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Autor Thema: BVerfG Urteil 18.7.18 > Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts  (Gelesen 4826 mal)

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  • Ersatzmaßstab Wohnung: das BVerfG erklärt die Welt
Die Maßstäbe des Bundesverfassungsgerichts

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kennt diverse Maßstäbe. Z. B. den

- gleichheitskonformen Maßstab bei der Beschäftigtenzahl (RN 30)
- verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab (RN 64)
- den Veranlagungsmaßstab des Beitrags (RN 69)

Vor allem aber den Wirklichkeitsmaßstab und den Ersatzmaßstab, ersatzweise den Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Bei der Verwendung der vielen Maßstäbe sind dem Gericht diese ziemlich verrutscht bzw. völlig abhanden gekommen. So gibt es noch den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten und wahrscheinlichsten Maßstab. Aber auch ein Pro-Kopf-Maßstab wäre verfassungsrechtlich zulässig gewesen. Wobei offen bleibt, ob ein Pro-Kopf-Maßstab ein Wirklichkeitsmaßstab, ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab oder wenigstens ein Ersatzmaßstab wäre. Sicher ist nur, in der Gewissheit mit der Richter des BVerfG zu faseln pflegen, dass ein solcher Maßstab mindestens die Privatsphäre schonen würde, weil er eine Zuordnung von Personen zu Wohnungen entbehrlich machte. Ein Gesetzgeber muss seine Maßstäbe, die er offenbar nach belieben wählen darf, je nach Kontext einmal mit der Wirklichkeit abstimmen, ein anderes Mal aber ganz und gar nicht.

RN 70: Bei der beitragsrechtlichen Vorteilsbemessung hat sich der Gesetzgeber an einem Wirklichkeitsmaßstab oder zumindest an einem Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu orientieren. Zwar besteht keine Verpflichtung, den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten und wahrscheinlichsten Maßstab zu wählen. Gleichwohl ist der Gesetzgeber jedoch auf einen solchen Maßstab beschränkt, der einen einigermaßen sicheren Schluss auf den Vorteil zulässt oder einen solchen wenigstens wahrscheinlich macht (vgl. BVerfGE 123, 1 <20 f.>).

RN 88: Der Gesetzgeber muss keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen (vgl. BVerfGE 123,1 <20 f.> und oben Rn. 70).

RN 101: Diese gesetzgeberische Annahme genügt weder einem Wirklichkeits- noch einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Beitragsbemessung auf Grundlage eines Wirklichkeitsmaßstabs kommt nicht in Betracht, da sich der Vorteil aus der tatsächlichen Rundfunknutzung innerhalb einer Wohnung nicht messen lässt. Es kann nicht festgestellt werden, wer in einer Wohnung in welchem Umfang das Rundfunkangebot tatsächlich nutzt (ebenso im Ergebnis BVerwGE 154, 275 <294 Rn. 46 f.>). Die Annahme, dass sich unterschiedliche Nutzungsarten und -gewohnheiten innerhalb der Wohnung ausglichen, genügt auch nicht einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab.


Eine ausreichende Verwirrung des betroffenen Publikums ist jedenfalls gesichert. Denkt das doch, der einzige Maßstab sei das Recht in Form des Grundgesetzes. Aber nein, gilt es doch mit dem höchst-richterlichen Spruch höheren Zielen zu dienen. Schließlich geht es um Rundfunk, öffentlich-rechtlichen Rundfunk noch dazu. Der Rundfunk, dieses Bollwerk der Demokratie, der die schwere Bürde faktenbasierter, wahrheitsgetreuer, ausgewogener und umfassender Information trägt, an diesem eigenen Maßstab aber prinzipbedingt ständig scheitert. Dieser Rundfunk muss von allen finanziert werden, koste es was es wolle. Dass die Glaubwürdigkeit von Rundfunkanstalten, Politikern und Verwaltungsgerichten längst zum Teufel ist, Gerichte über Entscheidungen zum sogn. Rundfunkbeitrag auch von Ex-Kollegen wie Dr. Martin Pagenkopf massiv kritisiert werden, - egal. Wieder einmal zeigt das Bundesverfassungsgericht, wem seine Urteile vor allem dienen. Heute jubeln die einen, während nachdenklichere Leute eine Erosion rechtsstaatlicher Prinzipien und grenzenlose Gier der ÖR-Anstalten befürchten. Morgen, spätestens übermorgen aber ist das Thema nicht mehr so hipp. Das wissen die Richter am BVerfG natürlich, die sich deshalb keine Sorgen um ihren Ruf machen.

Was sind 1.000 Juristen auf dem Meeresgrund? Ein guter Anfang!

M. Boettcher


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Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.

  • Beiträge: 979
  • So hatten sie es sich auch diesmal wieder gedacht.
Interessante Zusammenstellung, danke @ docboe...
...
Zitat
RN 70: Bei der beitragsrechtlichen Vorteilsbemessung hat sich der Gesetzgeber an einem Wirklichkeitsmaßstab oder zumindest an einem Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu orientieren. Zwar besteht keine Verpflichtung, den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten und wahrscheinlichsten Maßstab zu wählen. Gleichwohl ist der Gesetzgeber jedoch auf einen solchen Maßstab beschränkt, der einen einigermaßen sicheren Schluss auf den Vorteil zulässt oder einen solchen wenigstens wahrscheinlich macht (vgl. BVerfGE 123, 1 <20 f.>).

RN 88: Der Gesetzgeber muss keinen Wirklichkeitsmaßstab wählen, sondern kann auch einen Ersatz- oder Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde legen und damit auch auf die tatsächlich überwiegende Nutzung in der Wohnung abstellen (vgl. BVerfGE 123,1 <20 f.> und oben Rn. 70).

RN 101: Diese gesetzgeberische Annahme genügt weder einem Wirklichkeits- noch einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Eine Beitragsbemessung auf Grundlage eines Wirklichkeitsmaßstabs kommt nicht in Betracht, da sich der Vorteil aus der tatsächlichen Rundfunknutzung innerhalb einer Wohnung nicht messen lässt. Es kann nicht festgestellt werden, wer in einer Wohnung in welchem Umfang das Rundfunkangebot tatsächlich nutzt (ebenso im Ergebnis BVerwGE 154, 275 <294 Rn. 46 f.>). Die Annahme, dass sich unterschiedliche Nutzungsarten und -gewohnheiten innerhalb der Wohnung ausglichen, genügt auch nicht einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab.
...

...die gleichfalls einige strinrunzelnde Fragen aufzuwerfen geeignet sein könnte:

1. Ist das deutsche Bundesverfassungsgericht eigentlich an seine eigenen, für andere (hier: Gesetzgeber) erklärten Massstäbe gebunden, oder nicht, dürfen die Herrschaften nach "Gefühl und Wellenschlag" arbeiten? Im lt. Fall wären ja einige Fragen als beantwortet anzusehen...

2. Wie ist denn das Verhältnis zwischen "Wirklichkeit", "Ersatz" und "Wahrscheinlichkeit" definiert? Es ist doch irgendwie drollig, erst einen Wirklichkeitsmassstab auszuschließen, dann aber zu behaupten (vgl. " die *tatsächlich* überwiegende Nutzung...") dass die "Wirklichkeit" aus Ersatz- bzw. Wahrscheinlichkeitsmaßstab als ableitbar zu sehen sei. Nur die Wirklichkeit ist doch wohl *tatsächlich*? Wenn es anders wäre, müßte doch jeder Lebensversicherungsnehmer jederzeit seine volle Versicherungssumme vom Konzern einfordern können?

3. Der vllt. wichtigste Punkt, bezogen auf RN 110: Wenn das BVerfG feststellt: " da sich der Vorteil aus der tatsächlichen Rundfunknutzung innerhalb einer Wohnung nicht messen lässt. Es kann nicht festgestellt werden, wer in einer Wohnung in welchem Umfang das Rundfunkangebot tatsächlich nutzt (ebenso im Ergebnis BVerwGE 154, 275 <294 Rn. 46 f.>). Die Annahme, dass sich unterschiedliche Nutzungsarten und -gewohnheiten innerhalb der Wohnung ausglichen, genügt auch nicht einem Wahrscheinlichkeitsmaßstab" wie kann es sich dann gleichzeitig der Argumentation in genau dieser Richtung bedienen bzw. auf Grundlage einer derartigen Nebulösität die Gerechtigkeit dessen "postulieren", dass Alleinlebende völlig zu Recht das doppelte, drei, fünf- oder zehnfache an "Rundfunkbeitrag" zu zahlen hätten ggü. Wohnkollektiven welcher Art auch immer? Dass das BVerfG nicht auch da gesagt hat, er/sie müsse ja nicht allein leben, sondern hätte ja die *Möglichkeit*... liegt das evtl. nur daran, dass es sich damit unübersehbar in das Recht auf individuelle Lebensgestaltung eingemischt, also offensichtlich selbst gegen das Grundgesetz verstoßen hätte, und deshalb auch bzgl. Alleinlebender solch' ein Geschwurbel vom Stapel gelassen hat?

Auch wenn ein fiktiver besucher mmtn. nicht die Zeit findet, nach dem entspr. Passus im Urteil zu suchen, möchte ihm das - dass also Alleinlebende zu Recht das x-Fache zu zahlen haben - dennoch ein weiteres Mal als Ausdruck schlichter Willkür vorkommen - wenngleich aus dem genannten Grunde auch erstmal nur als Gefühl.

PS: Eine Bitte, @lieber docboe, hätte vmtl. nicht nur ein fiktiver Besucher: Bitte habe in Zukunft doch nicht so viel Recht wie bislang :-) (vgl. Dein zumindest sinngem. Statement von vor ein paar Monaten, das Bundesverfassungsgericht sei nicht die Lösung des Problems sondern [wesentlicher] Teil dessen). Z. Th. u. a. EuGH hattest Du Dich ja auch schon entspr. zu Worte gemeldet - wenn die das nun auch noch lesen (wie womgl. vorher die Herren vom BVerfG), sehe ich Schwarz.


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"Es ist dem Untertanen untersagt, das Maß seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen." - v. Rochow

"Räsoniert, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht!" - Dieser Wunsch Friedr. II. ist wohl der Masse immer noch (oder wieder) Musik in ihren Ohren...

"Macht zu haben, heißt, nicht lernen zu müssen" - Karl Werner Deutsch. Der muss unsere Anstalten & die dt. Verwaltungsgerichtsbarkeit gekannt haben.

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  • So hatten sie es sich auch diesmal wieder gedacht.
Das gilt aber vllt. nicht uneingeschränkt...

Zitat
...
Was sind 1.000 Juristen auf dem Meeresgrund? Ein guter Anfang!
...

Es kommt wohl ziemlich auf die "Sorte" an. Denn Karl Marx, Lenin & auch Fidel Castro waren schliesslich Juristen, und auch solche wie Dr. Sprißler oder Dr. Pagenkopf - stv. für zumindest einige bis eine ganze Anzahl anderer genannt - sollten uns erhalten bleiben :-). Vvst. genannt noch: Kurt Tuchol-sky ("Man kann den Hintern schminken wie man will, es wird kein ordentliches Gesicht daraus") & auch Klaus Staeck (~80 J.) mit seinen 40 gegen Konzerne etc. gewonnenen Strafprozessen wegen seiner "entarteten" Kunst.

OT: Der seinerzeit vom Werte-Westen geförderte Pol Pot (in F studiert) hingegen war dem Vernehmen nach Lehrer.

Aber thematische Vertiefungen wären wohl an anderer Stelle besser aufgehoben...


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 19. Juli 2018, 12:40 von Besucher«
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"Räsoniert, soviel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht!" - Dieser Wunsch Friedr. II. ist wohl der Masse immer noch (oder wieder) Musik in ihren Ohren...

"Macht zu haben, heißt, nicht lernen zu müssen" - Karl Werner Deutsch. Der muss unsere Anstalten & die dt. Verwaltungsgerichtsbarkeit gekannt haben.

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  • Ersatzmaßstab Wohnung: das BVerfG erklärt die Welt
Ich möchte noch den gleichheitskonformen Maßstab hervorheben. konform bedeutet, dass eine Sache mit einer anderen übereinstimmt, ihr also gleicht. Bzw. bei Messungen, dass das Messgerät, damit der eingesetzte Maßstab, mit der gesetzlichen Norm übereinstimmt. Nur dann ist die Messung, bei korrekter Durchführung, eindeutig und vergleichbar.

Was es nun bedeuten soll, dass die Gleichheit, die offenbar messbar ist (ist sie das wirklich?), der gesetzlichen Norm entsprechen soll, wenn es doch gang und gäbe ist diese Norm auszulegen, verschließt sich mir. U. a., weil durch teleologische Auslegung, also die nach dem Sinn eines Gesetzes, der eigentliche Regelungsgedanke in sein totales Gegenteil verkehrt wird. Das BVerfG ist darin ein wahrer Meister. Ich verweise dazu auf
Die Zukunft der GEZ: Kommt die Kopfpauschale?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,27567.msg174332.html#msg174332
wo ich erläuterte, dass das BVerfG eine selten klar formulierte Regelung zum Ersatzdienst in sein Gegenteil umdeutete. Seit dieser Zeit, also seit 1985, ist das BVerfG für mich das Synonym für die Rechtsverdrehung zu Gunsten staatlicher Institutionen. Meine Erwartungen an Urteile des BVerfG sind daher nie sonderlich hoch. Dies zeigt sich m. E. auch im Fall des sogn. Rundfunkbeitrags, der allen Regeln, auch der Entscheidungen des BVerfG zu Beiträgen, Hohn spricht, sich aber im Ergebnis mit dem deckt, was ich stets vermutet habe. Nämlich das völlig unabhängig von den Formulierungen im Gesetz dieses (weitgehend) höchstrichterlich bestätigt werden würde.

NB: Zu Dr. Sprißler, Dr. Pagenkopf und einigen anderen, denen durchaus mein Respekt gilt, gerade weil sie wider die eigene Zunft anrennen: man sagt ja, dass eine Schwalbe keinen Sommer macht. Mein gut gefestigtes Vorurteil bezüglich Juristen im allgemeinen und denen am BVerfG wird durch diese Einzelfälle überlegten Handelns abseits ausgetretener Pfade eigentlich nicht erschüttert.

M. Boettcher


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 09. Januar 2019, 21:08 von DumbTV«
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h
  • Beiträge: 304
Noch ein Punkt zum Thema:
Bei der Beurteilung von Ungleichbehandlungen greift das BVerfG nach meiner Kenntnis immer auf die von ihm selbst in ständiger Rechtssprechung entwickelten Typisierungsbedingungen zurück.
Zitat
Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. zur steuerlichen Belastung BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>; 123, 1 <19>). Die Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>; 126, 233 <263 f.>).

z.B.: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/06/lk20160616_1bvl000914.html Rn 20

Dass eine Benachteiligung von Alleinlebenden/-erziehenden bei einem wohnungsbezogenen (versus personenbezogenen) Beitrag existiert, gibt das BVerfG selbst zu. Ein Beschwerdeführer hat in der Verfassungsbeschwerde und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass jede einzelne dieser Typisierungsbedingungen verletzt ist (z.B. Anzahl der Alleinlebenden-/-erziehendenhaushalte >40%).

Trotzdem hat das BVerfG den von ihm selbst in ständiger Rechtssprechung entwickelten Kriterienkatalog in seinem Urteil mit keinem Wort erwähnt.

Ist das BVerfG nicht an seine eigenen Rechtsgrundsätze gebunden? Oder werden diese Kriterien nur angewendet, wenn das Ergebnis zum politischen Willen passt?


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 19. Juli 2018, 16:00 von DumbTV«

M
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Danke @drboe für die klugen Denkanstöße und Analysen!
(Bitte lassen Sie sich nicht in Untiefen ziehen, dort ist der Schlamm (und schlechter Witz).) ;)
Zitat
Da, wo ich her herkomm‘, Wohnen eintausend Menschen.
Quelle: https://www.goethe.de/ins/us/saf/pro/stepintogerman/dmu/Max_Giesinger_WS.pdf  ;)

gebunden? Oder
Zitat
Das Grundgesetz sieht der Vizepräsident als einen „offenen Rahmen“ an. Auch wenn Kirchhof sich nicht für einen Politiker hält, das Land steht vor Herausforderungen, die auch in Karlsruhe Kreativität erfordern.
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/verfassungsrichter-ferdinand-kirchhof-der-professor-1957369.html (Hervorhebung nich im Orginal)
Zitat
Kanzlerin Merkel: “Wir leben ja in einer Demokratie und das ist eine parlamentarische Demokratie und deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments und insofern werden wir Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.”
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/margareth-gorges/merkel-201emarktkonforme-demokratie201c (Hervorhebung nich im Orginal)
Zitat
Die [Verantwortung] tragen wieder einmal Bundesrichter. Sie nehmen der Politik insgesamt eine unpopuläre Entscheidung ab. Eine Mehrheit der Bürger dürfte der Gedanke schmerzen, dass Firmen Milliarden verdienen, weil sie Müll hinterlassen dürfen, der über viele tausend Jahre hochgiftig bleibt.
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/urteil-des-bundesverfassungsgerichts-angela-merkel-haette-es-beim-ersten-atomausstieg-belassen-sollen/14943416.html (Hervorhebung nich im Orginal)


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M
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Dann zitiere ich mal (m)einen "Lieblingsatz" aus dem Urteil ohne Grundgesetz Rn70:
Zitat
Zwar besteht keine Verpflichtung, den zweckmäßigsten, vernünftigsten, gerechtesten und wahrscheinlichsten Maßstab zu wählen.  [/size]
Quelle: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Downloads/DE/2018/07/rs20180718_1bvr167516.pdf?__blob=publicationFile&v=1

Also: - kein Zweck - keine Vernunft - keine Gerechtigkeit - keine Wahrscheinlichkeit sollen walten,
sondern Etwas.
Nur was?  ???
Zitat
Maßstab beschränkt, der einen einigermaßen sicheren Schluss auf den Vorteil zulässt oder einen solchen wenigstens wahrscheinlich macht
??? :(


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 24. Juli 2018, 20:41 von DumbTV«

L
  • Beiträge: 353
Treffliche Analyse!

Nur woher kommt das viele Gerede von den Maßstäben aller Art?
Wirft man einen Blick in das berüchtigte Gutachten des Bruders des vorsitzenden Richters, so gibt es ein eigenes Kapitel zum "Wahrscheinlichkeitsmaßstab" (D 4. d., Seite 58 f.)

Doch bereits auf Seite 20 des Gutachtens kann man lesen:
Zitat
Die gesetzlichen Maßstäbe für die Berechnung der erforderlichen Mittel dürfen nicht so detailgenau sein, dass die rundfunkautonome Entscheidung über Programm und Programmumfang damit vorweggenommen wäre. Exakte Maßstäbe würden die Art und Weise der Funktionserfüllung festlegen; dieses wäre nicht mehr Gebrauch einer Freiheit, sondern Vollzug eines vorgegebenen Programms, stünde damit im Widerspruch zu der Freiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG.
Quelle: Paul Kirchhof: Gutachten über die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, erstattet im Auftrag der ARD, des ZDF und D Radio, Heidelberg 2010



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Bei der Beurteilung von Ungleichbehandlungen greift das BVerfG nach meiner Kenntnis immer auf die von ihm selbst in ständiger Rechtssprechung entwickelten Typisierungsbedingungen zurück.

Zitat
Die Vorteile der Typisierung müssen im rechten Verhältnis zu der mit ihr notwendig verbundenen Ungleichheit stehen (vgl. zur steuerlichen Belastung BVerfGE 110, 274 <292>; 117, 1 <31>; 120, 1 <30>; 123, 1 <19>). Die Typisierung setzt voraus, dass die durch sie eintretenden Härten und Ungerechtigkeiten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>; 126, 233 <263 f.>).

z.B.: https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2016/06/lk20160616_1bvl000914.html Rn 20

Ist das BVerfG nicht an seine eigenen Rechtsgrundsätze gebunden? Oder werden diese Kriterien nur angewendet, wenn das Ergebnis zum politischen Willen passt?

In der Tat merkwürdig, wenn man mal die Aussage des Urteils vom 18.7.18 unter Rn. 88 zum Vergleich nimmt:
Zitat
[...]
Allerdings wäre auch ein anderer, insbesondere ein Pro-Kopf-Maßstab, verfassungsrechtlich zulässig gewesen, der jede und jeden in Deutschland Wohnhaften zu einem vollen Beitrag herangezogen hätte, vorbehaltlich von Befreiungen aus sozialen Gründen. Ein solcher Maßstab würde mindestens ebenso die Privatsphäre schonen, weil er eine Zuordnung von Personen zu Wohnungen entbehrlich machte.
[...]

Bei ca. 41% Singlehaushalten in der BRD dürfte die Ungleichbehandlungen wohl kaum eine nur verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen, sondern ca. 16 Mio. Bürger. Ferner wäre ja auch ein Pro-Kopf-Maßstab, verfassungsrechtlich zulässig gewesen. Wäre bei einer derartigen Masse von Benachteiligten ein Pro-Kopf-Maßstab nicht nur zulässig sondern zwingend geboten?


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Vielleicht wären wir zusammen in der Lage,
uns von diesen alten Zwängen zu befreien.
Oder ist die Welt für jetzt und alle Tage,
viel zu wahr, viel zu wahr um schön zu sein?

 
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