Als Beobachter der Verhandlung möchte ich auf folgendes Wortgefecht hinweisen:
Richter: "Die Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers lässt zu, allen zu unterstellen, sie hätten eine Nutzungsmöglichkeit. Diese Pauschalisierung mag im Einzelfall ungerecht sein, für das Allgemeingut nimmt man das aber in Kauf."
Klägerin: 25% sind Nichtnutzer. Das sind keine Einzelfälle. Das kann man doch nicht ignorieren.
Richter: "Jeder Streit muss einmal zu Ende sein. Das Bundesverfassungsgericht hat anders entschieden, und das ist dann so in Ordnung." Und weiter: „Das ist relativ widerspruchsfrei.“ (wörtlich!)
Klägerin: „Danke! Relativ!“
Richter: „Ich habe nicht „relativ“ gesagt.“
Klägerin: „Doch!“
Richter korrigiert sich: „Das ist eigentlich widerspruchsfrei.“
Ob nun eigentlich oder relativ: Die Richter wollen nicht. Sie könnten schon. Man sollte sie evtl. öfter an
§63 Bundesbeamtengesetz (BBG) hinweisen:
https://www.gesetze-im-internet.de/bbg_2009/__63.html§ 63 Verantwortung für die Rechtmäßigkeit
(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.
(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich bei der oder dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn ihre Bedenken gegen deren Rechtmäßigkeit fortbestehen, an die nächsthöhere Vorgesetzte oder den nächsthöheren Vorgesetzten zu wenden.
Wenn man "relativ" nicht gesagt haben will und dann "eigentlich" sagt, hat man doch Bedenken, oder etwa nicht?
Julian Assange soll gesagt haben:
Jedes Mal, wenn wir Zeuge einer Ungerechtigkeit werden und nicht handeln, trainieren wir in solchen Situationen unseren Charakter passiv zu bleiben und verlieren dadurch vielleicht die Fähigkeit, uns selbst und die, die wir lieben, zu verteidigen.
Unsere Richter in Sigmaringen scheinen diese Fähigkeit schon verloren zu haben. Tarudi glücklicherweise nicht.
Man sagte ihr, sie werde die Klage verlieren. Denn nur mit Bescheid des Sozialamtes könne der SWR vom Beitrag befreien. So sei nun mal das Gesetz. Ob sich die Bürger dadurch stigmatisiert fühlen, dass man sie so zum Gang zum Sozialamt zwingt, interessiert nicht. Richter seien nur an das Gesetz gebunden.
Wenn man das Rundfunksystem ablehne, sei das eine politische Frage. Da müsse man politisch aktiv werden.
Interessant waren noch die Aussagen zu Richter Dr. Matthias Sprißler aus Tübingen. Herr Sprißler sei "ein besonderer Fall". Der wähle jetzt die Zustellung des vollstreckbaren Titels zur Verhinderung von Zwangsvollstreckungen. Leider wurde nicht die Frage erörtert, warum dieser "besondere Fall" nicht der Normalfall ist!
Insgesamt ein erschreckendes Schauspiel, was sich das Gericht da wieder einmal geleistet hat. Wir kennen das ja schon. Immerhin war es rein förmlich korrekt. Man entschuldigte sich für den deutlich verspäteten Verhandlungsbeginn und erzeugte keinen Zeitdruck.
Wieder einmal entstand das Gefühl, dass man hier einer Fassade gegenübersitzt, die den Schein zu wahren bemüht ist.