Mein Argumentationsvorschlag zum Thema "Synopse zwischen Einkommenssteuer- und Rundfunkbeitragspflicht":
BVerfG, Urteil vom 6. 7. 2005 - 2 BvR 2335/95 u. 2391/95, Tz. 113:
„Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ergeben sich aus den Begrenzungs- und Schutzfunktionen der bundesstaatlichen Finanzverfassung (Art. 104a ff. GG) Grenzen für Abgaben, die der Gesetzgeber in Wahrnehmung einer ihm zustehenden Sachkompetenz auferlegt. Die Finanzverfassung, die die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen im Wesentlichen – neben den Zöllen und Finanzmonopolen – nur für das Finanzierungsmittel der Steuer regelt, schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben verschiedener Art zwar nicht aus; das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabetypen. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden könnten und damit zugleich ein weiterer Zugriff auf die Ressourcen der Bürger eröffnet würde. Die Finanzverfassung des Grundgesetzes schützt insofern auch die Bürger“.
Hieran anknüpfend formuliert das BVerfG in st. Rspr. drei grundlegende Prinzipien der Finanzverfassung, welche die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben begrenzen (vgl. auch BVerfGE 93, 319 [342 f.]; 108, 1 [16 f.]; 108, 186 [215 f.]; 110, 370 [387 f.]:
BVerfG, Urteil vom 6. 7. 2005 - 2 BvR 2335/95 u. 2391/95, Tz. 115:
„Zur Wahrung der Geltungskraft der Finanzverfassung bedürfen nichtsteuerliche Abgaben – über die Einnahmenerzielung hinaus oder an deren Stelle – einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden“.
BVerfG, Urteil vom 6. 7. 2005 - 2 BvR 2335/95 u. 2391/95, Tz. 116:
„Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger und wird schon als solcher zur Finanzierung der Lasten herangezogen, die die Gemeinschaft treffen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen“.
BVerfG, Urteil vom 6. 7. 2005 - 2 BvR 2335/95 u. 2391/95, Tz. 117:
„Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans (Art. 110 Abs. 1 GG) ist berührt, wenn der Gesetzgeber Einnahmen- und Ausgabenkreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushalts zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur so können Einnahmen und Ausgaben vollständig den dafür vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren unterworfen werden“.
Der sog. Rundfunkbeitrag unterscheidet sich in seiner Art nach nicht deutlich von der Steuer. Die Rundfunkbeitragspflicht für den privaten Bereich knüpft gemäß § 2 Abs. 1 RBStV an das Innehaben einer Wohnung an. In der gleichen Weise knüpft bspw. die persönliche Einkommenssteuerpflicht § 1 Abs. 1 S. 1 EStG an einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt im Inland an. Da das EStG keine Legaldefinition des Begriffes „Wohnsitz“ enthält, ist auf die Legaldefinition in der AO zurückzugreifen (Blümich/Rauch, § 1 EStG [124. Auflage, 2014] Rz. 145). Gemäß § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Mit der Anknüpfung des § 2 Abs. 1 RBStV ist der Kreis der Rundfunkbeitragspflichtigen somit nahezu konturenlos und geht in der Allgemeinheit der (Einkommens-)Steuerpflichtigen auf. Die mit einer Sonderabgabe, wie sie der Rundfunkbeitrag darstellt, eingeforderte Finanzverantwortung (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 11. 10. 1994 – 2 BvR 633/86 = BVerfGE 91, 186 [203 ff.] – Kohlepfennig) findet keine homogene Gruppe vor, die eine besondere Sachnähe zur Rundfunkversorgung/-nutzung begründet. Vielmehr ist die Rundfunkversorgung ein Interesse der Allgemeinheit, das deshalb – in Anknüpfung an das Kohlepfennig-Beschluss – als Gemeinlast durch Steuer finanziert werden muss. Oder, um es in abgewandelter Form mit den Worten des Kohlepfennig-Beschlusses (vgl. BVerfGE 91, 186 [206]) zu sagen: Das Interesse an einer Rundfunkversorgung ist heute so allgemein wie das Interesse am täglichen Brot. Die Befriedigung eines solchen Interesses ist eine Gemeinwohlaufgabe des Parlaments, das Finanzierungsinstrument die Gemeinlast der Steuern.