Grundsätzlich ist ein Richter daran gehindert, einen Sachverhalt unter fachlichen, also nicht juristischen, Gesichtspunkten selbst zu beurteilen, da ihm regelmäßig die hierfür erforderliche Fachkompetenz fehlen dürfte. Läßt sich ein Richter dennoch dazu hinreißen, über die fachlichen Aspekte eines Sachverhalts zu befinden, ohne hierzu seine diesbezügliche Qualifikation nachzuweisen (z. B. bei Bauschäden hat der Richter hat vor /nach /neben dem Jurastudium auch einen Abschluß als Bauingenieur vorzuweisen), so darf und muß er in seine Schranken verwiesen und auf die Sachaufklärung durch Sachverständigengutachten nachdrücklichst gefordert werden.
Der Eingangsbeitrag gliedert sich jedoch in zwei wesentliche, aber grundsätzlich verschiedene Voraussetzungen für eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag:
1. Die Befreiung aus sozialen Gründen wegen geringen Einkommens
In Fragen des Rundfunkbeitrags ist niemand verpflichtet, vor Gericht seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse auszubreiten. Sollte ein Richter dies dennoch verlangen, so sollte er eingehend auf seine profunde Kenntnis des SGB II befragt werden und dann, wenn er z. B. die Höhe des Schonvermögens und der Freibeträge nicht sofort herbeten kann, mit der Unzulässigkeit seines Ansinnens konfrontiert werden. Der Richter darf eine Einkommensprüfung dann nur durch Sachverständige, also durch die dafür prädestinierten Sozialbehörden im Wege der Amtshilfe, vornehmen lassen. Verweigert der Richter dies, so darf durchaus auch auf eine hierin liegende mögliche Rechtsbeugung hingewiesen werden.
In dem Fall unter
HILFE! Die Stadt Wuppertal vollstreckt GEZ-Forderungenhttps://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21984.0ist in der mündlichen Verhandlung vor dem VG Düsseldorf am 02.07.2019 vereinbart worden, daß die Klägerin, die keine Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen möchte, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse durch das Sozialamt der Stadt Wuppertal auf das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Befreiung, also die Vergleichbarkeit mit einem Bezieher von Sozialhilfeleistungen, überprüfen läßt und das Ergebnis dem WDR mitteilt. Das Sozialamt der Stadt Wuppertal hat daraufhin nach eingehender Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin und der Bedarfsgemeinschaft mit ihrem Ehemann festgestellt, daß diese Anspruch auf Sozialhilfeleistungen und damit auf die Befreiung vom Rundfunkbeitrag haben.
Der WDR hat sich daraufhin angemaßt, die Befreiung zu verweigern, weil das Schreiben des Sozialamts der Stadt Wuppertal kein Bewilligungsbescheid über Sozialhilfeleistungen sei. Daraufhin hat die Klägerin Verpflichtungsklage vor dem VG Düsseldorf erhoben, mit der der WDR zur Befreiung verpflichtet werden soll. Das Verfahren ist noch anhängig.
Bereits im 18. Informationsfreiheitsbericht der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit
Nordrhein-Westfalen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Dezember 2006 wird auf Seite 31 ausgeführt:
Eine weitere Verschlechterung für den Datenschutz brachte der 8. RÄStV bei den Regelungen der Gebührenbefreiung. Die Betroffenen müssen derzeit die Gebührenbefreiung direkt bei der GEZ beantragen und dazu ihren Sozialhilfebescheid im Original oder in Form einer beglaubigten Abschrift der GEZ übersenden. Diese Regelung beeinträchtigt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen. Mit dem Bescheid erhält die GEZ eine Vielzahl von sensiblen Sozialdaten, die sie für eine Entscheidung über die Gebührenbefreiung überhaupt nicht benötigt. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben sich mit den Rundfunkdatenschutzbeauftragten auf einen gemeinsamen Vorschlag zur Änderung der Regelung geeinigt. Der Nachweis für die Vorraussetzungen der Gebührenbefreiung soll auch über eine Bestätigung des Leistungsträgers möglich werden, so dass der ganze Bescheid nicht mehr an die GEZ versendet werden muss.
Hervorhebung wurde hinzugefügt
Diese Regelung gilt also in allen Bundesländern gleichermaßen, und das seit nunmehr 15 Jahren - nur der WDR weiß offenbar nichts davon.
Auf die o. a. Regelung kann sich aber auch jeder Kläger gegenüber einem zu wißbegierigen Richter am VG berufen. Denn der Richter hat nur Anspruch zu erfahren. ob die Befreiungsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Hierzu darf er nicht die Einkommens- und Vermögensdaten des Betroffenen abfragen, denn er benötigt diese nicht für eine Entscheidung. Er benötigt lediglich die Aussage bzw. Bestätigung einer Sozialbehörde über deren entsprechende Feststellungen.
2. die Befreiung aus Gewissensgründen oder als Nichtnutzer aus anderen Gründen
Dieser Gesichtspunkt ist vor allem unter dem Blickwinkel des Art. 5 Abs. 1 GG zu betrachten. In das hier garantierte Grundrecht auf Informationsfreiheit darf nur aufgrund eines
allgemeinen Gesetzes eingegriffen werden. Der RBStV ist aber kein allgemeines Gesetz, sondern eine spezialgesetzliche Regelung zur Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, so daß nach diesseitiger Auffassung auf der Grundlage des RBStV nicht in die Informationsfreiheit eingegriffen und der Nichtnutzer (aus welchen Gründen auch immer) nicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags verpflichtet werden darf.
Diese Frage wurde mit der Verfassungsbeschwerde 1 BVR 281/20 dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Ich zitiere aus der Beschwerdebegründung:
Das Urteil des VG Düsseldorf verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Informationsfreiheit. Das Gericht vertritt die Rechtsauffassung, daß eine durch die Belastung mit dem Rundfunkbeitrag bewirkte Beschränkung des Zugangs zu anderen Informationsquellen hinzunehmen sei, um den unmittelbar durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Bestand des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und dessen Entwicklung zu gewährleisten.
Nach dem Wortlaut des Art. 5 Abs. 1 GG hat der Beschwerdeführer das Grundrecht, sich ungehindert aus allgemein zugänglichen Quellen zu unterrichten. Die Frage der Vereinbarkeit des Rundfunkbeitrags mit dem Recht, sich unabhängig und ohne staatlichen Zwang die Informationsquellen selbst wählen zu dürfen, ist für den Beschwerdeführer aber von herausragender Bedeutung. Der Beschwerdeführer soll nämlich auf der Grundlage des RBStV gezwungen werden, monatlich 2,42 % der ihm nach Abzug der Wohnkosten und des Existenzminimums verbleibenden frei verfügbaren Geldmittel für den Empfang des Fernsehprogramms an den Beklagten zu entrichten, obwohl der Beschwerdeführer weder ein entsprechendes Empfangsgerät besitzt, noch überhaupt Interesse daran hat, sondern das ihm zwangsweise abverlangte Geld lieber für den Kauf Printmedien verwenden würde.
Der Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Informationsfreiheit ist aber nur auf der Grundlage eines allgemeinen Gesetzes möglich. Der RBStV ist aber kein allgemeines Gesetz, sondern vielmehr eine gezielte Regelung im vorbehaltsfrei gestellten Schutzbereich des Grundrechtes zur Beeinflussung der Informations- und Meinungsfreiheit und des Auswahlverhaltens des Bürgers. Durch ein derartiges Spezialgesetz darf aber die Informationsfreiheit des Einzelnen, und damit auch die des Beschwerdeführers, gerade nicht eingeschränkt werden.
Der RBStV ist ein gezielter Eingriff in den Schutzbereich der Informationsfreiheit. Schließlich verpflichtet er den Bürger zur Zahlung für eine bestimmte Informationsquelle.Damit aber ist der RBStV kein allgemeines Gesetz, sondern eine spezialgesetzliche Regelung zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Das Bundesverfassungsgericht hat der Pressefreiheit stets einen hohen Stellenwert eingeräumt. In seiner Entscheidung (1 BvR 46/65, Beschluß vom 03.10.1969) zur Leipziger Volkszeitung*** betonte es auch den hohen Wert der Beschaffungsfreiheit. Aber gerade diese Beschaffungsfreiheit wird durch die Rundfunkabgabe teils massiv eingeschränkt, weil denjenigen, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht als Informationsquelle nutzen möchten und deshalb auch keine entsprechenden Empfangsgeräte besitzen, die für die Beschaffung anderer Informationsquellen notwendigen finanziellen Mittel zumindest teilweise entzogen werden. Diese Einschränkung der Beschaffung von Informationen aus alternativen Quellen hat das Bundesverfassungsgericht schließlich in Bezug auf die Informationsfreiheit als verfassungswidrig angesehen.
Schließlich dürfte durch die spezialgesetzliche Regelung des RBStV und die Belastung auch des Nichtnutzers mit der Rundfunkabgabe auch die Pressefreiheit der Verlage in unzulässiger eingeschränkt sein. Die für denBestand der Presseverlage notwendigen Käufer der Verlagserzeugnisse verfügen durch die Belastung mit der Rundfunkabgabe zumindest über weniger Mittel für den Kauf von Zeitungen, so daß die Belastung der Bürger mit dem Rundfunkbeitrag zu einem Umsatzrückgang und damit zu einer, möglicherweise existenzgefährdenden, Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Presseverlage führen kann.
Sollte sich das BVerfG dieser Sichtweise anschließen, so bedarf es keiner "Gewissensprüfung", weder durch den Richter noch durch irgendeine andere Institution, so daß letztendlich dann wieder, wie schon bei der verblichenen Rundfunkgebühr, nur die tatsächliche Nutzung eine Zahlungspflicht auslösen kann. Über Art. 5 Abs. 1 GG wäre das Innehaben einer Wohnung dann nicht mehr allein Auslöser für die Pflicht zur Zahlung des Rundfunkbeitrags.
Warten wir also ab, was die Verfassungsrichter in Karlsruhe dazu zu sagen haben. Die o. a. Verfassungsbeschwerde wurde Mitte Februar ins Verfahrensregister eingetragen - mit jedem Tag steigt seitdem die Hoffnung, daß sie auch tatsächlich zur Entscheidung angenommen wird.
***Edit "Bürger": Der Wichtigkeit und mehrfachen Erwähnung im Forum wegen, wurde zur Leipziger-Volkszeitung-Entscheidung des BVerfG ein eigenständiger Thread eröffnet - siehe und diskutiere unter
BVerfG, Leipziger-Volkszeitung-Entscheid.: Informations-/Rezipientenfreiheit
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=36695.0