Tatsache ist allerdings, dass die Rundfunkabgabe in Form der Vorzugslast das Gegenteil einer Steuer ist.
Das ist eine Behauptung zunächst der ÖR-Sender, der sich der von diesen beauftragte Gutachter Kirchhof angeschlossen hat. Ein anderes Gutachten, das von der ARD beauftragt wurde, hat die Umwandlung in eine Wohnungsabgabe nur unter Einschränkungen für möglich gehalten (1). Gerichte bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht haben nicht den Mumm gehabt dem zu widersprechen. Dafür gibt es einige Gründe. Für die unteren Instanzen ist das zunächst, dass niemand sich in den Abendnachrichten wiederfinden möchte, in dem er als "Totengräber der Demokratie und des freien Rundfunks in Deutschland" diffamiert wird, zumal in den Kanon der Kritiker instantan Politiker sämtlicher Parteien einsteigen würden. Damit korreliert ist die Tatsache, dass die Justiz in Deutschland alles andere als unabhängig ist. Richter unterstehen dem jeweiligen Justizminister auf Landes- wie Bundesebene. Wer keine Lust hat mehr als 30 Jahre Autofahrern die Ergebnisse von Radarüberwachung vorzuhalten und lieblos ein Serienurteil ans nächste zu hängen, wer die Alternative, sich in ein Heer brotloser Anwälte in den Vorstädten der Republik einzureihen scheut, der hält fein den Mund, wenn er sich nicht sämtlicher Karriereambitionen entledigen will. Zum über Jahrzehnte geltenden Besetzungsregime für die Positionen als Richter am BVerfG habe ich mich hier und anderswo schon oft ausgelassen. Es sollte jedem klar sein, dass es sich um politisches Geschacher handelt. Das schließt nicht aus, dass die Günstlinge gelegentlich opponieren, insbesondere wenn sie selbst einmal Politik gestalten wollen. Die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland wird wohl vor allem von Juristen behauptet, deren Fähigkeit zur selbstkritischen Betrachtung der Realität über die Ausbildungs- und Berufsjahre gelitten hat. Lesetipp:
https://www.gewaltenteilung.de/ NB: Besonders findig bezüglich kreativer Abweichung sind die Richter am BVerwG, die in den ersten Urteilen zum sogn. Rundfunkbeitrag bestätigten, dass es auf den Besitz geeigneter Empfangsgeräte nicht ankommt, bei Beherbergungsbetrieben aber die Zahlung für Gästezimmer erst dann für gerechtfertigt halten, wenn diese mit geeigneten Empfangsgeräten ausgestattet sind,
da der abzugeltende Vorteil nicht bereits durch die bundesweit flächendeckende Ausstrahlung der Programme vermittelt wird. Das muss man Wohnungsinhabern einmal erklären. Sie müssen auch ohne Empfangsgerät bereits für die Ausstrahlung der Programme zahlen, sollen schon dadurch einen Vorteil haben, in gleicher Weise übrigens der Inhaber einer Betriebsstätte, während der Inhaber eines Beherbergungsbetriebs erst ein Empfangsgerät oder wenigstens Internet (per WLAN) zur Verfügung stellen muss um zahlungspflichtig zu werden. Ich kann mir bis heute nicht recht vorstellen, wie elektromagnetische Wellen derart selektiv vorgehen, dass sie Wohnungen durchdringen, aber um Gästezimmer im Hotel solange einen Bogen machen, bis dort ein Empfänger steht.
Mit den Urteilen des BVerwG hat sich Dr. Martin Pagenkopf, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht, in "Neue Juristische Wochenschrift (NJW)", Heft 35/2016, 25.08.2016, Seiten 2535–2540 auseinander gesetzt. Sein Fazit:
"Nach allem kann das ergangene Urteil des BVerwG weder die 'Rundfunkverweigerer' noch den um juristische Strukturen bemühten Leser überzeugen. Die oft nicht realitätsnahe verfassungsrechtliche "Rundfunkphilosophie" hat nur ein neues Kapitel erhalten." (2,3)
Dr. Frank Hennecke schreibt in seiner Streitschrift zu den VG-Verfahren in "Der Zwangsrundfunk oder warum die neue Rundfunkabgabe rechts- und verfassungswidrig ist", ISBN 978-3-9817882-7-3:
"Die Klagabweisungen treffen den Rechststaat im Kern. Diese Rechtsprechung ist ein Skandal. Bei den Bürgern wächst die Verzweiflung am Rechtsstaat.
In der Tat lassen die bisherigen verwaltungsgerichtlichen Urteile weithin nicht nur bewährte juristische Argumentationsmuster, sondern darüber hinaus auch rechtsstaatliche Entscheidungskriterien vermissen. Die stereotypen Formeln, aber auch die vielfach gewundenen Argumente in den bisherigen Gerichtsurteilen versuchen eine öffentliche Zwangsabgabe zu retten, die nicht zu retten ist." Ich füge hinzu, dass, sollte das BVerfG geglaubt haben, dass es mit seinem Beschluss zur Befriedung beigetragen hat, so irrt man sich in Karlsruhe, wie auch in den Staatskanzleien, den Sendern und allgemein den Parteien.
Ein Urteil, das schlussendlich eine Steuer in Betracht zieht, kenne ich nicht. Von Anfang an wurde in allen Urteilen die sich mit der Vorzugslast bzw. der Rundfunkabgabe befasst haben eine Steuer ausgeschlossen.
Ich kenne auch kein Urteil mit diesem Ergebnis, habe die Gründe dafür, die weniger in den Gesetzen als der Organisation der Republik liegen, bereits skizziert. Bemerkenswerter Weise gibt es deutlich mehr Gutachten, die zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Rundfunkabgabe um eine Steuer als dass es sich tatsächlich um einen Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn handelt. Die Liste der bekannten Gutachten findet man hier im Forum (4).
Um eine Gegenleistung bzw. eine konkrete Gegenleistung geht es bei der Rundfunkabgabe auch nicht.
Hoppala! Ich berufe mich auf das Bundesverfassungsgericht, das in einem Beschluss einmal feststellt, dass die Rundfunkgebühr nicht für eine Gegenleistung gezahlt wird, nun aber in der Ausstrahlung von Rundfunk eine Gegenleistung für die jetzt "Beitrag" genannte Zahlung sieht. Ich darf als Bürger und Betroffener wohl ein Minimum an Selbstkonsistenz der Argumentation verlangen. -
Wenn dat eenmaal 'rin in de Kartuffels, dann wedder rut geiht, kummt mien noorddüütsche Seel en bietje ins sleudern. - Für Leute, denen das von ihnen verfolgte Ziel - hier den sogn. Rundfunkbeitrag passieren zu lassen - wichtiger ist als Widerspruchsfreiheit, habe ich nicht viel übrig. Ich vermute, damit bin ich nicht allein.
Vielmehr geht es in der Vorzugslast um den “Ausgleich von Vorteilen” (Sondervorteil).
Das Wesen eines Vorteils ist es, dass er möglicher Weise vielen zu Gute kommt, aber keineswegs allen. Die herausgehobene Situation der einen gegenüber den anderen wird mit dem Wort "Sondervorteil" noch verstärkt. Ist die Gruppe derjenigen, die den Vorteil genießen mit der Gesamtbevölkerung identisch, so wird dies üblicher Weise von allen mittels Steuern finanziert. Nun mag man u. U.
juristisch argumentieren, dass dies nicht zwingend ist, weil es neben den Steuern auch andere Finanzierungsinstrumente gibt. Nur hat das BVerfG bis zum 18.07.2018 dies ebenso gesehen, dass nämlich der Gruppe derjenigen, die einen Vorteil genießen, der abgeschöpft werden soll, eine andere Gruppe gegenüber steht, deren Mitglieder nicht in den Genuss des Vorteils kommen. Die Änderung, nämlich dass alle Bürger vom ÖR-Rundfunk einen Vorteil haben sollen, ist m. E. einzig der Willkür geschuldet, mit der eine Finanzierung durchgedrückt werden soll, die dem Wesen der bisher erlaubten Abgaben fremd ist. Wenn ich die kritischen Kommentare zum Beschluss des BVerfG vom 18.07.2018 Revue passieren lasse, so ist der Tenor dort meiner kompakten Zusammenfassung im Wort "Willkür" oft ziemlich nah. Die gebetsmühlenhaft vorgetragene Begründung, dass der ÖR-Rundfunk frei von staatlichem Einfluss sein muss, was eine Steuerfinanzierung ausschliesse, ist albern. Weder führt eine Steuerfinanzierung zwingend zu Abhängigkeiten und Einfluss des Staates, noch hat die bisherige Finanzierung verhindert, das die Parteien den Rundfunk de facto beherrschen. Nur das Volk, dem der Rundfunk angeblich gehört und dem er dienen soll, hat definitiv keinen Einfluss.
M. Boettcher
(1) "Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Rundfunkgebühr", Mai 2007(!)
Quelle: http://www.ard.de/download/398614/index.pdf
Verfasser: Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M. (Harv.)
Inhaber des Lehrstuhls für deutsches und europäisches öffentliches Recht und
Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Politik der Universität Münster
siehe auch https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22822.msg145936.html#msg145936
(2) Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20028.msg129496.html#msg129496
(3) Dr. Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23730.msg151101.html#msg151101
(4) Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [gesammelte Werke]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.msg45115.html#msg45115