Nix Kartellschadensersatz-Richtlinie, denn das steht in der Richtlinie nicht geschrieben.
Die Richtlinie 2014/104/EU hat in Deutschland diesen Beinamen erhalten. Der Vorteil von (Bei-)Namensgebungen ist, dass jemand, der tagtäglich mit einer Vielzahl von Richtlinien/Entscheidungen zu tun hat, besser zwischen den einzelnen Richtlinien/Entscheidungen unterscheiden kann. Dieser Thread bietet das beste Beispiel dafür; in diesem Thread wurde u.a. auf eine Vielzahl von Richtlinien hingewiesen. Du kannst diese Richtlinien gerne weiterhin mit ihrem abstrakten Namen bezeichnen, bspw.:
Richtlinie 89/552/EWG
Richtlinie 97/7/EG
Richtlinie 2002/65/EG
Richtlinie 2005/29/EG
Richtlinie 2010/13/EU
Richtlinie 2011/83/EU
Richtlinie 2014/104/EU.
Andere Menschen können diese Richtlinien aber besser unterscheiden, wenn sie den Beinamen der Richtlinien gebrauchen:
Fernseh-Richtlinie (= RL 89/552/EWG)
Fernabsatz-Richtlinie I (= RL 97/7/EG)
Fernabsatz-Richtlinie II (= RL 2002/65/EG)
UGP-Richtlinie (= RL 2005/29/EG; UGP = „unlautere Geschäftspraktiken“)
AVMD-Richtlinie (=Richtlinie 2010/13/EU; AVMD = „audiovisuelle Mediendienste“)
Verbraucherrechte-Richtlinie (= RL 2011/83/EU).
Kartellschadensersatz-Richtlinie (=Richtlinie 2014/104/EU).
Da Du Dich auf das „Wettbewerbsrecht“ und auf das „Europarecht“ eingeschossen hast, möchte ich in diesem Zusammenhang anmerken, dass es gerade im Wettbewerbs- und Europarecht üblich ist, u.a. die Gerichtsentscheidungen mit (Bei-)Namen zu versehen. Diese (Bei-)Namen werden vergeben, weil kaum ein Mensch in der Lage ist, die Fülle an Gerichtsentscheidungen auf Grundlage der Aktenzeichen anzugeben. Oder kannst Du mir etwa das Aktenzeichen der wichtigsten Entscheidungen des EuGH zur Warenverkehrsfreiheit – übrigens: diese Entscheidungen sind überwiegend zum Lauterkeitsrecht ergangen – aus dem Kopf nennen? Ich wette, dass jeder, der sich auch nur in Grundzügen mit der Warenverkehrsfreiheit im Besonderen und den Grundfreiheiten im Allgemeinen beschäftigt hat, Dir zumindest die (Bei-)Namen dieser Entscheidungen nennen kann:
Dassonville-Entscheidung
Keck-Entscheidung
Cassis-de-Dijon-Entscheidung.
Wenn diesen Menschen aber nur die abstrakten Aktenzeichen + Fundstellen in der amtlichen Sammlung genannt werden (bspw. EuGH vom 11.06.1974 – C-8/74; Slg. 1974, 837), dann werden die meisten dieser Menschen nicht angeben können, um welche Entscheidungen es sich handelt (hier: Dassonville-Entscheidung).
Es ist eine allgemeine Schadensersatz-Richtlinie, die es allen Verbrauchern, seien es juristische oder natürliche Personen, einräumt, Schadensersatzansprüche geltend zu machen, wenn Unternehmen zum Nachteil der Verbraucher gegen europäische Wettbewerbsregeln verstoßen.
Da haben wir es schon wieder. Zum nunmehr vierten Mal weise ich darauf hin, dass der Begriff „Wettbewerbsrecht“ mehrdeutig ist. Im deutschen Recht wird unter „Wettbewerbsrecht“ im Wesentlichen Kartellrecht (insb. GWB) und Lauterkeitsrecht (insb. UWG) verstanden. Im europäischen Recht wird unter „Wettbewerbsrecht“ im Wesentlichen Kartellrecht (Art. AUEV) und Beihilfenrecht (Art. AEUV) verstanden:
KLAGE nach Europarecht - Ende der ARD-ZDF-GEZ Belästigung?http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15317.msg102752.html#msg102752KLAGE nach Europarecht - Ende der ARD-ZDF-GEZ Belästigung?http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15317.msg102825.html#msg102825KLAGE nach Europarecht - Ende der ARD-ZDF-GEZ Belästigung?http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,15317.msg102843.html#msg102843Darüberhinaus sei Dir versichert, daß für mich der geschriebene Wortlaut eines Gesetzestextes zählt und nicht jenes, was Authoren, die nicht in diesem Gebiet selber der Gesetzgeber sind, in ihren Dokumenten erkannt haben wollen, da sie ihre Publikation wohl auf Basis anderer Interessen verfasst haben, als der Gesetzgeber bei der Schaffung seines Gesetzes.
Das kann ich auch ohne Hinweis auf Fachliteratur begründen; übrigens habe ich das auch schon ohne Hinweis auf Fachliteratur begründet.
1. Ausgangspunkt ist der Begriff "Wettbewerbsregeln" in
Art. 3 Abs. 1 lit. b) AUEV (= europäisches Primärrecht)
2. Im AEUV gibt es ein Kapitel, welches den Titel "Wettbewerbsregeln" trägt = 1. Kapitel, im VII. Titel, im dritten Teil des AEUV (=
Art. 101 bis 109 AEUV)
3. In diesem Kapitel finden sich Vorschriften über das
Kartellrecht [(Art. 101 bis 106 AUEV) = 1. Abschnitt des 1. Kapitel, im VII. Titel, im dritten Teil des AEUV] und Vorschriften über
staatliche Beihilfen [(Art. 107 bis 109 AEUV) = 2. Abschnitt des 1. Kapitel, im VII. Titel, im dritten Teil des AEUV]
4. Gegenstand und Anwendungsbereich der
Kartellschadensersatz-Richtlinie (= europäisches Sekundärrecht) ist gemäß ihres
Art. 1 Abs. 1 S. 1:
„In dieser Richtlinie sind bestimmte Vorschriften festgelegt, die erforderlich sind, um zu gewährleisten, dass jeder, der einen durch eine Zuwiderhandlung eines Unternehmens oder einer Unternehmensvereinigung gegen das Wettbewerbsrecht verursachten Schaden erlitten hat, das Recht, den vollständigen Ersatz dieses Schadens von diesem Unternehmen oder dieser Unternehmensvereinigung zu verlangen, wirksam geltend machen kann“.
Wie finde ich nun heraus, was unter „Wettbewerbsrecht“ i.S.d. Kartellschadensersatz-Richtlinie zu verstehen ist? Durch Auslegung: Bspw. indem die Kartellschadensersatz-Richtlinie (= sekundäres Europarecht) in Beziehung zu dem primären Europarecht gesetzt wird (= systemtatische Auslegung). Und zu welchem primären Europarecht kann die Kartellschadensersatz-Richtlinie in Beziehung gesetzt werden? Sie wird in Beziehung zu den 1. Kapitel, im VII. Titel, im dritten Teil des AEUV (= Art. 101 bis 109 AEUV) gesetzt. Und was versteht dieser Abschnitt unter dem Begriff „Wettbewerbsrecht“? Die Antwort findest Du oben bei
Nr. 3.
Der Vollständigkeit halber betrachten wir uns auch die von Dir und den anderen als Wettbewerbsrecht eingestufte UGP-Richtlinie (=
Lauterkeitsrecht), die ja mit allen anderen „wettbewerbsrechtlichen“ Richtlinien, die hier aufgezählt wurden, "verknüpft" sein soll. Gemäß Art. 3 Abs. 1 UGP-Richtlinie gilt sie für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts. Woraus ergibt sich nun, dass es sich um „Wettbewerbsrecht“ handelt? Soll sich das aus dem Wortlaut ergeben? Da Du den Erwägungsgründen einer Richtlinie ebenso viel Gewicht beilegst, wie dem verfügenden Teil einer Richtlinie, betrachten wir uns mal
Erwägungsgrund 9 UGP-Richtlinie:
Diese Richtlinie berührt nicht individuelle Klagen von Personen, die durch eine unlautere Geschäftspraxis geschädigt wurden. Sie berührt ferner nicht die gemeinschaftlichen und nationalen Vorschriften in den Bereichen Vertragsrecht, Schutz des geistigen Eigentums, Sicherheit und Gesundheitsschutz im Zusammenhang mit Produkten, Niederlassungsbedingungen und Genehmigungsregelungen, einschließlich solcher Vorschriften, die sich im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht auf Glücksspiele beziehen, sowie die Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft und die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung derselben.
Wird irgendwo sonst in der UGP-Richtlinie Bezug genommen zum dem Begriff „Wettbewerbsrecht“?
Wenn Dich das immer noch nicht überzeugt, dann lass uns - so wie eben bei der UGP-Richtlinie - auch noch in die Erwägungsgründe der Kartellschadensersatz-Richtlinie gucken. Schon in Erwägungsgrund 1 der Kartellschadensersatz-Richtlinie wird auf die Artikel 101 und 102 des AEUV (= Kartellrecht) hingewiesen. Auch Erwägungsgrund 2 und 3 der Kartellschadensersatz-Richtlinie weißen auf eben jene Art. 101 und 102 AEUV (Kartellrecht) hin. Überhaupt weißen eine Vielzahl von Erwägungsgründen
ausdrücklich auf das im AEUV geregelte Kartellrecht hin, vgl. auch Erwägungsründe 8, 10, 11, 13, 21, 22, 31, 34, 35 und 54 Kartellschadensersatz-Richtlinie. Betrachte Dir zu guter Letzt den
Erwägungsgrund 54 Kartellschadensersatz-Richtlinie:
Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich Vorschriften für Schadensersatzklagen wegen Verletzung des Wettbewerbsrechts der Union festzulegen, um die volle Wirkung der Artikel 101 und 102 AEUV [= Kartellrecht] und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts für Unternehmen und Verbraucher zu gewährleisten, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen der erforderlichen Wirksamkeit und Kohärenz der Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV [= Kartellrecht] auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 EUV verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Richtlinie nicht über das zur Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“