZB-Entscheidung steht diesem nicht entgegen, sondern verfestigt beide Aussagen in ihren Strukturen.
@Profät Di Abolo
Für rein nationale Belange hat es ja BVerfG 2 BvN 1/95 zur Tragweite des Art. 31 GG; auch hier wird ja klargestellt, was "ultra-vires" ist, nur eben nicht so genannt.
Sobald der Bund als Normgeber eine Regel aufstellt, ist jede gleichinhaltliche Regel eines Landes nichtig; auch diese Entscheidung ist es wert, mehrfach gelesen zu werden. Denn danach dürfen alle Landesgesetze die Bundesgesetze lediglich ergänzen, weil sie keine Norm enthalten dürfen, die der Bund bereits regelt.
Und dieser Leitsatz 10 aus der aktuellen EZB-Entscheidung ist eben allgemein gehalten und nicht nur auf europäische Belange bezogen.