@fuerstBerg: bin beeindruckt von dem technischem Wissen und dem Schreiben.
Danke für die Blumen
Ich habe meine Lehre in einem Elektronik-Geschäft gemacht und ein paar Jahre dort weiter gearbeitet. Das war praktischerweise die Zeit, in der DVB eingeführt wurde. DVB habe ich als DF1 kennen gelernt, ein Pay-TV-Angebot, damals als Konkurrenz zu Premiere. Praktisch: Als DF1-Händler hat man eine Händer-Karte bei der
alles freigeschaltet ist (bei den Erotik-Angeboten bin ich mir nicht sicher, müsste ich die (anderen) Ex-Lehrlinge fragen). Beim Rumprobieren ist mir aufgefallen, daß ich auch die ganzen anderen Programme empfangen kann (ARD, ZDF, RTL, SAT.1, …), allerdings war der erste Berührungspunkt Pay-TV.
Das BVerwG schreibt:(Rn-22) Aus den gleichen Gründen verstößt die Finanzierung... durch Entgelt der Zuschauer nur für tatsächlich empfangene Sendungen (Bezahlfernsehen bzw. „Pay-TV“) gegen Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG. Auch sie fördert die Neigung zu massenattraktiven Sendungen zu Lasten der Programmvielfalt, weil die Rundfunkanstalten auch beim Bezahlfernsehen von Einschaltquoten abhängig wären (BVerwG....)
http://www.bverwg.de/entscheidungen/entscheidung.php?ent=180316U6C6.15.0
Du schreibst:Meines Wissens wurde regelmäßig gefordert, die „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ zu verschlüsseln,... Die privaten Rundfunkveranstalter haben damals ja ein kundenfreundliches Konzept vorgestellt, in das sich auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hätte integrieren können.
DVB, egal in welcher Geschmacksrichtung (-S, -T, -C, -H, -x2, …) ist alles irgendwie der gleiche Standard: Auf bestimmten Frequenzen werden Datenströme empfangen. Die setzen sich zusammen aus:
- Video-Daten für mehrere Programme
- Mehreren Tonkanälen – Ein TV-Programm kann mehrere Tonspuren haben, z. B. für Zweikanalton oder Stereo oder Dolby 5.1 oder …
- VideoText
- Untertitel
- Diverse Meta-Informationen
Die Audio- und Video-Informationen können verschlüsselt werden,
das war von Anfang an vorgesehen! Und das ist dem örR bekannt. Aus den Meta-Informationen kann ermittelt werden, nach welchem Standard verschlüsselt wurde.
Auf der Empfängerseite (Receiver, Kabel-SetTop-Box, …) ist zur Entschlüsselung ein CI-Modul, ein SmartCard-Leser und eine SmartCard erforderlich. Die CI-Module können teilweise ausgetauscht werden, die sind dafür da, den verschlüsselten MPEG-Datenstrom zu entschlüsseln, bevor aus MPEG wieder Einzelbilder dekodiert werden. Die SmartCard versorgt das CI-Modul mit Informationen, aus denen das CI-Modul den Schlüssel ermitteln kann. In den Meta-Informationen sind Befehle dabei, die einzelne SmartCards ein- oder ausschalten können (oder für eine bestimmte SmartCard einmalig einen Pay-per-View-Film freizuschalten, auch wenn das heutzutage meistens über das Internet geschieht (sonst müsste man ein paar Stunden nur bestimmte Kanäle anschauen, damit die SmartCard die Freischaltung bekommt)). Das Zusammenspiel zwischen eigentlichem Receiver, CI-Modul und SmartCard ist genormt. Das CI-Modul kann einen bestimmten Standard entschlüsseln (z. B. NAGRAVISION oder IRDETO). Wobei meines Wissens nach die Kodierung nach MPEG aufwändiger wie die Verschlüsselung ist.
Die HD+-Receiver haben alles fertig eingebaut, inkl. CI-Modul. Bei vielen Geräten ist ein SmartCard-Leser und ein Slot für ein CI-Modul integriert, verschlüsseltes TV lässt sich nachrüsten. Der Kathrein-HD+-Receiver meiner Stieftochter hat 200,00 € gekostet (Kathrein ist eine eher teure Marke, wir wohnen aber im Schwarzwald, da ist das Geld gut angelegt), es gibt auch billigere. Davon ziehst Du noch 80,00 € für das erste Jahr HD+ ab – und schon wäre die Empfangshardware da.
Würden sich die deutschen Rundfunkanbieter auf einen Standard einigen (was mit HD+ ja praktisch schon passiert ist), könnten
alle Sendungen verschlüsselt werden. Das könnten die Sender untereinander ausmachen oder man könnte das in einen Rundfunkstaatsvertrag schreiben, wenn man wollte. Dann müsste man für ör die eine SmartCard einlegen, für privat eine andere. Würde man Beitragsservice und HD+ zusammenlegen (oder die kundenfreundliche Variante: Den Beitragsservice an HD+ verkaufen), ginge das auch ohne SmartCard-Wechsel. Das wäre der gesamte Aufwand. Bei DVB-S hat man gepennt, der Markt ist übervoll mit Receivern ohne CI-Modul, bei DVB-C und DVB-T wird noch viel analog empfangen und die Digital-Receiver müssen noch gekauft werden. Schiebt man da rechtzeitig einen Riegel vor, kommen nur noch Receiver mit CI-Modul oder Nachrüstoption auf den Markt.
Ok, ServusTV könnte aus Österreich immer noch unverschlüsselt senden, wäre dann tatsächlich eine Konkurrenz zum deutschen Rundfunk, aber den einen „Feind-Sender“ müsste man verkraften (oder ihn mit ins Boot nehmen).
Das ist wohl auch der Haupt-Grund, warum von öffentlich-rechtlicher Seite ständig
wider besseres Wissen die Behauptung aufgestellt wird, Verschlüsselung sei immer zwingend Pay-TV, hauptsächlich in der Geschmacksrichtung Pay-per-View. In Österreich und der Schweiz funktioniert das!! Bei der Umstellung auf den digitalen Rundfunk geht es den öffentlich-rechtlichen auch am Allerwertesten vorbei, daß die Kunden ihre Geräte austauschen müssen. Wieso sollte es sie kümmern, wenn 50,00 € mehr für Verschlüsselung ausgegeben wird? Außer der Tatsache, daß man dann aus dem Rundfunkempfang tatsächlich aussteigen kann. HD+ wollte ursprünglich alle Programme (auch in SD) von RTL und ProSiebenSat.1 verschlüsseln. Vorher kam SES Astra auf die Idee (wieso nur Geld von TV-Sendern bekommen, wenn auch der Endkunde per Grundverschlüsselung zur Kasse gebeten werden kann). Ist aber alles an ARD und ZDF gescheitert (leider finde ich viele Sachen nicht mehr).
Beim „Beitragsservice“ und den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten werden die Leute nach dieser Argumentation schlagartig ruhig. Dazu gibt es keine Stellungsnahmen mehr, früher oder später kommt nur ein beleidigtes „weitere Schreiben werden wir nicht mehr beantworten“.
Aber das wäre wohl besser in einem eigenen Thread aufgehoben, in dem noch mehr Material zu diesem Thema gesammelt werden kann.