Für den Nachweis der Bedürftigkeit und damit der Voraussetzungen für eine Befreiung bedarf es m. E. keines Antrags auf Sozialhilfeleistungen, wohl aber einer Prüfung der Bedürftigkeit unter gleichen Gesichtspunkten durch die Sozialämter.
In einem im Sommer des vergangenen Jahres vor dem VG Düsseldorf verhandelten Fall, in dem sich die Klägerin ebenfalls darauf berief, bedürftig zu sein und die Voraussetzungen für die Härtefallbefreiung zu erfüllen, wurde auf Anregung des Gerichts zwischen dem beklagten WDR und der Klägerin vereinbart, daß diese ihre Bedürftigkeit durch das zuständige Sozialamt prüfen und bestätigen lassen solle. Der WDR begründete dies, daß er weder fachlich, noch rechtlich, noch personell dazu in der Lage sei, diese Prüfung selbst vorzunehmen. Der WDR sicherte in Abhängigkeit von den Feststellungen des Sozialamtes eine (in diesem Fall rückwirkende) Befreiung zu, und zwar unter Aufhebung sämtlicher, ggf. auch unanfechtbarer, Festsetzungsbescheide.
Die Klägerin hatte daraufhin ihre Einkommens- und Vermögenssituation für den Zeitraum seit dem 01.01.2013 unter Verweis auf das Urteil des VG Düsseldorf durch das zuständige Sozialamt prüfen lassen, ohne irgendeine Sozialhilfeleistung zu beantragen. Das Sozialamt bestätigte daraufhin nach eingehender Überprüfung in einem formlosen Schreiben, daß bei der Klägerin ohne jeden Zweifel seit dem 01.01.2013 die Voraussetzungen für eine Härtefallbefreiung vorgelegen haben, weil sie für diesen Zeitraum Anspruch auf Sozialhilfeleistungen gehabt hätte und auch für die Zukunft unverändert haben wird.
Der WDR hat es inzwischen jedoch abgelehnt, auf der Grundlage des o. a. Schreibens die (rückwirkende) Härtefallbefreiung auszusprechen, weil es sich hierbei nicht um einen Sozialhilfebescheid handeln würde. Auf die Entgegnung, daß der WDR allein schon aus Gründen des Datenschutzes gar kein Recht hat, einen Sozialhilfebescheid vorgelegt zu bekommen und daß er lediglich verlangen können, das summarische Ergebnis der Bedürftigkeitsprüfung mitgeteilt zu bekommen, hat der WDR dann nicht mehr reagiert, so daß in dieser Angelegenheit nunmehr vor dem VG Düsseldorf Feststellungs- und Verpflichtungsklage erhoben wurde.
Als Anstalt des öffentlichen Rechts unterliegt eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Grundrechtsbindung gem. Art. 1 Abs. 3 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Nicht nur vor diesem Hintergrund ist allein schon das Verlangen, ein Bedürftiger müsse zum Nachweis der Voraussetzungen für eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag Sozialhilfeleistungen beantragen, nicht mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar und damit als verfassungswidrig anzusehen.
Es unterliegt im Rahmen der vom Grundgesetz garantierten Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) einzig und allein dem persönlichen Willen des Bedürftigen, ob dieser Sozialhilfeleistungen beantragt oder nicht. In diese Handlungsfreiheit darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden (Art. 2 Abs. 2 S. 3 GG).
Keine Landesrundfunkanstalt hat aber bislang eine gesetzliche Vorschrift, nach der bedürftige Personen zur Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen verpflichtet wären, nachgewiesen. Eine derartiges Gesetz gibt es nicht, und das aus gutem Grund: es wäre nämlich mit Art. 1 Abs. 1 GG unvereinbar und damit verfassungswidrig.
Die Landesrundfunkanstalt ist an die Feststellungen der Sozialbehörden gebunden. Sie hat keine rechtliche Grundlage dafür, deren Feststellungen selbst überprüfen oder gar in Zweifel ziehen zu wollen. Sie hat aber auch aus Gründen des Schutzes der sehr persönlichen Daten der Antragsteller keinen Anspruch darauf, Bescheide der Sozialbehörden vorgelegt zu bekommen, mit denen diese einem Antragsteller Sozialhilfeleistungen bewilligen oder ablehnen. Die Rundfunkanstalt muß sich vielmehr damit zufriedengeben, wenn die Sozialbehörden ihr in einem formlosen Schreiben bestätigen, daß ein Antragsteller Anspruch auf Sozialhilfeleistungen hat oder auch nur, daß ein Antragsteller die Voraussetzungen für die Befreiung vom Rundfunkbeitrag erfüllt. Weiterer Nachweise bedarf es nicht, die LRA kann auch weitere Nachweise nicht verlangen, denn sie kann und darf, auch nach dem Vortrag des WDR, diese weder überprüfen noch ändern. Die LRA hat keinen Anspruch darauf, konkrete Kenntnis der Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Antragstellers zu erlangen. Dieses wäre auch mit den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Datenschutz nicht vereinbar.
Für den Nachweis der Voraussetzungen für eine Härtefallbefreiung sollte also die bedürftige Person zu dem für ihren Wohnort zuständigen Sozialamt gehen und dort ausdrücklich eine Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Feststellung der Voraussetzungen für eine Härtefallbefreiung gem. § 4 Abs. 6 RBStV verlangen. Es sollte noch ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß dies kein Antrag auf Sozialhilfeleistungen ist, obwohl bei der beantragten Prüfung die Feststellung zu treffen ist, ob und ggf. seit wann Anspruch auf Sozialhilfeleistungen bestehen würden.
Das Ergebnis der Prüfung kann dann formlos durch das Sozialamt bestätigt werden, etwa so:
Nach eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Herrn ..... / der Frau ......... / der Bedarfsgemeinschaft........ bestätigen wir, daß diese Anspruch auf Sozialhilfeleistungen haben. Wir bestätigen ferner, daß die Voraussetzungen für eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag gem. § 4 Abs. 6 RBStV vorliegen.
Dieses Schreiben auf dem offiziellen Briefpapier der Behörde, versehen mit Dienstsiegel und Unterschrift ist eine Urkunde, deren Anerkennung die LRA nicht verweigern darf.
Allerdings ist den Kommunen noch nicht bewußt, welche Lawine da auf sie zurollen könnte, die von den LRAs losgetreten wurde. Und angesichts des mit einer derartigen Einkommensprüfung verbunden Arbeitsaufwandes und Personalbedarfs würde es mich nicht wundern, wenn die Kommunen irgendwann auf die Idee kämen, von der jeweiligen LRA Kostenersatz zu fordern.
Die hier vieldiskutierte Rn. 30 des BVerwG-Urteils interpretiere ich in dem Licht der obigen Ausführungen: Der Antragsteller muß seine Bedürftigkeit nachweisen - allerdings nicht durch die Beantragung und Bewilligung von Sozialhilfeleistungen, sondern nur durch eine Urkunde, in der seine Bedürftigkeit und das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Härtefallbefreiung durch eine Sozialhilfebehörde festgestellt und bestätigt wird.