@Kunibert
Wie wäre es, wenn Du dich um den Ansatz für eine Verfassungsbeschwerde auf Grund des Datenschutzes kümmerst und hier was reinstellen würdest?
Die informelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht (siehe Volkszählungsurteil BVerfGE 65, 1 ). Einschränkungen der Grundrechte müssen notwendig und verhältnismässig sein.
Daraus folgt: Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der Daten bei der GEZ muss nicht nur notwendig sein, sie muss auch den Grundrechtseingriff rechtfertigen.
Der Grundrechtseingriff ist hier besonders schwerwiegend, weil der Gesetzgeber durch die spezielle Definition der Wohnung die Möglichkeit geschaffen hat, den Bewohner eines jeden einzelnen Zimmers zu erfassen. Damit lässt sich feststellen, wer mit wem in einer Wohnung wohnt. Im Gesetz sind Ehepartner und Kinder von der Gebührenpflicht ausgenommen (wobei Zweitwohnungen aber gebührenpflichtig bleiben). Diese Regelung wäre überflüssig, wenn die Wohnung an sich Gegenstand der Gebührenpflicht wäre. An der Absicht und am Willen des Gesetzgebers, diese Daten zu erheben kann es daher nicht den geringsten Zweifel geben.
Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der Daten von Bürgern, die nicht an der Veranstaltung Rundfunk teilnehmen wollen, ist eine Folge des Rundfunkbeitragesgesetzes. Damit stellt sich die Frage, ob der neue Rundfunkbeitrag notwendig ist.
Aus dem Gutachten von Kirchhof geht nicht hervor, warum eine Notwendigkeit für den Rundfunkbeitrag besteht. Es behandelt nicht einmal die Frage, ob der ÖRR im Internetzeitalter überhaupt noch notwendig ist.
Das Gutachten behandelt lediglich die Frage, ob eine andere Finanzierung für den ÖRR verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich ist. Der Rundfunkbeitrag mag Vorteile für die ÖRR bringen. Ein Vorteil ist aber keine Notwendigkeit.
Das Gutachten von Kirchhof behandelt auch nicht die Frage, ob der Eingriff in den informelle Selbstbestimmung notwendig und angemessen ist, um eine bedarfsgerechte Finanzierung der ÖRR sicherzustellen.
Für die Notwendigkeit einer derartigen Massnahme gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Das Beitragsaufkommen ist seit Jahren auf exorbitant hohem Niveau stabil. Eine signifikante Flucht aus der Rundfunkgebühr ist trotz verstärkter Internetnutzung nicht zu erkennen.
Die Notwendigkeit des Rundfunkbeitrags damit zu begründen, dass sonst eine Anhebung der Beiträge erforderlich wäre, ist abwegig, weil es bedeutet, dass man diejenigen zu einer Abgabe heranzieht, die vom Rundfunk ausdrücklich keinen Gebrauch machen wollen. Das verstößt gegen das Äquivalenzprinzip, nach dem nur der zur Zahlung herangezogen werden darf, der die Angebote auch nutzen will. Nur die Vermutung einer Nutzung ist nicht ausreichend.
BVerfGE 13, 290 handelt zwar von steuerrechtliche Dingen, ist aber interessant, weil dem Gesetzgeber hier untersagt wird, Annahmen zu Ungunsten des Betroffenen zu treffen:
"Freilich ist die generelle Nichtanerkennung von Ehegatten- Arbeitsverträgen das einfachste Mittel, mißbräuchliche Verträge ein für allemal zu verhindern. Es kann dahinstehen, ob dieser Gedanke der Praktikabilität -- deren große Bedeutung für das Steuerrecht nicht zu verkennen ist -- ausreichen würde, um das Übermaß der Mißbrauchsbekämpfung in § 8 Ziff. 5 GewStG vor dem einfachen Prinzip der Steuergerechtigkeit zu halten. Denn jedenfalls muß die Praktikabilität gegenüber der besonderen Wertentscheidung des Art. 6 Abs. 1 GG zurücktreten, die hier den gesetzgeberischen Gestaltungsraum des Art. 3 Abs. 1 GG einschränkt. Der Vorrang verfassungsrechtlicher Wertentscheidungen verbietet es, Zweckmäßigkeitserwägungen unter Verletzung solcher Wertungen voranzustellen (BVerfGE 6, 55 [83])."
Zusammenfassen lässt sich sagen, dass selbst wenn man weiter von der Notwendigkeit des ÖRR ausgeht, keine Notwendigkeit eines (erheblichen) Eingriffs in die informelle Selbstbestimmung zu erkennen ist. Damit ist der Rundfunkbeitrag zumindest was die informelle Selbstbestimmung anbelangt, verfassungswidrig.
@Kunibert,
war sicherlich viel Arbeit, die Du hier reingesteckt hast. Im ersten Moment hatte ich sogar gejubelt und dachte - Mensch, jetzt haben wir einen dritten Ansatz für eine Verfassungsbeschwerde. Anbei ein paar Anmerkungen von meiner Seite.
Zur Notwendigkeit:Der Reformbedarf ist unter anderem im Pkt. A. des Gutachtens von P. Kirchhof erläutert. Der Reformbedarf wird mit dem Wandel der Geräte die Rundfunk empfangen können begründet. Darüber hinaus mit der Gefährdung der Unabhängigkeit des Rundfunks durch langsamen Rückgang der Hauptfinanzierungsquelle. Die Zahl der angemeldeten Teilnehmer geht lt. Statistik runter, das ist Fakt.
Die Schwierigkeiten der Nachprüfbarkeit des Empfangs und die Privatheit schonende Art der Erhebung, wird in dem bereits zitierten Abschnitt herbemüht:
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,3155.msg22344.html#msg22344 ...
"… Nach diesen verfassungsrechtlichen Maßstäben ist die Bemessungs-grundlage des Rundfunkbeitrages so zu gestalten, dass die Ermittlung und die Erhebung des Beitrags möglichst wenig persönlichkeitsbezogene Daten erfasst, außerdem ein Betreten zumindest der Wohnungen erübrigt. Solange die Abgabe an Geräte anknüpft, müssen diese ermittelt, also das Nutzerverhalten der Gerätebesitzer erforscht und letztlich auch Kontrollen in Wohnungen durchgeführt werden. Nimmt der Gesetzgeber hingegen die Bemessungsgrundlage des Rundfunkbeitrags auf die vermutete Nutzung durch Haushalte und Gewerbebetriebe zurück, bleibt der Abgabentatbestand im Vorfeld individualisierenden Datenschutzes und des Schutzbereiches der unverletzlichen Wohnung.
Im Ergebnis verlangen somit die Erfordernisse einer einsichtigen, vollzugsfähigen, unausweichlichen, die Privatheit schonenden Abgabe eine Typisierung der Rundfunkabgabe, die den Nutzer der Rundfunkprogramme zur Finanzierung der Rundfunkanstalten – staats- und marktfern – heranzieht, dabei aber nicht die individuelle, tägliche Fernsehnutzung ermittelt, sondern die Bemessungsgrundlage auf die vermutete, übliche Nutzung ausrichtet."
...
Die Notwendigkeit wird (nicht von uns) in dem langsamen Rückgang der Hauptfinanzierungsquelle und die Schwierigkeiten der Nachprüfbarkeit des Empfangs gesehen. Aber ist denn überhaupt so ein aufgeblasener ö.-r. Rundfunk überhaupt notwendig, so dass mit der Neuregelung durch die Beitragsverpflichtung ein Verlust an Freiheit einhergehen muss? Soll der langsame Rückgang der Hauptfinanzierungsquelle des überdimensionierten ö.-r. Rundfunks die Umstellung von der (bisher) vermeidbaren Gebühr auf den (künftig) unvermeidbaren Beitrag rechtfertigen? Für mich persönlich geht das entschieden zu weit. Das Wohl der Bevölkerung, die Wahlfreiheit der Medien und der Verlust an Freiheit sind schützenswerter als die Scherstellung der Finanzen des aufgedunsenen öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der ö.-r. Rundfunk muss deutlich auf die reine Grundversorgung schrumpfen. ->
http://www.online-boykott.de/de/unterschriftenaktion Ich hoffe, wir finden noch eine andere geeignete Stelle des GG, um uns darauf beziehen zu können.
Zur Informellen Selbstbestimmung:Informelle Selbstbestimmung, heißt das Recht des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner personenbezogenen Daten zu bestimmen ist ein Anhaltspunkt. Die informelle Selbstbestimmung unterliegt der Einschränkung bei überwiegendem Allgemeininteresse. Dieser Punkt ist enorm dehnbar. Die Daten, die erhoben werden sollen, sind auf die für die Rundfunkbeitragserhebung relevanten Daten beschränkt. Es kann sein, dass sich ein Richter findet, dem das zu weit geht.
Die Erhebung, Speicherung und Verarbeitung der Daten von Bürgern, die nicht an der Veranstaltung Rundfunk teilnehmen wollen, ist eine Folge des Rundfunkbeitragesgesetzes.
Das ist ein wunder Punkt, der durch ähnlich gelagerte Gerichtsentscheidung außerhalb des Rundfunks, untermauert werden sollte.