Der Verweis des Beklagten auf den Beschluss des BGH v. 21.10.2015 (Az. I ZB 6/15) geht fehl. Die Ausführungen, die der BGH darin zu Vollstreckungsersuchen macht, können nicht auf Festsetzungsbescheide übertragen werden. Der Grund hierfür liegt darin, dass ein Vollstreckungsersuchen eine Form der innerbehördlichen Amtshilfe und damit ein Realakt, ein Festsetzungsbescheid jedoch ein Verwaltungsakt ist.
„Der aufgrund des RBStV erhobenen Abgabe steht nämlich die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gegenüber.“
Die Zweckbestimmung der erhobenen Abgabe „Rundfunkbeitrag“ ist gem. § 1 RBStV die funktionsgerechte Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in seiner Gesamtheit. Sie dient dazu, die Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu gewährleisten, d.h. sie ist das Mittel zur Gewährleistung der Bestands- und Entwicklungsgarantie. Folglich hat der Rundfunkbeitrag Finanzierungsfunktion, jedoch keine Entgeltfunktion, mit der die Möglichkeit der Inanspruchnahme der „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ entgolten wird. Folgte man der Argumentation des Beklagten, so könnte man die von einem Betroffenen gezahlten Steuern gleichsam als Gegenleistung für die Inanspruchnahme der sonstigen öffentlichen Infrastruktur, d.h. der „Gesamtveranstaltung Staat“ darstellen.
„Diese ist dem Beitragspflichtigen individuell zurechenbar, zumal heutzutage fast alle Haushalte über ein Rundfunkempfangsgerät verfügen.“
Rundfunk ist eine allgemein verfügbare technische Gegebenheit. Er zählt zur öffentlichen Infrastruktur. Auf das Vorhandensein dieser öffentlichen Infrastruktur hat der einzelne Betroffene keinen Einfluss. Allein schon aus dieser Überlegung ergibt sich, dass die „Gesamtveranstaltung Rundfunk“ dem einzelnen Betroffenen nicht individuell zurechenbar ist. Ferner ist gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 RStV Rundfunk die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung, d.h. Rundfunk ist gerade nicht eine individualnützige öffentliche Einrichtung, sondern eine gemeinnützige öffentliche Einrichtung (Infrastruktur).
„Um als Beitrag qualifiziert zu werden, bedarf es eines Wechselseitigkeitsverhältnisses von Leistung und Gegenleistung.“
Das vom Beklagten behauptete Synallagma besteht nicht. Der Rundfunkbeitrag ist kein Entgelt, mithin hat er keine Entgeltfunktion, sondern gemäß der Zweckbestimmung des § 1 RBStG Finanzierungsfunktion. Ein Synallagma ist durch das Bestehen wechselseitiger, rechtlicher Ansprüche und Verpflichtungen gekennzeichnet. Der einzelne Betroffene hat jedoch keinerlei rechtlichen Anspruch auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme der "Gesamtveranstaltung Rundfunk". Genauso wenig hat der Beklagte die Möglichkeit der Leistungsverweigerung bei Pflichtverletzungen des Beitragspflichtigen durch Zahlungsverweigerung.
„Die Rundfunkgebühr nach dem Rundfunkgebührenstaatsvertrag wurde vom Bundesverfassungsgericht jedoch ebenfalls nicht als Steuer qualifiziert (BverfG, Beschl. v. 22.08.2012 – 1 BvR 199/11).“
Der Unterschied zwischen Rundfunkbeitrag und Rundfunkgebühr liegt darin, dass die Rundfunkgebühr aufgrund der freien Willensentscheidung des Rundfunkteilnehmers zum Vorhalten eines Rundfunkempfangsgerätes Entgeltcharakter hatte. Dies trifft auf den Rundfunkbeitrag jedoch gerade nicht zu. Vielmehr wird offenkundig krampfhaft versucht, den Entgeltcharakter des Rundfunkbeitrags zu konstruieren.
„Die Beitragspflicht gilt nicht für die Allgemeinheit, sondern lediglich für alle Inhaber einer Wohnung, die nicht unter die Befreiungstatbestände fallen.“
Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk gem. § 2 Absatz 1 Satz 1 RStV die für die Allgemeinheit bestimmte Veranstaltung ist, so ist jede Person im Einwirkungsbereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an seiner Finanzierungsverantwortung zu beteiligen (VGH München, Urt. v. 19.6.2015 – 7 BV 14.1707). Der Kreis der Wohnungsinhaber geht in der Allgemeinheit auf. Daran ändern die Befreiungstatbestände nichts, insbesondere zumal eine Befreiung vom einzelnen Betroffenen zu beantragen ist. Im übrigen wäre es äußerst widersprüchlich, die Finanzierungsverantwortung für eine für die Allgemeinheit bestimmte, d.h. gemeinnützige öffentliche Einrichtung, auf eine bestimmte Personengruppe zu begrenzen, nur um auf diese Weise die erforderliche Gruppennützigkeit der Abgabe zu konstruieren. Es ist offenkundig, dass mit der Änderung des Normadressatenkreises von Rundfunkteilnehmern auf Wohnungsinhaber eine möglichst weitreichende Ausweitung der Beitragspflichtigen bezweckt werden sollte, und zwar gerade im Hinblick auf das in der Gesetzbegründung erwähnte „Erhebungs- und Vollzugsdefizit“.
„Der Rundfunkbeitrag dient gem. § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung und hat den öffentlich-rechtlichen Rundfunk damit auch in die Lage zu versetzen, seine Pensionsverpflichtungen zu erfüllen.“
Der Rundfunkbeitrag dient gem. § 1 RBStV der funktionsgerechten Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und nicht der altersgerechten Pensionsausstattung ehemaliger Mitarbeiter. Mit der vom Beklagten verfolgten Argumentation könnte ebenfalls gerechtfertigt werden, eine öffentlich-rechtliche Fußball-Bundesligamannschaft durch den Rundfunkbeitrag zu finanzieren. Der Grundsatz der Funktionsgerechtigkeit der Finanzausstattung soll den Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gewährleisten. Pensionszahlungen an ehemalige Mitarbeiter haben nichts mit der Funktionsgerechtigkeit der Finanzausstattung zu tun, weil der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks unabhängig von Pensionszahlungen zu gewährleisten ist. Mit anderen Worten: Der Fortbestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als öffentliche Infrastruktur ist nicht dadurch gefährdet, dass keine Pensionszahlungen mehr an ehemalige Mitarbeiter fließen.
„Auch die Säumniszuschläge wurden rechtmäßig festgesetzt. Die Pflicht zur Zahlung von Rundfunkbeiträgen und deren Fälligkeit ist gesetzlich geregelt, weshalb nicht erst der Erlass eines Bescheides die Zahlungspflicht begründet. Da ein Festsetzungsbescheid nach § 10 Abs. 5 RBStV ausschließlich über bereits rückständige Rundfunkbeiträge erlassen wird, sind zum Zeitpunkt des Erlasses eines Beitragbescheides die festgesetzten Beträge längst fällig, sodass ein Säumniszuschlag in rechtmäßiger Weise erhoben werden kann.“
§ 10 Absatz 5 RBStV verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Der Grundsatz von Treu und Glauben soll Zuverlässigkeit und Lauterkeit, d.h. also zuverlässiges, ehrliches und faires Verhalten im Rechtsverkehr gewährleisten. Eine an diesem Grundsatz bemessene Festsetzung von Säumnisgebühren setzt voraus, dass die Hauptforderung bereits festgesetzt wurde und bisher nicht beglichen wurde, d.h. der Abgabenschuldner muss bei einem zuverlässigen, ehrlichen und fairen Verhalten der Behörde die Möglichkeit gehabt haben, die geschuldete Leistung zu erbringen, bevor er der geschuldeten Leistung säumig wird. Die Festsetzung des Fälligkeitszeitpunktes erfolgt mit dem Leistungsgebot, d.h. mit der Aufforderung des Abgabengläubigers gegenüber dem Abgabenschuldner zur Leistung. Eine Aufforderung des Abgabengläubigers gegenüber dem Abgabenschuldner zur Leistung hat jedoch nie stattgefunden. Es entspricht eben nicht den Grundgedanken von Ehrlichkeit und Fairness, Säumnisgebühren zeitgleich mit der Festsetzung festzusetzen, ohne dass der Abgabengläubiger vorher jemals durch Leistungsgebot zur Leistung aufgefordert worden ist.
„Schließlich vermögen aber auch die zahlreichen Hinweise auf (Rechts)Ansichten Dritter weder die Verfassungswidrigkeit des Beitragssystems […] zu begründen.“
...und Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall.
Abschließend noch ein Tipp von mir:
Auch wenn es sich um einen Beitrag im finanzverfassungsrechtlichen Sinne handeln sollte - in Ordnung. Eine solche nichtsteuerliche Abgabe muss sich jedoch aufgrund der Beschränkungs- und Schutzfunktion des Finanzverfassungsrechts deutlich von einer Steuer unterscheiden. Meiner Ansicht nach wäre es sinnvoll, herauszuarbeiten, warum sich der Rundfunkbeitrag gerade nicht deutlich genug von einer Steuer unterscheidet. Ansatzpunkte für eine solche Argumentation gibt es sehr viele.