Im Namen des Volkes hin oder her: das Gericht führt plastisch vor Augen, dass die Verwaltungsrechtsprechung widersprüchlich, inkonsistent und damit willkürlich ist, mit anderen Worten mit einem Rechtsstaat nicht zu vereinbaren ist.
Mit Verlaub, aber das LG Tübingen macht nur deutlich, dass man dort grundlegende Weichenstellungen im Verwaltungsrecht nicht beachtet. Schon die Ausführungen zur Behördeneingeschaft aus dem Beschluss aus dem September 2016 haben eine solch unfreiwillige Komik, dass man sich schon fragt, ob das wirklich ernst gemeint sein kann. Auch ich habe Zweifel an der Art der Konstruktion der Rundfunkbeitrags, aber diese Fundamentalopposition hat doch etwas von Don Quijote.
Da mein Ursprungsbeitrag wegen Pauschalität gelöscht wurde, gehe ich nochmals deutlich auf die Ausführungen zur Behördeneigenschaft im genannten Urteil aus dem September 2016 ein:
Gegen die Behördeneigenschaft spricht entscheidend auch die Ausgestaltung der Satzung der Gläubigerin, die weder gesetzlichen noch rechtsstaatlichen Voraussetzungen gerecht wird.
Die Einordnung einer Organisation als Behörde nach dem VwVfG ist nicht an irgendeine Satzung gebunden. Behörde ist vielmehr jede öffentliche Stelle, die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt. Der Begriff ist weit zu verstehen. Somit fallen z. B. auch Beliehene unter den Behördenbegriff, obwohl wohl kaum ein Schornsteinfeger eine eigene Satzung haben wird.
Der Rundfunk steht selbst als Träger des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG mithin in einer Gegenposition zum Staat.
Dies verkennt, dass der Rundfunk gleichwohl ansonsten Grundrechtsverpflichteter ist. Niemand würde argumentieren können, dass Universitäten in einer Gegenposition zum Staat stünden, weil sie sich auf das Grundrecht der Freiheit von Lehre und Forschung berufen können. Es ist absolut herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk ebenso wie die Universitäten Organe des Staates sind.
Gemessen an diesen Maßstäben fehlt es bei der Gläubigerin an der Behördeneigenschaft. Die Gläubigerin tritt nach außen in ihrem Erscheinungsbild nicht als Behörde auf, sondern als Unternehmen. Bereits die Homepage www.swr.de ist mit „Unternehmen“ überschrieben, von einer Behörde ist nicht die Rede. Die Rubrik „Der SWR“ führt als Menüpunkt „Unternehmen“, nicht "Behörde“ auf. Die Unterseite Unternehmen bzw. Organisation weist einen Geschäftsleiter und eine Geschäftsleitung aus, ein Management. Eine Behörde oder ein Behördenleiter sind nicht angegeben, statt dessen – behördenuntypisch – unternehmerische Beteiligungen.
Die Ausführungen sind in keiner Weise vereinbar mit dem geltenden Recht. Maßstab für die Einordnung als Behörde ist, wie dargelegt, das Wahrnehmen öffentlicher Aufgaben. Auf den Auftritt oder das Selbstbild der Einrichtung kommt es hierbei nicht an. Im Rahmen des Neuen Steuerungsmodells ist es im Übrigen mittlerweile in Kommunen üblich, vom "Konzern" Kommune zu sprechen. Gleichwohl wäre es abwegig, daraus zu schließen, die Gemeinde sei dadurch keine Behörde mehr. Es kommt auf das tatsächliche Handeln an, nicht auf die Ausgestaltung der Organisation oder Bezeichnungen.
c) Eine Bindung an behördentypische Ausgestaltungen (Geltung des Besoldungsrechts oder der Tarifverträge bzw. der Gehaltsstrukturen) für den öffentlichen Dienst) fehlt völlig. Die Bezüge des Intendanten übersteigen diejenigen von sämtlichen Behördenleitern, selbst diejenigen eines Ministerpräsidenten oder Kanzlers, erheblich. Ein eigener Tarifvertrag besteht.
Eine "behördentypische" Ausgestaltung ist ebenso wenig konstituierend für den Begriff "Behörde". Ein Bezirksschornsteinfeger ist Behörde, obwohl sein Betrieb weder behördentypisch ausgestaltet ist noch sich an das Besoldungs- oder Tarifrecht des öffentlichen Dienstes halten muss.
e) Öffentlich-rechtliche Vergabevorschriften beim Einkauf von Senderechten oder Unterhaltungsmaterial werden nicht angewandt, die Bezahlung freier Mitarbeiter und fest angestellter Sprecher entspricht nicht ansatzweise dem öffentlichen Dienst.
Die Bindung an öffentlich-rechtliche Vergabevorschriften ist nicht konstituierend für die Behördeneingenschaft. Diese sind nur anwendbar, wenn es sich bei der Behörde um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 GWB handelt:
Öffentliche Auftraggeber sind
1. Gebietskörperschaften sowie deren Sondervermögen,
2. andere juristische Personen des öffentlichen und des privaten Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen, sofern
a) sie überwiegend von Stellen nach Nummer 1 oder 3 einzeln oder gemeinsam durch Beteiligung oder auf sonstige Weise finanziert werden,
b) ihre Leitung der Aufsicht durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 unterliegt oder
c) mehr als die Hälfte der Mitglieder eines ihrer zur Geschäftsführung oder zur Aufsicht berufenen Organe durch Stellen nach Nummer 1 oder 3 bestimmt worden sind;
dasselbe gilt, wenn diese juristische Person einer anderen juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts einzeln oder gemeinsam mit anderen die überwiegende Finanzierung gewährt, über deren Leitung die Aufsicht ausübt oder die Mehrheit der Mitglieder eines zur Geschäftsführung oder Aufsicht berufenen Organs bestimmt hat,
3. Verbände, deren Mitglieder unter Nummer 1 oder 2 fallen,
4. natürliche oder juristische Personen des privaten Rechts sowie juristische Personen des öffentlichen Rechts, soweit sie nicht unter Nummer 2 fallen, in den Fällen, in denen sie für Tiefbaumaßnahmen, für die Errichtung von Krankenhäusern, Sport-, Erholungs- oder Freizeiteinrichtungen, Schul-, Hochschul- oder Verwaltungsgebäuden oder für damit in Verbindung stehende Dienstleistungen und Wettbewerbe von Stellen, die unter die Nummern 1, 2 oder 3 fallen, Mittel erhalten, mit denen diese Vorhaben zu mehr als 50 Prozent subventioniert werden.Wieder bringt das Beispiel des Schornsteinfegers Erkenntnis: Natürlich muss dieser - trotz seiner Behördeneingeschaft - seine Beschaffungen nicht nach dem Vergaberecht ausrichten.
Grundsätzlich mag ja das Ziel, den Rundfunkbeitrag in eine vernünftige Form zu gießen, nachvollziehbar sein. Aber mit solchen Ausführungen erweist man dem ganzen Anliegen eher einen Bärendienst.