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"Beitragsservice" (vormals GEZ) => Widerspruchs-/Klagebegründungen => Thema gestartet von: Lev am 21. Juli 2019, 15:01

Titel: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 21. Juli 2019, 15:01
Der Faden befasst sich mit dem Problem, dass die meisten die nationalen Urteile als willkürlich betrachten.
Zitat
...
Das erklärte Rechtsanwalt B. gegenüber der MK. B. verwies darauf, zum Recht auf ein faires Verfahren gehöre unter anderem, dass das nationale Gericht nicht zu „willkürlichen Schlussfolgerungen“ kommen dürfe. Das Verfassungsgerichtsurteil zum Rundfunkbeitrag enthält nach Auffassung des in Quickborn ansässigen Rechtsanwalts mehrere Feststellungen, die als willkürlich einzustufen seien, etwa den Punkt im Urteil, dass der Rundfunkbeitrag einen individuellen Vorteil abgelte, weil die Möglichkeit bestehe, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.

Quelle:  "Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Beschwerden zum Rundfunkbeitrag abgewiesen"
https://www.medienkorrespondenz.de/politik/artikel/europaeischer-gerichtshof-fuer-menschenrechte-beschwerden-zum-rundfunkbeitrag-abgewiesen.html
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31145.msg193664.html#msg193664


...
drboe kreiste im Laufe der Diskussion die empfundene Willkür ein und schrieb dazu folgendes...
Das BVerfG behauptet, dass der sogn. Rundfunkbeitrag eine nicht-steuerliche Abgabe, und zwar ein Beitrag sein soll. Begründet wird dies damit, dass die Abgabe nicht im finanzverfassungsrechtlichen Sinne "voraussetzungslos" geschuldet wird, sondern als Gegenleistung für einen individuell zurechenbaren Vorteil, der darin bestünde, dass man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk empfangen könnte (Rn. 52 ff). Nun hat das BVerfG in einem früheren Rundfunkurteil festgestellt, dass die gleiche Leistung mit der Gebühr gerade nicht für eine Gegenleistung erfolgte*. Ein offensichtlicher Widerspruch. Zudem trifft das gar nicht zu, weil es nicht genügt den Finger in die Luft zu halten um Rundfunk empfangen zu können.

...
Mir wurde persönlich und auf Anfrage den Einwand noch einmal etwas einfacher verdeutlicht.
Diese Zeilen möchte ich gerne benutzen, um zu zeigen, dass die nationalen Urteile nicht der Willkür entsprechen.

Zitat
Was den Rundfunk angeht, so hat das BVErfG einmal geurteilt, dass die Rundfunkgebühr nicht für eine Gegenleistung fällig wird und Gutachter befanden schon vor der Umstellung auf "Beitrag", dass für einen solchen zu gering sei. Nun wird festgestellt, man erhielte eine Gegenleistung. Zwar nicht konkret sondern lediglich abstrakt, und nicht individuell, da ja allen der "Vorteil" zufließt.
* Wichtig!

Was man hier oben findet, sind Meinungen aus dem Forum und darüber hinaus. Es folgt nun eine andere Betrachtung.


Warum die Willkür keine ist?

Antwort!: Der individuelle Vorteil in der Vorzugslast ist kein Personenbezug. Er ist objektiv betrachtet der Anknüpfpunkt. Wenn man die Urteile so betrachtet, ist das Abstrakte und die Willkür nicht mehr vorhanden.

Im Detail: Die Vorzugslast ist ein “potenziell-individueller Vorteil”. Es hilft den Begriff mal zu entschlüsseln:


               Potenziell      >>>     ist die Möglichkeit
               Individuell     >>>     ist der Anknüpfpunk.
               Der Vorteil    >>>     ist die Rundfunkrepzeption.


Ergo: Der “potenzielle-individuelle Vorteil” ist die Möglichkeit Rundfunk empfangen zu können.
Damit wäre der Sondervorteil¹ in der Vorzuglast entschlüsselt, denn sie dient dem Ausgleich von Vorteilen. Wer diesen Vorteil hat, ist pflichtig².
Als Hilfe: Was genau ist eine Vorzugslast?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,9581.msg183689.html#msg183689



Zu beachten ist ...

Wenn der Gesetzgeber eine Steuer oder Abgabe gestaltet, orientiert er sich i.d.R. am "Äquivalenzprinzip". Wichtig ist dabei zu erwähnen, dass das Prinzip nicht Voraussetzung für die Gestaltung eine Steuer oder Abgabe ist. Dennoch wird sich i.d.R. daran vorwiegend orientiert. Es zeigte sich in der Vergangenheit, dass sehr häufig Steuern bzw. Abgaben die dieses Prinzip nicht anwenden, ganz einfach verfassungswidrig sind.   (Weil Mitbestimmungsfaktoren nicht berücksichtigt werden. - Bsp. **)
Das Äquivalenzprinzip ist ein Prinzip zur Ausgestaltung des Finanzierungsbeitrags der Bürger für Leistungen ihres Staates. Es sagt aus, dass derjenige, der von einer Leistung einen Vorteil hat, nach Maßgabe dieses Vorteils über eine entsprechende Abgabe zur Finanzierung dieser Leistung herangezogen wird.

Beispiel für das Äquivalenzprinzip:
- Die Hundesteuer, ist eine öffentlich-rechtliche Abgabe. Das anschaffen eines Hundes macht den Halter zum abgabepflichtigen.
- Die Kfz-Steuer, macht den Halter eines Kraftfahrzeugs zum pflichtigen.
u.s.w.

Das Äquivalenzprinzip folgt somit dem Leitsatz des “individuell-konkreten Nutzen” und eben nicht dem “potenzielle-individuelle Vorteil”(Wichtig!)
Um es deutlich zu machen, der Vorteil wird also konkret zugeordnet. Das Wesentliche ist dabei, es gibt einen Mitbestimmungsfaktor der dem einzelnen* die Wahl lässt, weil der Nutzen eine Rolle spielt und konkret zugeordnet wird.

* * * * *
Zum Beweis der These oben: Der Begriff "individuell", ist also kein Personenbezug. Es ist auch in den hier aufgeführten Beispielen der Anknüpfpunkt   (Hund oder Kfz.).


Die unmoralische Rundfunkabgabe

Wer das Prinzip oben nachvollziehen kann, unterscheidet zwischen einer Vorzugslast mit einem “potenziell-individuellen Vorteil” und anderseits dem Äquivalenzprinzip das dem Leitsatz des “individuellen-konkreten Nutzen” folgt.  Der erste Fall hat zur Folge, dass die Vorzugslast eine Abgabeform darstellt, die die Mitbestimmungsrechterechte des einzelnen* ausschließt und ihn einseitig zum pflichtigen erklärt.  (Seine Rechte werden nicht wahrgenommen!)

Insofern entsprechen die nationalen Urteile zwar nicht der Willkür sind aber sehr wahrscheinlich unmoralisch, da Sie den einzelnen* nicht berücksichtigen. Der Halbsatz in dem Tenor machte dies deutlich...
(Zitat:)   “Im Massenverfahren wie dem Rundfunkbeitragseinzug müsse der Gesetzgeber nicht jeden Einzelfall gerecht werden...”
Tenor: https://www.justiz.nrw.de/nrwe/ovgs/ovg_nrw/j2015/2_A_2422_14_Urteil_20150312.html

Aus dieser Betrachtung wäre eine Klage noch möglich!



* Der einzelne ist ein Rechtssubjekt und somit ein Träger von Rechten und Pflichten.
** Eines der letzten Beispiele ist m. u. die verfassungswidrige Grundsteuer, die sich unter anderen nicht an dem Äquivalenzprinzip orientierte.
https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/Service/publikationen/Studien/Rechtsgutachten%20-%20Grundsteuer%20Neufestsetzung%20der%20Hebesaetze%20%283%29.pdf
https://haus-und-grund-ostsee.de/flensburg/wp-content/uploads/sites/2/2017/06/Widerspruchsbegruendung.pdf

+ Auf den "individuellen Vorteil und das Äquivalenzprinzip wurde schon mal hingewiesen. Die Willkür stand dabei allerdings nicht im Vordergrund.
In der Hail Mary - https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29265.msg193522.html#msg193522


Lev

P.S. Für die Rechtschreibung bitte ich um entschuldigen. (LRS)
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: drboe am 21. Juli 2019, 18:38
Nur kurz, da ich hier zitiert werde: diverse Gutachter haben bezüglich des sogn. Rundfunkbeitrags nachvollziehbar herausgearbeitet, warum es sich nicht um einen Beitrag sondern eine Steuer auf wohnen handelt. Unter anderem orientierten sie sich daran, dass für einen Beitrag keine oder eine zu geringe Gegenleistung bestünde, wobei "keine Gegenleistung" interessanter Weise durch einen früheren Beschluß des BVerfG gestützt wird, der dies in Verbindung mit der Rundfunkgebühr feststellte. Dennoch behauptet das BVerfG, dass es sich um einen Beitrag handelt. M. E. liegt hier ein Widerspruch, der nicht für das BVerfG spricht, da es selbst mehr den Charakter der Abgabe behauptet als belegt. Zudem war bislang auch für das BVerfG unstrittig, dass einer Gruppe, die einen Vorteil geniesst, der mit der Abgabe abgeschöpft werden soll, eine andere Gruppe gegenüber stehen muss, der der Vorteil nicht zukommt und die daher nicht belastet wird. Nunmehr gestattet das BVerfG ein Verhältnis von 100% Vorteilsbegünstigten zu 0% der nicht begünstigten Gruppe. Dies einzig mit dem Ziel die aktuelle Rundfunkfinanzierung nicht vollständig als verfassungswidrig zu erklären. Eine solche Feststellung hätte nicht den Zusammenbruch der Finanzierung bedeutet, denn auch andere verfassungswidrige Normen durften mit einer Übergangsfrist weiter angewendet werden. Dass das BVerfG sich vom Ziel des Erhalts der Finanzierung leiten lies, kann man u. a. aus dem sachlich nicht gebotenen Teil entnehmen, in der die angebliche Relevanz des ÖR-Rundfunks in Zeiten von "Fake News" besungen wird. Dies noch dazu im Gegensatz zum real existierenden Inhalt des ÖRR.

Willkürlich ist m. E. aber auch, dass das BVerfG dem Gesetzgeber praktisch beliebige, nicht an der Sache anknüpfende Maßstäbe für die Gestaltung von Abgaben gestattet. Dies wird uns und dem Gericht noch auf die Füsse fallen, weil es auch in Zukunft immer wieder zu angeblich oder tatsächlichen Mangelsituationen bei der Finanzierung staatlicher Aufgaben kommen wird. Abgaben entwickeln sich seit ich denken kann nur in eine Richtung, es sei denn, man gehört zu dem einem Prozent der besonders Begüterten im Land. Nun ist der Gesetzgeber nicht mehr an eine irgendwie geartetete sachliche Begründung bzw. einen inneren Zusammenhang des Finanzierungsziels mit dem die Abgabe auslösenden Grund gebunden. Er kann, grob gesagt, eine Strassenbenutzungssteuer an die Zahl der Nasen binden, die ein volljähriger Bürger hat, oder einen "Kindertagesstättenbeköstigungsbeitrag" an den Sauerstoffverbrauch jedes Einwohners.

M. Boettcher
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: gez-negativ am 21. Juli 2019, 19:14
...: diverse Gutachter haben bezüglich des sogn. Rundfunkbeitrags nachvollziehbar herausgearbeitet,
warum es sich nicht um einen Beitrag sondern eine Steuer auf wohnen handelt.
Die Rechtsanwälte B. und Dr. Koblenzer haben konkret die Wohnung genannt, also Steuer auf die Wohnung.

Kleine Korrektur meinerseits:
Zitat
(1) Im privaten Bereich ist für jede Wohnung
---
von deren Inhaber
Für jede Wohnung verstehe ich so, dass eben für jede Wohnung gezahlt werden soll.

Und jetzt kommt die WILLKÜR.
Es wird willkürlich einfach der Inhaber abgezockt.

Bei anderen Abgaben, Beiträgen wird i.d.R. der z.B. Grundstückseigentümer genannt und Firmen.
Für die Wohnung ist i.d.R. der Eigentümer zuständig.

Willkür im Urteil des BVerfG ist die Festlegung, dass der SWR alle anderen Anstalten vertreten soll.

Willkür vor Ort:
An einen Bescheid wird ein Schreiben von der GEZ (BS) angehangen und geschrieben, dass die Gläubigerseite befragt wurde. Es gibt die LRA als Gläubiger, sofern man Nutzer ist, eine Gläubigerseite ist mir nicht bekannt.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 21. Juli 2019, 20:07
@ drboe  :)

Ihre geschätzte Meinung nehme ich gerne zur Kenntnis. Die Tatsache ist allerdings, dass die Rundfunkabgabe in Form der Vorzugslast das Gegenteil einer Steuer ist.
Die Ansätze des R.A. K. vor dem BVerfG sind mir ebenfalls bekannt. Ein Urteil, das schlussendlich eine Steuer in Betracht zieht, kenne ich nicht. Von Anfang an wurde in allen Urteilen die sich mit der Vorzugslast bzw. der Rundfunkabgabe befasst haben eine Steuer ausgeschlossen.

Um eine Gegenleistung bzw. eine konkrete Gegenleistung geht es bei der Rundfunkabgabe auch nicht. Vielmehr geht es in der Vorzugslast um den “Ausgleich von Vorteilen” (Sondervorteil).

Was der Text oben aber verdeutlichen sollte ist, dass der Begriff des “individuellen” häufig in einer solchen Verbindung auftaucht, indem der Pflichtige als Individuum begriffen wird, der eine Gegenleistung erwarten kann. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Ausdruck “Individuum” wird gerne auf die Person übertragen bzw. auf das Rechtssubjekt. Hier allerdings führt dies zum Missverständnis. Man könnte annehmen und dies passiert auch, dass die Person ihre Rechte in Form einer Gegenleistung in Anspruch nehmen darf, was ebenfalls dazu führt, dass die Person die keine konkrete Gegenleistung bekommt, nun der Willkür ausgesetzt wird.

Das individuelle in der Vorzugslast ist aber der Anknüpfpunkt (primär die Wohnung). D.h. es gibt keine Gegenleistung, sondern nur ein Ausgleich von Vorteilen. Insofern ist eine Willkür nicht mehr vorhanden.

Lev

P.S.  Ich habe etwas länger gebraucht um dies zu verstehen, vielleicht braucht es etwas Zeit.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: seppl am 21. Juli 2019, 20:49
Die Abgabe ist nicht an die Wohnung geknüpft. Eine leerstehende Wohnung ist beitragsfrei. Auch wenn es im RBStV anders geschrieben steht, es ist das Grundbedürfnis "Wohnen", das bebeitragt wird.

Der RBStV wurde nur so formuliert, dass jeder denkt, die Abgabe sei an eine Sache geknüpft. Bei dieser Abgabe ist die Menge der Menschen, die für die Wohnung zahlen gleich mit der Menge der Menschen, die Wohnen. Die Wohnung kann man als Begriff eigentlich aus dem RBStV streichen. Es würde das Gleiche ergeben. Das Wohnen ist untrennbar mit einer Wohnung verbunden. Es gibt kein Denkmodell, dass das Wohnen ohne Wohnung zulässt.

Es hinken die Vergleiche mit Hundesteuer und KFZ Steuer: Beides sind keine Grundbedürfnisse, die eine Abgabepflicht erzeugen. Sie bestehen auch nicht, um die Möglichkeit der Hunde- oder Fahrzeughaltung zu haben. Das sind völlig andere Voraussetzungen. Wenn die Hundesteuer daran gebunden wäre, das man eine Hand hat, an der man einen Hund Gassi führen könnte oder die KFZ Steuer an die Füsse, dass man ein KFZ führen könnte, wäre es vergleichbar.

An Grundbedürfnisse kann keine Abgabepflicht gebunden sein, da das den Menschen zum Objekt der Abgabe machen würde. Meine These... leider kann die auch nichts mit dem Begriff Willkür anfangen: Es ist einfach Beschiss am Bürger.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: gez-negativ am 21. Juli 2019, 21:46
Die Tatsache ist allerdings, dass die Rundfunkabgabe in Form der Vorzugslast das Gegenteil einer Steuer ist.
Die Ansätze des R.A. K. vor dem BVerfG sind mir ebenfalls bekannt. Ein Urteil, das schlussendlich eine Steuer in Betracht zieht, kenne ich nicht.
Von Anfang an wurde in allen Urteilen die sich mit der Vorzugslast bzw. der Rundfunkabgabe befasst haben eine Steuer ausgeschlossen.

Um eine Gegenleistung bzw. eine konkrete Gegenleistung geht es bei der Rundfunkabgabe auch nicht. Vielmehr geht es in der Vorzugslast um den “Ausgleich von Vorteilen” (Sondervorteil).

Es darf keine Steuer sein, obwohl es dann doch einer Steuer gleichkommt.
Die GEZ schreibt selbst, dass es unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme ist. D.h. : voraussetzungslos, also wie eine Steuer.


Urteil vom 18.07.2018:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.html

Zitat
1.Das Grundgesetz steht der Erhebung von Vorzugslasten in Form von Beiträgen nicht entgegen, die diejenigen an den Kosten einer öffentlichen Einrichtung beteiligen, die von ihr - potentiell - einen Nutzen haben.
Lt. BVerfG muss man also einen Nutzen haben! Nutzen entsteht durch Nutzung.


Rn38:
Zitat
3. Das Deutschlandradio führt in seiner Stellungnahme zusätzlich an, bei dem Wohnungsbezug handle es sich um ein Surrogatmerkmal für die potentielle Inanspruchnahme der Leistungen der Rundfunkanstalten.
Wohnungen seien weitestgehend mit herkömmlichen und neuartigen Empfangsgeräten sowie Internetanschlüssen ausgestattet.
Die Belastung pro Wohnungsinhaber in Mehrpersonenhaushalten gegenüber von Einpersonenhaushalten rufe schon deshalb keine Belastungsungleichheit hervor, weil der durch die Empfangsmöglichkeit erlangte Vorteil wohnungs- und nicht personenbezogen sei.

So würden etwa im Straßenausbaurecht Beiträge ebenfalls grundstücksbezogen erhoben, ohne dass nach der Anzahl der dort lebenden Personen differenziert werde. Da der Rundfunkbeitrag wohnungsbezogen sei, bestehe auch in mehreren Wohnungen ein entsprechender Vorteil.

Was hat DR mit dem Landesrecht des Landes X zu tun?

Hier wird definitiv immer auf die Wohnung angespielt und nicht auf das Wohnen.

Zitat
So würden etwa im Straßenausbaurecht Beiträge ebenfalls grundstücksbezogen erhoben ...
Das sehe ich ebenso.
Natürlich grundstücksbezogen und zwar immer vom
GRUNDSTÜCKSEIGENTÜMER.

En Haus mit 10 Parteien, immer vom Hauseigentümer und nur einmal pro Grundstück/ Haus.. Der Unterschied zum Rundfunk ist der, dass der Rundfunk aber entgegengesetzt pro Mieter haben will und nicht vom Hauseigentümer.
Das ist reine Willkür.
Ich hatte es oben bereits geschrieben. Für jede Wohnung.

Das DR widerspricht sich selbst. Ein eklatanter Widerspruch.

@seppl,
Das mit der leerstehenden Wohnung entsteht durch diesen eminenten Murks, der da zusammengeklitscht worden ist. Das alles hat weder Hand noch Fuß. Einfach nur unverständlicher und nicht nachvollziehbarer Murks.
Für jede Wohnung heißt für jede Wohnung. Es passt eben nicht, weil es eben gar nicht passen kann.
Umkehrschlüsse sollte man vermeiden.

Anm.Mod. seppl: @gez-negativ: Sorry, aber ich geb es auf, Dir argumentativ zu antworten. Es läuft leider immer die gleiche Diskussion.

Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: gez-negativ am 21. Juli 2019, 22:15
BVerfG vom 18.07.2018:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.html
Rn100:
Zitat
Zur Bemessung des Vorteils kann nicht auf eine Gebrauchswertsteigerung der Wohnung Bezug genommen werden. Zwar kann ein beitragsrelevanter Vorteil auch grundstücksbezogen bemessen werden, wenn die staatliche Leistung geeignet ist, den Gebrauchswert eines Grundstücks positiv zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 137, 1 <24 f. Rn. 58>).
Dies ist bei der Rundfunkempfangsmöglichkeit jedoch nicht der Fall, weil sie personenbezogen ist (ebenso BVerwGE 154, 275 <293 Rn. 45>).
Die Wohnung ermöglicht zwar die Bestimmung der Vorteilsempfänger, weil Rundfunk typischerweise in ihr empfangen werden kann und empfangen wird. Das steigert ihren Gebrauchswert aber nicht. Denn es fehlt - anders als bei grundstücksbezogenen Vorteilen - an der zwingenden Verknüpfung der staatlichen Leistung mit der Raumeinheit der Wohnung

Die Rundfunkempfangsmöglichkeit ist demnach PERSONENBEZOGEN und auf einmal doch nicht mit der Wohnung oder dem Wohnen.
Rundfunk kann typischerweise nahezu überall empfangen werden.
Staatliche Leistung sollte man sich merken. = Staatsfunk. Staatsnah.

Und das soll keine Willkür sein?
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: gez-negativ am 21. Juli 2019, 22:32
BVerfG vom 18.07.2018:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.html
Rn102, 103, 104:

Zitat
102
Der personenbezogene Vorteil kann damit nur abstrakt bestimmt werden. Denn der Wert der Empfangsmöglichkeit ist abstrakt bei allen Wohnungsinhabern gleich, da alle über die gleiche Empfangsmöglichkeit verfügen und im gleichen Umfang davon profitieren können (vgl. auch Kube, Der Rundfunkbeitrag, 2014, S. 32; ähnlich Winkler, K&R 2016, S. 478 <480>). Ist jeder Wohnungsinhaber gleichermaßen Adressat des Rundfunkangebots, hat auch jeder die gleiche Möglichkeit, das Rundfunkangebot zu nutzen, unabhängig davon, ob und in welchem Umfang es tatsächlich genutzt wird. Denn die Beitragspflicht besteht ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der Empfänger (vgl. BVerfGE 90, 60 <91> zur Rundfunkgebühr und oben Rn. 76). 

103 
(3) Die Entlastung von Mehrpersonenwohnungen ist von ausreichenden Sachgründen getragen und damit verfassungsrechtlich hinnehmbar. Dabei haben die Gesetzgeber einen weiten Einschätzungsspielraum. 

104 
Sie stützen die wohnungsbezogene Erhebung des Rundfunkbeitrags ausgehend von diesem Spielraum hier darauf, dass der private Haushalt in der Vielfalt der modernen Lebensformen häufig Gemeinschaften abbildet, die auf ein Zusammenleben angelegt sind, und dass die an dieser Gemeinschaft Beteiligten typischerweise das Rundfunkangebot in der gemeinsamen Wohnung nutzen (vgl. Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 15/197, S. 37). An diese gesellschaftliche Wirklichkeit darf der Gesetzgeber anknüpfen. Die Gemeinschaften unterfallen darüber hinaus vielfach dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG.


Der Vorteil soll demnach PERSONENBEZOGEN sein?
Die Erhebung aber WOHNUNGSBEZOGEN? , obwohl die Wohnung gar keinen Bezug zum Staatsfunk hat und der Staatsfunk auch nicht zu meiner Wohnung. Fragen über Fragen?

@seppl:
Wohnungsbezogen heißt bei mir auf die Wohnung bezogen und nicht auf das Wohnen.

Die Wohnung gehört immer dem Eigentümer!

Wohnungsbezogen müsste lauten: 'Pro Wohnung', ich lese: 'Für jede Wohnung'.: = Willkür.

Mehrpersonenwohnungen bedeutet: mehrmals der personenbezogene Vorteil.


Zitat
Denn der Wert der Empfangsmöglichkeit ist abstrakt bei allen Wohnungsinhabern gleich, da alle über die gleiche Empfangsmöglichkeit verfügen und im gleichen Umfang davon profitieren können.
Der eine hat nur einen PC. Der andere hat ein Radio und der dritte besitzt 3 Fernseher. Die Möglichkeiten sind definitiv unterschiedlich.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 21. Juli 2019, 23:40
@ gez-negativ

Okay... ich hab alles vernommen, ist aber nicht das Thema.

Wer Eigentümer einer Wohnung ist, gehört ebenfalls nicht zum Thema.

Danke!
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: gez-negativ am 22. Juli 2019, 08:15
Die Willkür besteht darin, dass man sich nicht einmal an den eigenen vorgegebenen Text im RBStV hält.

Willkür an einem VG in Sachsen.
Der MDR erscheint natürlich nicht. Die haben es nicht nötig.
Ich habe mir die Zeit genommen und so einige Verhandlungen besucht. Sofern es möglich war, habe ich mich mit den Klägern unterhalten.
Einer der Kläger sagte nach der Verhandlung sinngemäß zu mir, dass er es als schwache Kür empfindet, wenn sich der Richter quasi dafür entschuldigt, dass nach Vorgabe von Leipzig entschieden wird.

Die Willkür besteht m.E. darin, dass der Beschluss schon vorher feststeht. Die Argumente zählen nicht. Wozu braucht es da überhaupt noch eine Verhandlung?
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 22. Juli 2019, 09:30
@ gez-negativ

Die Willkür besteht darin, dass man sich nicht einmal an den eigenen vorgegebenen Text im RBStV hält.

Nein!

Die Willkür, die hier thematisiert wird ist ...

Zitat
...
Das erklärte Rechtsanwalt B. gegenüber der MK. B. verwies darauf, zum Recht auf ein faires Verfahren gehöre unter anderem, dass das nationale Gericht nicht zu „willkürlichen Schlussfolgerungen“ kommen dürfe. Das Verfassungsgerichtsurteil zum Rundfunkbeitrag enthält nach Auffassung des in Quickborn ansässigen Rechtsanwalts mehrere Feststellungen, die als willkürlich einzustufen seien, etwa den Punkt im Urteil, dass der Rundfunkbeitrag einen individuellen Vorteil abgelte, weil die Möglichkeit bestehe, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.

Quelle:  "Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Beschwerden zum Rundfunkbeitrag abgewiesen"
https://www.medienkorrespondenz.de/politik/artikel/europaeischer-gerichtshof-fuer-menschenrechte-beschwerden-zum-rundfunkbeitrag-abgewiesen.html
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31145.msg193664.html#msg193664


Warum die Willkür keine ist?

Antwort!: Der individuelle Vorteil in der Vorzugslast ist kein Personenbezug. Er ist objektiv betrachtet der Anknüpfpunkt. Wenn man die Urteile so betrachtet, ist das Abstrakte und die Willkür nicht mehr vorhanden.




Der Faden war ein Folgeposting  ... 
Und ich freue mich, dass Lev endlich die richtigen Fragen stellt, wiewohl ich selbst die Fragen nicht ganz verstehe (worauf will L hinaus?). Aber ich hoffe, erhellende Folgepostings zu lesen.
... i.V.m. der Frage darüber.

https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30723.msg194329.html#msg194329
EGMR Beschwerde 4598/19 - Entscheidung vom 21.03.2019


Lev
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: noGez99 am 22. Juli 2019, 10:34
Ich habe da ein Verständnisproblem :

Zitat
Der individuelle Vorteil in der Vorzugslast ist kein Personenbezug.

Der Begriff Individuum
ist nach meinem Verständnis hier eine natürliche Person.

Das heißt der Satz lautet:
Der individuelle Vorteil in der Vorzugslast ist kein Personenbezug
mit individuell ersetzt
Der Vorteil einer natürlichen Person hat keinen Personenbezug

Damit ist der Satz falsch.

@Lev
Wie muss ich individuell und Person interpretieren, damit das Sinn ergibt?

Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: drboe am 22. Juli 2019, 10:51
Tatsache ist allerdings, dass die Rundfunkabgabe in Form der Vorzugslast das Gegenteil einer Steuer ist.

Das ist eine Behauptung zunächst der ÖR-Sender, der sich der von diesen beauftragte Gutachter Kirchhof angeschlossen hat. Ein anderes Gutachten, das von der ARD beauftragt wurde, hat die Umwandlung in eine Wohnungsabgabe nur unter Einschränkungen für möglich gehalten (1).  Gerichte bis hinauf zum Bundesverfassungsgericht haben nicht den Mumm gehabt dem zu widersprechen. Dafür gibt es einige Gründe. Für die unteren Instanzen ist das zunächst, dass niemand sich in den Abendnachrichten wiederfinden möchte, in dem er als "Totengräber der Demokratie und des freien Rundfunks in Deutschland" diffamiert wird, zumal in den Kanon der Kritiker instantan Politiker sämtlicher Parteien einsteigen würden. Damit korreliert ist die Tatsache, dass die Justiz in Deutschland alles andere als unabhängig ist. Richter unterstehen dem jeweiligen Justizminister auf Landes- wie Bundesebene. Wer keine Lust hat mehr als 30 Jahre Autofahrern die Ergebnisse von Radarüberwachung vorzuhalten und lieblos ein Serienurteil ans nächste zu hängen, wer die Alternative, sich in ein Heer brotloser Anwälte in den Vorstädten der Republik einzureihen scheut, der hält fein den Mund, wenn er sich nicht sämtlicher Karriereambitionen entledigen will. Zum über Jahrzehnte geltenden Besetzungsregime für die Positionen als Richter am BVerfG habe ich mich hier und anderswo schon oft ausgelassen. Es sollte jedem klar sein, dass es sich um politisches Geschacher handelt. Das schließt nicht aus, dass die Günstlinge gelegentlich opponieren, insbesondere wenn sie selbst einmal Politik gestalten wollen. Die Unabhängigkeit der Justiz in Deutschland wird wohl vor allem von Juristen behauptet, deren Fähigkeit zur selbstkritischen Betrachtung der Realität über die Ausbildungs- und Berufsjahre gelitten hat. Lesetipp: https://www.gewaltenteilung.de/

NB: Besonders findig bezüglich kreativer Abweichung sind die Richter am BVerwG, die in den ersten Urteilen zum sogn. Rundfunkbeitrag bestätigten, dass es auf den Besitz geeigneter Empfangsgeräte nicht ankommt, bei Beherbergungsbetrieben aber die Zahlung für Gästezimmer erst dann für gerechtfertigt halten, wenn diese mit geeigneten Empfangsgeräten ausgestattet sind, da der abzugeltende Vorteil nicht bereits durch die bundesweit flächendeckende Ausstrahlung der Programme vermittelt wird. Das muss man Wohnungsinhabern einmal erklären. Sie müssen auch ohne Empfangsgerät bereits für die Ausstrahlung der Programme zahlen, sollen schon dadurch einen Vorteil haben, in gleicher Weise übrigens der Inhaber einer Betriebsstätte, während der Inhaber eines Beherbergungsbetriebs erst ein Empfangsgerät oder wenigstens Internet (per WLAN) zur Verfügung stellen muss um zahlungspflichtig zu werden. Ich kann mir bis heute nicht recht vorstellen, wie elektromagnetische Wellen derart selektiv vorgehen, dass sie Wohnungen durchdringen, aber um Gästezimmer im Hotel solange einen Bogen machen, bis dort ein Empfänger steht. :)

Mit den Urteilen des BVerwG hat sich Dr. Martin Pagenkopf, ehemaliger Richter am Bundesverwaltungsgericht, in "Neue Juristische Wochenschrift (NJW)", Heft 35/2016, 25.08.2016, Seiten 2535–2540 auseinander gesetzt. Sein Fazit: "Nach allem kann das ergangene Urteil des BVerwG weder die 'Rundfunkverweigerer' noch den um juristische Strukturen bemühten Leser überzeugen. Die oft nicht realitätsnahe verfassungsrechtliche "Rundfunkphilosophie" hat nur ein neues Kapitel erhalten." (2,3)

Dr. Frank Hennecke schreibt in seiner Streitschrift zu den VG-Verfahren in "Der Zwangsrundfunk oder warum die neue Rundfunkabgabe rechts- und verfassungswidrig ist", ISBN 978-3-9817882-7-3: "Die Klagabweisungen treffen den Rechststaat im Kern. Diese Rechtsprechung ist ein Skandal. Bei den Bürgern wächst die Verzweiflung am Rechtsstaat.
In der Tat lassen die bisherigen verwaltungsgerichtlichen Urteile weithin nicht nur bewährte juristische Argumentationsmuster, sondern  darüber hinaus auch rechtsstaatliche Entscheidungskriterien vermissen. Die stereotypen Formeln, aber auch die vielfach gewundenen Argumente in den bisherigen Gerichtsurteilen versuchen eine öffentliche Zwangsabgabe zu retten, die nicht zu retten ist."


Ich füge hinzu, dass, sollte das BVerfG geglaubt haben, dass es mit seinem Beschluss zur Befriedung beigetragen hat, so irrt man sich in Karlsruhe, wie auch in den Staatskanzleien, den Sendern und allgemein den Parteien.

Ein Urteil, das schlussendlich eine Steuer in Betracht zieht, kenne ich nicht. Von Anfang an wurde in allen Urteilen die sich mit der Vorzugslast bzw. der Rundfunkabgabe befasst haben eine Steuer ausgeschlossen.

Ich kenne auch kein Urteil mit diesem Ergebnis, habe die Gründe dafür, die weniger in den Gesetzen als der Organisation der Republik liegen, bereits skizziert. Bemerkenswerter Weise gibt es deutlich mehr Gutachten, die zu dem Ergebnis kommen, dass es sich bei der Rundfunkabgabe um eine Steuer als dass es sich tatsächlich um einen Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn handelt. Die Liste der bekannten Gutachten findet man hier im Forum (4).

Um eine Gegenleistung bzw. eine konkrete Gegenleistung geht es bei der Rundfunkabgabe auch nicht.

Hoppala! Ich berufe mich auf das Bundesverfassungsgericht, das in einem Beschluss einmal feststellt, dass die Rundfunkgebühr nicht für eine Gegenleistung gezahlt wird, nun aber in der Ausstrahlung von Rundfunk eine Gegenleistung für die jetzt "Beitrag" genannte Zahlung sieht. Ich darf als Bürger und Betroffener wohl ein Minimum an Selbstkonsistenz der Argumentation verlangen. - Wenn dat eenmaal 'rin in de Kartuffels, dann wedder rut geiht, kummt mien noorddüütsche Seel en bietje ins sleudern. -  Für Leute, denen das von ihnen verfolgte Ziel - hier den sogn. Rundfunkbeitrag passieren zu lassen - wichtiger ist als Widerspruchsfreiheit, habe ich nicht viel übrig. Ich vermute, damit bin ich nicht allein.

Vielmehr geht es in der Vorzugslast um den “Ausgleich von Vorteilen” (Sondervorteil).

Das Wesen eines Vorteils ist es, dass er möglicher Weise vielen zu Gute kommt, aber keineswegs allen. Die herausgehobene Situation der einen gegenüber den anderen wird mit dem Wort "Sondervorteil" noch verstärkt. Ist die Gruppe derjenigen, die den Vorteil genießen mit der Gesamtbevölkerung identisch, so wird dies üblicher Weise von allen mittels Steuern finanziert. Nun mag man u. U. juristisch argumentieren, dass dies nicht zwingend ist, weil es neben den Steuern auch andere Finanzierungsinstrumente gibt. Nur hat das BVerfG bis zum 18.07.2018 dies ebenso gesehen, dass nämlich der Gruppe derjenigen, die einen Vorteil genießen, der abgeschöpft werden soll, eine andere Gruppe gegenüber steht, deren Mitglieder nicht in den Genuss des Vorteils kommen. Die Änderung, nämlich dass alle Bürger vom ÖR-Rundfunk einen Vorteil haben sollen, ist m. E. einzig der Willkür geschuldet, mit der eine Finanzierung durchgedrückt werden soll, die dem Wesen der bisher erlaubten Abgaben fremd ist. Wenn ich die kritischen Kommentare zum Beschluss des BVerfG vom 18.07.2018 Revue passieren lasse, so ist der Tenor dort meiner kompakten Zusammenfassung im Wort "Willkür" oft ziemlich nah. Die gebetsmühlenhaft vorgetragene Begründung, dass der ÖR-Rundfunk frei von staatlichem Einfluss sein muss, was eine Steuerfinanzierung ausschliesse, ist albern. Weder führt eine Steuerfinanzierung zwingend zu Abhängigkeiten und Einfluss des Staates, noch hat die bisherige Finanzierung verhindert, das die Parteien den Rundfunk de facto beherrschen. Nur das Volk, dem der Rundfunk angeblich gehört und dem er dienen soll, hat definitiv keinen Einfluss.

M. Boettcher

(1) "Verfassungsrechtliche Fragen einer Reform der Rundfunkgebühr", Mai 2007(!)
Quelle: http://www.ard.de/download/398614/index.pdf
Verfasser: Prof. Dr. Hans D. Jarass, LL.M. (Harv.)
Inhaber des Lehrstuhls für deutsches und europäisches öffentliches Recht und
Direktor des Instituts für Öffentliches Recht und Politik der Universität Münster
siehe auch https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22822.msg145936.html#msg145936

(2) Dr. Martin Pagenkopf: Rundfunkbeitrag als Demokratieabgabe?
      https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,20028.msg129496.html#msg129496
(3) Dr. Martin Pagenkopf: Unzulässige Rundfunkbeiträge für Betriebsstätten
      https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23730.msg151101.html#msg151101
(4) Gutachten zum Rundfunkbeitrag/ Rundfunkbeitragsstaatsvertrag [gesammelte Werke]
      https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5817.msg45115.html#msg45115
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 22. Juli 2019, 11:45
@ noGez99

Gute Frage und trifft genau die Problematik.   :)

Der "individuelle Vorteil..."  ist typisch deutsche Verwaltungssprache und macht es normalen Menschen wirklich nicht leicht.
So ziemlich jeder würde einen persönlichen bzw. Personenbezogenen Vorteil darunter verstehen und genau das passiert auch.
Selbst Anwälte und Juristen gehen dieser Formulierung auf den Leim. Die Begründung des R.A. B. in der Beschwerde 4598/19 und der Kommentar von Kai E. Winkler machten das deutlich.

Und wer nun von einem personenbezogenen Vorteil ausgeht, der fühlt sich auch zurecht willkürlich behandelt.

Aber...

... der Begriff "Individuell" geht nicht zwingend von einem Individuum als Person aus. Und genau da liegt der Hase im Pfeffer.
Denn wenn der Begriff nicht Personenbezogen ist, sondern eine Eigenschaft oder ein Sachverhalt als ganzes darstellt, der einfach existiert (Entität), dann hätte eine Willkür keine Grundlage mehr.

Es kommt noch schlimmer...

Wer den individuellen Vorteil in der Vorzugslast nun als Eigenschaft betrachtet, der kommt zu dem Schluss, dass die Gerichte im "verwaltungsrecchtlichen-Rahmen"  Recht gesprochen haben. Und genauso Ekelhaft wie sich das anhört, kommt es bei den Menschen auch an.

D.h. das staatliche Strukturen (Amt & Behörde) mit Sprache einen Mechanismus durchsetzen können, der es legitimiert sich jederzeit zu bedienen.

Mit Meinungen halte ich mich hier gerne zurück. Doch als ich dies damals Verstanden habe, war mir mal danach...

"Willkommen im Land der Steuern oder der Ausbeutung, je nachdem was der Einzelfall so hergibt. Noch mehr Willkür sich derart zu bedienen, kann nur der Diebstahl sein."
(Zitat: Was ist die Vorzugslast?)  https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,9581.msg183689.html#msg183689


Lev

Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: drboe am 22. Juli 2019, 12:10
Die Diskussion um den Begriff individuell vernebelt ein wenig, dass der abzuschöpfenden Vorteil einer von der Allgemeinheit abgegrenzten Gruppe zu Gute kommen muss. Es geht zwar nicht um eine Einzelperson, aber jedes Mitglied der mit einer Abgabe belasteten Gruppe muss prinzipiell in den Genuss des Vorteils kommen (können). Die Grenze zur Willkür liegt nicht (nur) darin, dass einige Personen ggf. der Gruppe zugerechnet werden, obwohl es Gründe dafür gibt, dass sie der Vorteil de facto nicht trifft, sondern darin, dass einerseits die Gruppe identisch mit der Allgemeinheit ist. Eben dies hat das BVerfG bisher vermieden. Bisher galt zudem auch, dass eine Widerlegung der Zugehörigkeit zur bevorteilten und damit belasteten Gruppe möglich ist. Mit beiden ist seit Einführung des sogn. Rundfunkbeitrags Schluss. Man kann der Abgabe nur entrinnen durch anerkannte Armut, Obdachlosigkeit, Tod oder auswandern. Ich finde keine dieser Möglichkeiten sonderlich prickelnd und ziehe mindestens die ersten 3 Optionen nicht in Betracht.

Berücksichtigt man noch, dass das BVerfG das Erfordernis eines sachgerechten Maßstabes verneint, Wahrscheinlichkeits- und praktisch beliebigen Ersatzmaßstäben das Wort redet, so ist Willkürlichkeit geradezu das Prinzip der Urteilsbegründung.

M. Boettcher
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lattoo am 22. Juli 2019, 13:20
Im Detail: Die Vorzugslast ist ein “potenziell-individueller Vorteil”. Es hilft den Begriff mal zu entschlüsseln:


               Potenziell      >>>     ist die Möglichkeit
               Individuell     >>>     ist der Anknüpfpunk.
               Der Vorteil    >>>     ist die Rundfunkrepzeption.


Ergo: Der “potenzielle-individuelle Vorteil” ist die Möglichkeit Rundfunk empfangen zu können.
Damit wäre der Sondervorteil¹ in der Vorzuglast entschlüsselt, denn sie dient dem Ausgleich von Vorteilen. Wer diesen Vorteil hat, ist pflichtig².
Als Hilfe: Was genau ist eine Vorzugslast?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,9581.msg183689.html#msg183689


Ich versuche das zu verstehen und bitte nochmal um eine Erklärung, vielleicht etwas anders formuliert.

               Potenziell      >>>     ist die Möglichkeit
               Individuell     >>>     ist der Anknüpfpunk.
               Der Vorteil    >>>     ist die Rundfunkrepzeption.

Ergo: Der “potenzielle-individuelle Vorteil”    >>>     ist die Möglichkeit Rundfunk empfangen zu können.

Wo ist hier das individuelle, wo genau ist der Anknüpfungspunkt? Ich verstehe das nicht. Vielleicht stehe ich auch "auf dem Schlauch".
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: maikl_nait am 22. Juli 2019, 18:28
Das Individuelle (Lev: "der Anknüpfungspunkt") wäre nach der Vorzugslast: die einzelne Wohnung, die im RBStV unter den privaten Bereich fällt.

Der Vorteil der Vorzugslast ist auch nicht der übliche "Nutzen", den eine Person mehr haben kann als eine andere - es reicht, daß eine Person, die mit dem Anknüpfungspunkt "Wohnung" verbunden wird ("Inhaber"), den Vorteil hat, es kommt in der Ausformulierung des "RBStV" dann weder auf den Willen noch auf "andere", und schon gar nicht auf tatsächliche Nutzung an.

Das Ergebnis, der realexistierende "Beitrag", kommt damit dem Heiligen ÖRR deutscher Nation so gut, daß der JUSTIZIAR (nach eigenen Angaben "federführend mit dem Beitrag befasst") und seine (Staats-)Sekretärin HR mit an Sicherheit grenzender Vermutbarkeit vorsätzlich auf die Äquivalenz und den Willen der Bevölkerung verzichtet haben. Der JUSTIZIAR war früher Sozialrichter --

Die Verfassungsgeber haben 1949 in Art. 5 gerade nur die Freiheit von Zensur verankert -- nicht die Einführung von öffentlich-rechtlichen Anstalten, nicht die Nutzungs-unabhängige Finanzierung, und schon gar nicht daß die Bevölkerung lebenslang zu "Zahlsklaven" ("auf den Willen kommt es nicht an") degradiert ist.

Die Willkür liegt daher weniger darin, daß sich das BVerfG verbal hinter der Vorzugslast verschanzt, sondern könnte eher darin gesehen werden, daß sich das BVerfG geweigert hat, den "Beitrag" im Zusammenhang mit dem gesamten GG zusehen, und darin, daß das BVerfG sich von der Unzahl Beschwerden vier "leichte" Fälle raussortiert hat, und die anderen seitdem kommentarlos aus dem Fenster wirft (§93 BVGG).

Nachtrag: da das Rundfunkrecht ohnehin auf BVerfG-Urteilen und nicht direkt auf der Verfassung basiert, und die Komplexität unvollständiger Gesetzgebung und die Art der Gesetzesfindung per Staatsvertrag an Gestaltungsauftrag und -möglichkeiten der Parlamente vorbei nicht zu einer Besserung führen -- da erwartet jeder "Zahlsklave", daß sich das BVerfG etwas mehr Mühe gibt -- die strikte Befolgung der Buchstaben beim Beitrag für sich genommen ist sicher keine direkt angreifbare Form von Willkür.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Spark am 22. Juli 2019, 21:23
Wie groß ist die Gruppe der Zweitwohnungsbesitzer?
Wie groß ist die Gruppe der Mehrpersonenhaushalte?
Wie groß ist die Gruppe der Einpersonenhaushalte?

Nach welchen allgemein gültigen Kriterien wird festgelegt, welche Gruppe höher zu belasten ist als eine andere?
Wo genau sind diese Kriterien einzusehen?

Gegenüber Wem hat ein Wohnungsinhaber in Deutschland einen Vorteil, welchen dieser Andere in Deutschland nicht hat?

Da es beim Rundfunkbeitrag keine Willkür gibt, sollten sich diese Fragen ohne Probleme beantworten lassen.

Wer muß den Rundfunkbeitrag zahlen, die Wohnung oder der/die Inhaber?

Wenn es die Wohnung ist, gibt es keine ungleichmäßige Belastung.
Ist es aber nicht die Wohnung, kann nicht mehr von Belastungsgleichheit ausgegangen werden.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 22. Juli 2019, 22:25
@ Spark
Es tut mir Leid, aber in dem Faden geht es nicht um die allgemeine Willkür.

https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31708.msg195558.html#msg195558

Lev

P.S.  @Markus KA - Vielleicht kannst du den RBStV aus der Überschrift herausnehmen.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: PersonX am 22. Juli 2019, 22:37
Die Möglichkeit Rundfunk zu empfangen ist kein individueller Vorteil, weil es eben auf Empfangsgeräte nicht ankommt. Die Allgemeinheit hat die Möglichkeit Rundfunk zu empfangen.

Bitte das Urteil doch noch genauer lesen!
Der Vorteil, welchen das Bundesverfassungsgericht sehen will soll darin liegen, dass der einzelne Bürger das Programm dazu nutzen kann -die potenzielle Möglichkeit- z.B. einen Vergleich herzustellen zu allen Informationen, welche er überhaupt erhalten kann -also auch außerhalb des ÖRR-, damit er sein "Weltbild" entsprechend ausrichten und alles mit seiner Blase vergleichen und einordnen kann, weil er in seiner Bewertung überfordert sei.
 Der Abruf dieses "Vorteils" also die Information erfolgt individuell, bleibt jedoch sonst abstrakt. Der weitere Vorteil der staatlichen Maßnahme soll somit in der Bereitstellung der selektiven und bewerteten Aufbereitung von Informationen liegen. -das klingt hakt etwas wie hingebogen im Urteil-

-> Wichtig dieser Vorteil müsste, um die staatliche Maßnahme zulässig zu machen, einer sein, welcher einen Nachteil behebt ohne dabei einen größeren Schaden anzurichten als ohne diese staatliche Maßnahme!
Dieser Versuch der Prüfung der Notwendigkeit der staatlichen Maßnahme wurde gar nicht erst ausgeführt. Die staatliche Maßnahme bleibt nur zulässig, wenn es einen zu beseitigenden Nachteil gibt.
Die staatliche Maßnahme ist die Übertragung der Aufgabe "Rundfunk Programm" anzubieten.
Die Finanzierung dieser staatlichen Maßnahme ist nur die Folge.
Willkür entsteht deshalb, weil dem Bürger abgesprochen wird, die Bewertung selbst  bewerkstelligen zu können. Bei Presseangeboten kann er das ja schließlich auch, warum soll das bei anderen Medien anders sein?
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 22. Juli 2019, 23:46
@ PersonX

Die Möglichkeit Rundfunk zu empfangen ist kein individueller Vorteil ...

Dies wurde von mir auch nicht so dargestellt.    Nur um das mal klar zustellen.

Lev
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: hankhug am 23. Juli 2019, 01:30
Ich empfehle, bei der Beurteilung der Begrifflichkeiten und Widersprüche auch noch mal den bereits im Forum bekannten Artikel 'Zurück ins Funkhaus' von Dr. Kay E. Winkler heranzuziehen (https://www.telemedicus.info/article/3311-Zurueck-ins-Funkhaus.html).
Demnach ist das entscheidendende Abgrenzungskriterium einer Vorzugslast gegenüber einer Steuer das Vorliegen eines individuell-konkreten Nutzens.

Dass nun laut Lev "individuell" nicht personenbezogen bedeuten soll, erschliesst sich mir nicht, siehe auch das bekannte BVerfG Urteil vom 18.07.2018 Rn 100:
Zitat
...Zwar kann ein beitragsrelevanter Vorteil auch grundstücksbezogen bemessen werden, wenn die staatliche Leistung geeignet ist, den Gebrauchswert eines Grundstücks positiv zu beeinflussen (vgl. BVerfGE 137, 1 <24 f. Rn. 58>). Dies ist bei der Rundfunkempfangsmöglichkeit jedoch nicht der Fall, weil sie personenbezogen ist....

Der Anknüpfungspunkt "Wohnung" ändert nichts daran, dass der 'Vorteil' -wenn es ihn gibt-  personenbezogen ist. Sonst hätte das BVerfG ja nicht feststellen müssen, dass Singlehaushalte benachteiligt sind. Und es hätte auch nicht feststellen müssen, dass eine Person nicht mit mehr als einem vollen Beitrag belastet werden darf (Rn 111). Um die Anknüpfung an die Wohnung (anstatt Anknüpfung an die Person) rechtfertigen zu können, müssen die Typisierungsbedingungen, die das BVerfG selbst aufgestellt hat, erfüllt sein. Diese Typisierungsprüfung hat das BVerfG de facto nicht vorgenommen und ebensowenig das Verhältnismässigkeitsprinzip, das ebenfalls Verfassungsrang hat, bei der Beurteilung, ob ein wohnungsbezogener statt personenbezogener Beitrag zulässig ist, berücksichtigt.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 23. Juli 2019, 10:26
@ hankhug

Zunächst mal bedanke ich mich für den konstruktiven Einwand. Ich habe den Beitrag von Kai E. Winkler sehr ausführlich wahrgenommen.  ;)
Dr. Kay E. Winkler: Zurück ins Funkhaus - Anmerkung zum Urteil des BVerfG
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28430.msg181709.html#msg181709
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28213.msg181416.html#msg181416      :)

Ich empfehle, bei der Beurteilung der Begrifflichkeiten und Widersprüche auch noch mal den bereits im Forum bekannten Artikel 'Zurück ins Funkhaus' von Dr. Kay E. Winkler heranzuziehen
(https://www.telemedicus.info/article/3311-Zurueck-ins-Funkhaus.html).
Demnach ist das entscheidendende Abgrenzungskriterium einer Vorzugslast gegenüber einer Steuer das Vorliegen eines individuell-konkreten Nutzens.

(zu Blau) Dies wird hier von meiner Seite aus ebenfalls so beschrieben.
Das Äquivalenzprinzip folgt somit dem Leitsatz des “individuell-konkreten Nutzen” und eben nicht dem “potenzielle-individuelle Vorteil”(Wichtig!)

Das Äquivalenzprinzip
"Wird vom Rundfunk gemieden."

Kurzum: Das Äquivalenzprinzip von Steuer und Abgabe sorgt dafür, dass "individuell - konkret - zugeordnet" wird. Der Nutzer bzw. Nutzen ist mitunter ein Entscheidungskriterium. D.h. dass Anschaffen des Hundes oder des Kfz (also der individuelle Anknüpfpunkt)  ist entscheidend um pflichtig zu sein. Es ist nicht zwingend an eine Person gebunden, wie die Beispiele hier auch verdeutlichen. Das Äquivalenzprinzip ist allerdings keine Voraussetzung für das Erheben bzw. gestalten von Steuern oder Abgaben. Das Äquivalenzprinzip folgt dem Leitsatz des “individuell-konkreten Nutzen”, um Steuer bzw. Abgaben-Gerechtigkeit zu schaffen. 

Nun zur Rundfunkabgabe

Das Äquivalenzprinzip wird hier nicht berücksichtigt, weil die Vorzugslast als Abgabeform anderen Leitsätzen folgt. Die Vorzugslast folgt dem potenziellen-individuellen Vorteil. Der Nutzer spielt zunächst mal überhaupt keine Rolle mehr. Was auch damals in einem anderen Faden von mir schon erläutert wurde.
Was soll ein "potentieller" Nutzen sein? Das ist mir unklar.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28213.msg181329.html#msg181329

Der Einwand von "hankhug" und anderen hier.

Natürlich ist die Person für das Erheben der Rundfunkabgabe im RBStV ein Bezug (§ 2 im RBStV). Das wurde von mir auch nicht angezweifelt, ist hier aber nicht der Faden.   

Der Faden beschäftigt sich damit...

>>> ... dass der Begriff des "individuellen" Vorteils, nicht zwingend einen Personenbezug darstellt. Was im Nachhinein dafür sorgt, dass die nationalen Urteile als Willkürlich empfunden werden. Wenn es aber um eine Eigenschaft geht (Entität) und nicht um eine Person, dann hätte die Willkür diesbezüglich keine Grundlage mehr. <<< "Das ist der Faden!"   
(Die Details hierfür wurden von mir in den vorigen Beiträgen erläutert.)
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31708.msg195544.html#msg195544
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,31708.msg195566.html#msg195566


Ergo
>>>  Die Willkür die keine ist.  <<<


Aber... es gibt einen Nebeneffekt!

Wenn der Rundfunk es vorzieht sich nicht an das Äquivalenzprinzip zu halten und stattdessen die Vorzugslast aufgreift, um sich schlichtweg einfach zu bedienen, dann hat er auch den Nutzer (einzelnen) ausgeschlossen. D.h., wenn man das Einklagt stehen die Chancen nicht schlecht. Die meisten Steuern oder Abgaben, die das anprangerten, wurden kassiert. Eines der letzten Beispiele dafür war mitunter die Grundsteuer. Auch dort wurde das Äquivalenzprinzip nicht ordentlich berücksichtigt. **

Lev

** Eines der letzten Beispiele ist m. u. die verfassungswidrige Grundsteuer, die sich unter anderen nicht an dem Äquivalenzprinzip orientierte.
https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/Service/publikationen/Studien/Rechtsgutachten%20-%20Grundsteuer%20Neufestsetzung%20der%20Hebesaetze%20%283%29.pdf
https://haus-und-grund-ostsee.de/flensburg/wp-content/uploads/sites/2/2017/06/Widerspruchsbegruendung.pdf
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: drboe am 23. Juli 2019, 11:05
Die Vorzugslast ist ein “potenziell-individueller Vorteil”.
..
Ergo: Der “potenzielle-individuelle Vorteil” ist die Möglichkeit Rundfunk empfangen zu können.

Dazu einmal ein Zitat eines der vom Bundesverfassungsgericht im Rundfunkbeitragsurteil vom 18.07.2018 publizierten Leitsatzes:

Zitat
Auch eine unbestimmte Vielzahl oder gar alle Bürgerinnen und Bürger können zu Beiträgen herangezogen werden, sofern ihnen jeweils ein Vorteil individuell-konkret zugerechnet werden kann und soweit dessen Nutzung realistischerweise möglich erscheint.

Im Urteil ist also gar nicht von einem potenziell-individuellen Vorteil die Rede, sondern von einem individuell-konkreten Vorteil. Lediglich die Möglichkeit den Rundfunk nutzen zu können, eine potentielle Nutzung, wird diskutiert. Das ist weder neu noch originell. Das Wesen von Beiträgen ist ja, dass man nicht gezwungen ist von den gebotenen Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
In RN 102 stellt das BVerfG dann fest, dass dieser Vorteil nur abstrakt bestimmt werden kann, weil der Wert der Empfangsmöglichkeit bei allen Wohnungsinhabern abstrakt gleich sein soll. Obwohl also nach Ansicht des BVerfG die Voraussetzung für die Berechtigung der Beitragserhebung von einer individuell-konkreten Zurechenbarkeit des Vorteils entscheidend abhängt, soll dennoch die Abstraktion das Konkrete ersetzen. Schon an dieser Stelle ist K. Winkler recht zu geben, der das aufspießt. Zugleich sprengt das BVerfG die Grenzen der bisherigen Rechtsprechung, in dem als bevorteilte Gruppierung auch die Allgemeinheit gelten soll.

Dass individuell-konkrete Zurechenbarkeit für Beiträge Voraussetzung ist, hat das BVerfG zuvor bereits bekräftigt. In Beschluss vom 25. Juni 2014 - 1 BvR 668/10 (1) z. B. ging es um Straßenausbaubeiträge. Die Kläger sind weitgehend gescheitert, dennoch stellte das BVerfG eine Verletzung deren Grundrechte aus Artikel 3 Absatz 1 GG fest:

Zitat
Dem sind die angegriffenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts nicht in jeder Hinsicht gerecht geworden. Das Oberverwaltungsgericht hat bei der Anwendung von § 10a KAG RP nicht geprüft, ob die Beitragsatzungen der beklagten Städte die verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllen, insbesondere, ob ein individuell-konkret zurechenbarer, grundstücksbezogener Vorteil der beitragspflichtigen Grundstücke vom Anschluss an die jeweilige Beitragseinheit vorhanden ist.

In den Leitsätzen aber auch im Text werden die Begriffe konkret-individuell und konkret-zurechenbar vielfach verwendet. Es scheint so, als wäre das dem Bundesverfassungsgericht 2014 noch sehr wichtig gewesen. Zudem unterschied man noch die Gruppe derjenigen, die den Vorteil genießen, von denen, für die das nicht gilt.

Zitat
1. Werden Beiträge erhoben, verlangt der Grundsatz der abgabenrechtlichen Belastungsgleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG, dass die Differenzierung zwischen Beitragspflichtigen und nicht Beitragspflichtigen nach Maßgabe des konkret-zurechenbaren Vorteils vorgenommen wird, dessen Nutzungsmöglichkeit mit dem Beitrag abgegolten werden soll.

2. Die Bildung einer einheitlichen Abrechnungseinheit für Straßenausbaubeiträge ist zulässig, wenn mit den Verkehrsanlagen ein konkret-individuell zurechenbarer Vorteil für das beitragsbelastete Grundstück verbunden ist.

Also: mit dem Rundfunkbeitragsurteil vom 18.07.2018 verlässt das BVerfG die Linie einer konkret-individuellen Zuordnung zu Gunsten einer abstrakt-generellen. Es widerspricht damit der bisherigen Rechtsprechung, wohl einzig um dem ÖR-Rundfunk zu Diensten zu sein. Angesichts der potentiellen Folgen, das nächste Abgaben regelnde Gesetz kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, ist es doch sehr unwahrscheinlich, dass man diese neue Linie, die noch dazu die freie, abgehobene Wahl von Maßstäben ermöglicht, durchhalten kann.

M. Boettcher

Nachtrag: eigentlich müsste der "Rundfunkbeitrag" einen individuell-konkret zurechenbaren, wohnungsbezogenen Vorteil der beitragspflichtigen Wohnungen abgelten.


(1) BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 25. Juni 2014
- 1 BvR 668/10 -, Rn. (1-69),

http://www.bverfg.de/e/rs20140625_1bvr066810.html
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: ope23 am 23. Juli 2019, 11:55
Noch habe ich es nicht begriffen...

Zitat
Die Vorzugslast folgt dem “potenziellen-individuellen Vorteil”

Offenbar weist das Wort "individuell" auch andere Bedeutungen auf - je nach Zusammenhang.

Gibt es für das "individuell" im "potenziell-individuellen Vorteil" ein Synonym? Ein Ersatzwort?

Das unbewusst verwendete Ersatzwort "personenbezogen" scheint ja falsch zu sein ("potentiell-personenbezogener Vorteil"?).

Es ist bemerkenswert, dass die in juristischen Belangen durchaus sehr informative deutsche Wikipedia zum Stichwort "Vorzugslast" nichts zu sagen weiß (es findet sich nur unter "Sonderabgabe" ohne weitere Erläuterung). Ich erhoffte mir, existierende Beispiele von Vorzugslasten zu sehen.

Danke für weitere Erhellungen.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 23. Juli 2019, 13:14
@ drboe

Mein sehr geschätzter Herr Böttcher,

ich empfehle Ihnen mal eine andere Lektüre zu lesen als diese hier...  macht Sie direkt viel sympatischer   ;D
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html
Denn es ist nicht die Bibel, die nachweislich auch von vielen Sachverhalten eine andere Auffassung hatte. :-\

Aber vor allem, weil dieses Urteil, die Einwände anderer aufgreift und nicht diesen Einwand hier nachgeht.
Ich versichere Ihnen weiter, dass sich das Gericht an Gesetzen orientiert.  "... Ja ja is klar!   ...  Die Folge-Diskussion an dieser stelle will ich uns lieber ersparen."

Die Rundfunkabgabe ist eine Vorzugslast!  Dies wurde so eindeutig entschieden, wie man es nur entscheiden kann. Und jetzt der Hammer: "Ich kann das akzeptieren!"  (#)
Aus diesem Grund widme ich mich anderen Möglichkeiten und das schon sehr lange und ausführlich. Scheint für die wenigsten hier eine Option zu sein.

Um auf die Lektüre zurückzukommen, würde ich also Vorschlagen zu schauen was eine Vorzugslast ist, bzw. was sie macht. Im Übrigen sind es gesetzliche Vorlagen, an denen man sich orientieren kann. Ergo, es sind die Regeln, die ein Gericht selbst aufgreift und wahrnimmt.

Die Vorzugslast wird als ein individueller Vorteil wahrgenommen und Sie können sicher sein, dass mein Gericht mir, das so bestätigt hat. Potenziell ist der individuelle Vorteil deswegen, weil es i.d.R. ausreicht, den sogenannten Vorteil (Sondervorteil) in Anspruch nehmen zu können. Es gibt aber einen Grund warum die Gerichte von einem "individuell-konkreten Vorteil" sprechen. Aber ich muss hier nicht auf alles eingehen. Erst recht nicht, wenn es nur zu weiteren anstrengenden Diskussionen führt. Alles zu seiner Zeit.

Darüber hinaus finde ich es erstaunlich, dass Sie der Annahme folgen ich würde dieses Urteil nicht kennen oder berücksichtigen. Vielleicht hilft es ja, die Rundfunkabgabe mal so auszuschauen, wie auch Gerichte sie betrachten.

Lev

P.S. Von einem Sympathikus zum andern  :)
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: pinguin am 23. Juli 2019, 13:22
Noch habe ich es nicht begriffen...

Dann schauen wir mal, ob die Deutungen von Duden oder Wiki in Frage gestellt werden? Immerhin kann und darf sich jeder auf die legalen Sprachdefinitionen beziehen, wie sie gerade seitens der Bibliographisches Institut GmbH mit Gültigkeit für den dt. Sprachraum veröffentlicht werden. 

Bedeutung: Individuell
https://www.duden.de/rechtschreibung/individuell

oder bei Wiki

Zitat
individuell bezieht sich auf:

    das Individuum
    die Individualität

Individuell
https://de.wikipedia.org/wiki/Individuell

Der Begriff "individuell" ist entweder auf die einzelne Person bezogen oder auf eine Sache, die einer einzelnen Person gehört.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: NichtzahlerKa am 23. Juli 2019, 14:51
Erstmal danke an Lev. Ich finde es sehr wichtig und hilfreich aus der Gegenposition heraus zu argumentieren, um die Schwachstellen auszumachen. Niemand kann den Rundfunkbeitrag wirklich rechtfertigen, weil er in der jetzigen Form überpositives Unrecht ist und zwar in der gängigsten Form der Welt: Diebstahl einer kleinen Gruppe, die sich aus ihrer Machtposition heraus das "Recht zu stehlen", hat geben lassen.
Deshalb kann die Argumentation "pro Rundfunkbeitrag" nur hinken, doch man kann den Hinkefuß verschieben und sich so schwer angreifbar machen.
Ich verstehe Lev (als Laie) so:
Auf eine Benutzung kommt es nicht an, deshalb auch nicht auf "den Benutzer". Das meint Lev mit nicht "indiviuell".

Ich kann aber z.B. schon individuell feststellen, wenn ich nicht zur Gruppe der Bevorteilten gehöre (s. z.B. der Obachlose/Auslandbürger mit Meldeadresse). Man kann auch feststellen, dass die Gruppe der Zahler unsachgemäß sehr ungleiche Vorteile bekommt (Bremer müssten ohne Transfers von außerhalb grob das Fünffache zahlen, Konfessionsfreie (Themen) werden ignoriert, Kleinstparteien sowieso). Sozialüberträge unter Beitragspflichtigen sind ebenfalls unzulässig (steuersache). 
Außerdem gibt es kein Mitspracherecht der ganzen Zahler-Gruppe bei der Rundfunkgestaltung. Hier muss ich Lev Fragen, nach welchen "anderen" Gesichtspunkten bitte ein Beitrag gefordert werden soll. Das Äquivalenzprinzip ist von fundamentaler Bedeutung auch für den Rundfunkbeitrag. Der Wert des potentiellen Nutzens muss dem Wert des Beitrags entsprechen. Die Öffis dürfen von dem Geld nicht einfach Partys machen, Parteien finanzieren, Aufträge ohne Ausschreibung vergeben oder es Patentanwälten oder der Frau des Intendanten der ARD in die Tasche stecken... oh das gabs alles schon? Ständig? Touché, ich muss wohl falsch liegen  ::) Wie heißt dieses Prinzip nach dem die Beitragshöhe bemessen wird? Selbstbedienungsprinzip?
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: ope23 am 23. Juli 2019, 15:27
Seit 1996 hat der Duden nicht mehr das Sprachmonopol. Seitdem gibt es nur eine sog. Amtliche Rechtschreibung.

Eine amtliche Sprachdefinition ist mir unbekannt, ich streite aber nicht ab, dass es so etwas geben könnte.

Einer Bedeutung von "individuell", die anders ist als ein "personenbezogen", bin ich leider noch nicht näher gekommen.

Im übrigen droht in meinen Augen der Faden mit dem Posting direkt vor meinem gerade abzudriften.  :-\
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: pinguin am 23. Juli 2019, 17:15
Eine amtliche Sprachdefinition ist mir unbekannt,
Da wird man sich dann in den Bereich der Etymologie begeben; gehört hier aber nicht vertieft.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: drboe am 23. Juli 2019, 18:39
Ich verstehe Lev (als Laie) so:
Auf eine Benutzung kommt es nicht an, deshalb auch nicht auf "den Benutzer". Das meint Lev mit nicht "indiviuell".

Das ist aber ein alter Hut. Wenn die Stadt z. B. ein neues Wohngebiet erschließt, dann werden die Strassen oft nur provisorisch hergerichtet (kein Gehweg, kein Rinnstein, keine Siele für Regenwasser). Werden die Straßen fertiggestellt, oft Jahrzehnte später, dann müssen alle Anrainer Straßenausbaubeiträge zahlen. Es zahlen die, die dort wohnen. Auch die, die gar kein Fahrzeug haben und/oder ihr Grundstück ohne Benutzung der Straße betreten und verlassen können, denen die Straße eigentlich keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Das ist durchaus in Ordnung, wenn es korrekt gehandhabt wird; was allerdings nicht immer der Fall ist. Im Unterschied zu sogn. Rundfunkbeiträgen ist der Anknüpfungspunkt sachgerecht, nämlich das Grundstück. Und es muss niemand für die Straßen in einem anderen Ortsteil bezahlen, obwohl die Allgemeinheit jede Strasse nutzen kann. Berechnet wurde früher nach der Fläche des Grundstücks, heute m. W. nach der Länge an der Strasse (Frontlinie). Der Beitrag wird nicht nach dem Alter der Bewohner oder deren Kinderzahl berechnet; auch die Zahl der Staubsauger im Haus, die Zimmerzahl und der Beruf der Bewohner ist völlig unwichtig. Merkwürdiger Weise besteht das BVerfG bis heute darauf, dass der Vorteil aus der Baumaßnahme grundstücksbezogen und individuell-konkret zurechenbar sein muss.  8)

M. Boettcher
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: boykott2015 am 23. Juli 2019, 18:41
Leider wird vergessen, warum der Rundfunkbeitrag eingeführt wurde. Um Entkommen zu verhindern. Genau dieses Nicht-Entkommen-zu-dürfen hat dazu geführt, dass offizielle Statistik auf allen Ebenen von EU / Bund / Land die Rundfunkzahlungen als Steuerzahlungen betrachtet.

Da jetzt alle im Boot sitzen und keiner entkommen kann, ist es keine Willkür mehr: alle haben die gleiche Schuld - den Rundfunkbeitrag. Nur wird um die Höhe dieser Schuld gestritten: ob 0, oder die volle 17,50. Oder vielleicht dazwischen. Der Spruch "einfach für alle" kommt nicht überraschend. Es gibt keine Gruppen mehr.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: NichtzahlerKa am 24. Juli 2019, 14:46
Ich stehe zum Beispiel auf dem Standpunkt, dass die Höhe des Rundfunkbeitrags willkürlich ist. Eine saubere Durchführung von öffentlich-rechtlichem Rundfunk und eine Beurteilung der Leistung nach dem Äquivalenzprinzip würde dazu führen, dass der Rundfunkbeitrag bei 0,00€ läge und lediglich ein paar Steuermittel für die Rechtsaufsicht aufgewendet werden müsste (die nicht in den Beitragstopf gehört). Das ist doch ganz nah am Eingangspost. Lev hat leider noch nicht erklärt mit welchem Recht das Äquivalenzprinzip durchbrochen wird, bzw. was an seine Stelle treten soll.
Um das klar zu sagen: Es wäre zu prüfen, ob es kompletter Bullshit sein könnte, dass die "Leistung" der Öffis die der Privaten auch nur irgendwo substantiell übersteigt. Es könnte sich um eine fast völlig frei erfundene Behauptung handeln, wenn die Leistung vom Auftrag abweicht. Die Milliarden werden womöglich schlicht für Intendanten, Direktoren, deren Ehefrauen etc. verprasst. Die Öffis besetzen zwanghaft subventioniert ein Marktsegment das am freien Markt kaum angeboten werden kann, solange es Öffis gibt. Die Privaten kosten genau nichts (oder decken sich durch freiwillige Abonnenten) und machen sogar Gewinn. Diesen Gewinn müssten die Öffis nicht machen, sondern können ihn meinetwegen in "Qualität" stecken.
Edit: Der Zwangsfunk lebt von der Mär vom  meritorischen Gut (https://de.wikipedia.org/wiki/Meritorisches_Gut). Die Nachfrage nach Wahrheit müsste doch bei all den vorgeblichen "Fake News" auf einem Rekordhoch und die Differenz zum Markt historisch niedrig sein. Stattdessen wird willkürlich eine neue "Mammutaufgabe" konstruiert.


Edit "Bürger" @alle:
Bitte konzentriert, konstruktiv und mit engem Bezug zum eigentlichen Kern-Thema dieses Threads, welches da lautet
Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
und sich gem. Einstiegsbeitrag damit befassen soll, dass die bisherigen Urteile von vielen als willkürlich erachtet werden und warum diese Willkür (angeblich?) keine sei.
Die Löschung davon abschweifender Kommentare oder Teile davon bleibt ausdrücklich vorbehalten!
Aufgrund der begrenzten Moderatoren-Kapazitäten erfolgt dies u.U. ohne separate Mitteilung!
Danke für allerseitiges Verständnis, entsprechende Selbstdisziplin und nunmehrige konsequente Berücksichtigung.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 24. Juli 2019, 19:09
@ NichtzahlerKa

L. geht mal davon aus, dass das eine Frage war...

Lev hat leider noch nicht erklärt mit welchem Recht das Äquivalenzprinzip durchbrochen wird, bzw. was an seine Stelle treten soll.

Kurze Antwort: Das Äquivalenzprinzip kann man Anwenden muss man aber nicht. In diesem Faden wurde mehr als einmal darauf hingewiesen. 
Aus diesem Grund wird nichts durchbrochen und es muss auch nichts an dessen Stelle treten.

Lev
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: noGez99 am 28. Dezember 2020, 10:22
Ich greife die Diskussion nochmal auf um zu einem Verständnis zu gelangen:

Verständnisvoraussetzungen:
(Das BVerfG versucht die Vorzugslast juristisch hinzubiegen, und dazu ausschließlich formal entschieden)
1. Das BVerfG hat entschieden, dass der RB formal verfassungskonform ist. (nicht materiell?)
2. Das BVerfG betrachtet also nur formal Gruppen und formale Individuen.

Jetzt zu der These von Lev. Wenn man ein Individuum nur formal betrachtet ist ein
individueller Vorteil
ein Abstraktum (dass sich nicht konkret auf eine individuelle Person Maier bezieht)
Diese abstrakt angenommene Person hat einen individuellen Vorteil durch den Rundfunk und dieser Vorteil darf  abgeschöpft werden.
Daher ist auch der Nutzungswille nicht notwendig, da die formale Person keinen Willen hat (?)
Bezugspunkt ist die Wohnung (warum auch immer)

Solange man in diesen abstrakten Sphären bleibt, scheint das ja noch logisch einigermaßen hingebogen.
Einen formal abstrakten individuellen Vorteil zu konstatieren, ist schon eine denkerische Meisterleistung.

Wie sieht es aber aus mit der materiellen Person Maier?
Kann die Person einen individuell persönlichen Vorteil einklagen/fordern/bestimmen/nachweisen? Wir sind dann beim Äquivalenzprinzip.
Muss der RB auch materiell verfassungskonform sein?

Meint Lev diesen Unterschied zwischen formal und materiell?

Bitte bei dem formalen Aspekt bleiben auch wenn es (mir) schwerfällt, denn die Diskussion über die materielle Verfassungskonformität dürfte den Faden hier sprengen.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: mullhorst am 28. Dezember 2020, 12:11
1. Das BVerfG hat entschieden, dass der RB formal verfassungskonform ist. (nicht materiell?)
Bezieht sich auf die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes, d.h. lediglich daß das BVerfG das Gesetz als wirksam zustande gekommen erklärt, es ist somit formell verfassungsmäßig.

Zitat von: S. Kempny, verfassungsblog.de, 19.07.2018, Gegenleistung für einen "gesamtgesellschaftlichen Vorteil“: Das BVerfG-Urteil zum Rundfunkbeitrag
[...]
Als erste Frage im Rahmen seiner Begründetheitsprüfung spricht das BVerfG die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder für die Vorschriften über die Erhebung des Rundfunkbeitrags an (Rn. 50 ff.). Das ist, streng genommen, nicht ganz kunstgerecht. Denn entscheidend für die Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde ist einzig und allein, ob der Beschwerdeführer durch den unmittelbaren Beschwerdegegenstand in seinen Grund- oder grundrechtsgleichen Rechten verletzt ist (S. Kempny, Der Staat 53 [2014], 577 [614]). Diesem dogmatischen Befund Rechnung zu tragen versäumt der Senat in zweifacher Weise: Erstens prüft er den mittelbaren Beschwerdegegenstand (die Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages und die Zustimmungsmaßnahmen der Länder) vor dem unmittelbaren (den fachgerichtlichen Entscheidungen); zweitens prüft er die Gesetzgebungszuständigkeit wie bei einer Normenkontrolle, ohne die Verbindung zu einem Grundrecht oder grundrechtsgleichen Recht überhaupt erst herzustellen. Entscheidungserheblichkeit des Staatsorganisationsrechts ist das Grundrecht der Allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, denn dieses schützt auch davor, zur Entrichtung kompetenzwidriger Abgaben herangezogen zu werden (vergleiche [für den Bereich der steuerlichen Abgaben] S. Kempny, StuW 2014, 185 [193]). Diese Beanstandungen gehören keineswegs bloß in den Bereich der juristischen Ästhetik! Vielmehr hat der (vom Bundesverfassungsgericht leider nicht selten gewählte) „Normenkontrollaufbau“ bei mittelbaren Rechtssatzverfassungsbeschwerden zu (absichtlich?) falschen Begründungen und falschen Ergebnissen geführt (hierzu ausführlich S. Kempny, Der Staat 53 [2014], 577 [585 ff.]).

[...]

Als zweite Frage behandelt das BVerfG die Gleichheitsgerechtigkeit der Ausgestaltung des Rundfunkbeitrags (Rn. 63 ff.). Seine Prüfung trägt jedoch weiterhin eher finanzverfassungsrechtliche als grundrechtsdogmatische Züge. So wird betont, die Annahme eines besonderen, die Erhebung einer Vorzugslast rechtfertigenden Vorteils komme auch dann in Betracht, wenn alle Bürger herangezogen würden. Maßgeblich sei nicht die Stellung der Abgabepflichtigen im Verhältnis zur Allgemeinheit, sondern die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe von den Gemeinlasten als allgemeinen staatlichen Aufgaben (Rn. 67). Gleichheitsdogmatisch lag hier indes die Frage nahe, wer, wenn alle Bürger eine „besondere“ Abgabe zahlen, dann eigentlich die (für jede Gleichheitsprüfung strukturell notwendige) Vergleichsperson (S. Kempny/Ph. Reimer, Die Gleichheitssätze, 2012, S. 38 ff.) sei. Außerdem bleibt unklar, nach welchen Maßstäben die Abgrenzung von Sonder- und Gemeinlast künftig geschehen soll und inwieweit sie in den Händen des einfachen Gesetzgebers liegt. Daß dieser Abgrenzung große Bedeutung zukommt, zeigt der bereits in zwei Rechtszügen ausgefochtene Streit um die Verfassungsmäßigkeit des § 4 Bremisches Gebühren- und Beitragsgesetzes (Stichwort: Fußball-Polizeikosten).
[...]
Quelle: verfassungsblog.de, 19.07.2018
Gegenleistung für einen „gesamtgesellschaft­lichen Vorteil“: Das BVerfG-Urteil zum Rundfunkbeitrag
Von Simon Kempny (Professor für Öffentliches Recht und Steuerrecht an der Universität Bielefeld)
https://verfassungsblog.de/gegenleistung-fuer-einen-gesamtgesellschaftlichen-vorteil-das-bverfg-urteil-zum-rundfunkbeitrag/
im Forum unter
Gegenleistung für einen „gesamtgesellschaft­lichen Vorteil“: Das BVerfG-Urteil..
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28175.0



Edit "Bürger": Zitat ausgewiesen + Quelle(n)/Link(s) angegeben.
Mitwirkung schön und gut - aber bitte wenn, dann richtig!
Hier war erkennbar zitiert worden, jedoch ohne dies entsprechend auszuweisen oder auch nur eine Quelle anzugeben. Das ist nicht nur unredlich, sondern in mehrfacher Hinsicht regelwidrig und mehr als nur ärgerlich! Insbesondere weli es nicht so wirkt, als ob dies lediglich versehentlich passierte >:(
Danke für nunmehrige eigenverantwortliche gewissenhafte konsequente Berücksichtigung und Beachtung der diesbezüglichen Forum-Regeln (https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,5770.0.html).
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: Lev am 28. Dezember 2020, 13:26
Danke für das Interesse!

Doch, in diesem Faden geht es um die "Willkür die keine ist". Der Bezug ist die Aussage des Anwalts R. A. B.
Hier...

Zitat
Quelle:
"Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte: Beschwerden zum Rundfunkbeitrag abgewiesen"
Zitat
...
Das erklärte Rechtsanwalt Bölck gegenüber der MK. Bölck verwies darauf, zum Recht auf ein faires Verfahren gehöre unter anderem, dass das nationale Gericht nicht zu „willkürlichen Schlussfolgerungen“ kommen dürfe. Das Verfassungsgerichtsurteil zum Rundfunkbeitrag enthält nach Auffassung des in Quickborn ansässigen Rechtsanwalts mehrere Feststellungen, die als willkürlich einzustufen seien, etwa den Punkt im Urteil, dass der Rundfunkbeitrag einen individuellen Vorteil abgelte, weil die Möglichkeit bestehe, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nutzen zu können.
https://www.medienkorrespondenz.de/politik/artikel/europaeischer-gerichtshof-fuer-menschenrechte-beschwerden-zum-rundfunkbeitrag-abgewiesen.html

Und um ein Folgeposting ...

...
Der Faden war ein Folgeposting  ... 
Und ich freue mich, dass Lev endlich die richtigen Fragen stellt, wiewohl ich selbst die Fragen nicht ganz verstehe (worauf will L hinaus?). Aber ich hoffe, erhellende Folgepostings zu lesen.
... i.V.m. der Frage darüber.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,30723.msg194329.html#msg194329
EGMR Beschwerde 4598/19 - Entscheidung vom 21.03.2019


Lev
 
Der Faden folgt somit nicht der Frage, ob das Urteile oder die Entscheidung Willkürlich ist.
Es geht mehr der Frage nach, warum es so empfunden wird.

Danke!
Lev
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: pinguin am 28. Dezember 2020, 14:06
Muss der RB auch materiell verfassungskonform sein?
Der RB muß materiell dem Unionsrecht entsprechen; siehe Rn. 143 der aktuellen Rundfunkentscheidung; die Verantwortung dafür wurde den Gerichten übertragen.

BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
 - 1 BvR 1675/16 - Rn. (1-157),

http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Zitat
Rn. 143 - 1 BvR 1675/16
Das Gericht muss sich daher hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig machen. Etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs muss es auswerten und seine Entscheidung hieran orientieren (vgl. BVerfGE 82, 159 <196>; 128, 157 <189>; 135, 155 <233 Rn. 184>). Auf dieser Grundlage muss das Fachgericht unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts (vgl. BVerfGE 75, 223 <234>; 135, 155 <233 Rn. 184>) die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig („acte clair“) oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt („acte éclairé“; vgl. BVerfGE 129, 78 <107>; 135, 155 <233 Rn. 184>).
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: NichtzahlerKa am 28. Dezember 2020, 15:15
Kurze Antwort: Das Äquivalenzprinzip kann man Anwenden muss man aber nicht. In diesem Faden wurde mehr als einmal darauf hingewiesen. 
Aus diesem Grund wird nichts durchbrochen und es muss auch nichts an dessen Stelle treten.
Danke Lev für die Klarstellung. Aber das ist doch des Pudels Kern. Es ist nicht umsonst "in der Regel" verfassungswidrig das nicht zu beachten, es ist in der Regel auch unmoralisch und wird als ungerecht empfunden. Daher kommt das Willkürempfinden. Der "Potentiell individuelle Vorteil" ist eben kein realer.
Dass der Rundfunk das einzige ist was in Deuschland so "formal verfassungskonform abseits des Äquivalenzprinzips" gestaltet wird, rückt dann noch das dafür verantwortliche Abhängigkeitsproblem zwischen Rundfunk und Politik in den Fokus, zumal es andere Lösungen gäbe. Unerträglich wird es, sobald auch noch erhebliche materielle Leistungsschwächen hinzukommen.
Titel: Re: Nationale Urteile zum RBStV - Warum die Willkür keine ist.
Beitrag von: NichtzahlerKa am 28. Dezember 2020, 18:03
@nogez99
man lese auch was pjotre so alles über den Mediensozialismus schreibt. Z.B. hier:
ARD und ZDF scheitern mit Eilantrag vor Bundesverfassungsgericht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34688.msg210354.html#msg210354

Aus meiner Sicht ist damit schon formal das Recht des Beitragszahlers auf Leistungsgerechtigeit verletzt. "Monopolisierter Medien-Versorgungssozialismus" kann nicht wirtschaftlich arbeiten. Das ist nämlich völlig illusorisch und hat nirgends jemals funktioniert. Jeder bei Verstand weiß, dass es nicht funktionieren kann, weil das System versagen muss. Dann ist es aus meiner Sicht aber nicht mehr nur auf der materiellen Ebene problematisch, sondern eben schon auf der formalen, weil es auf der materiellen versagen muss (Selbstbedienungs-Fehlkonstruktion).

Diese Fehlkonstruktion ist offensichtlich und daher ist der Beitrag ungerecht und jede Verteidigung dieses Systems "Willkür".