Archiv > Pressemeldungen Februar 2014
Grundsatzurteil Rundfunkbeitrag: Senioren und Behinderte zahlen
Sophia.Orthoi:
--- Zitat von: Dr. Johannes Dirschauer am 28. Februar 2014, 08:34 ---jenseits dass ich jedem Blinden und Gehörlosen eine Ermäßigung gönne oder natürlich die Befreiung, kommen doch auf einmal die Geräte wieder ins Spiel. Man fragt sich da nach der Logik. Pardon, ein Blinder bewohnt doch auch seine Wohnung, wie einer, sie bewohnt, der keine Geräte hat, aber voll zahlen muss.
--- Ende Zitat ---
Genau so ist es. Wenn der Maßstab der Besitz einer Wohnung ist, wenn die Abgabe unabhängig von der Nutzung ist, dann werden Nicht-Behinderte gegenüber Behinderte benachteiligt. Die Anstalten und ihre Gesetzgeber sind nicht konsequent.
Dr. Johannes Dirschauer:
So habe ich das nicht verstanden. Behinderte Menschen, wie ich eben auch, habe schon genug Nachteile. Aber verrückt finde ich, wenn der Gesetzgeber dann vorgibt, für welche Behinderungen es Ermäßigungen gibt. Ich zum Beispiel leide unter Gehirnwasserübrerdruck, daran wäre ich vor sechs Jahren fast gestorben. Meine Tochter kam zum Abschiednehmen zum Sterbebett des Vaters aus London, wo sie als aupair tätig war. Ein weiteres Ventil in meinem Kopf rettet mein Leben. Aber ich führe ein sehr reizarmes Zuhause, könnte weder Fernsehen noch Radio ertragen.
In meinem Beispiel wollte ich nur darauf aufmerksam machen, dass die Geräte doch eine Rolle spielen: als voraussetzunglos vorausgesetzt und dann bei den Ausnahmen, damit es nicht ganz kalt wird...
Sophia.Orthoi:
--- Zitat von: Dr. Johannes Dirschauer am 28. Februar 2014, 12:49 ---So habe ich das nicht verstanden. Behinderte Menschen, wie ich eben auch, habe schon genug Nachteile.
--- Ende Zitat ---
Das Thema hatten wir hier vor langem. Ein Urteil des Bundessozialgerichtes ( B 9 SB 2/00 R vom 28.6.2000) schaffte
den Nachteilausgleich für Behinderte ab, weil "die deutsche Bevölkerung unabhängig von Behinderungen nahezu vollständig Rundfunk hört und fernsieht" [sic]. Das abstruse Argument des Gerichtes ist so zu verstehen: da
der Behinderte auch dann Rundfunk konsumieren würde, wenn er nicht behindert wäre, ist der Nachteilausgleich ein Vorteil und ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Aus diesem Grund gibt es beim heutigen Rundfunkbeitrag *keinen*
Nachteilsausgleich. Die Ermäßigungen und Befreiungen sind anscheinend, weil Behinderte nachweislich weniger konsumieren können, weil der Blinde Radio und Fernsehen nur hören kann, weil der Taube nur das Fernsehen sehen
(aber nicht hören) kann, weil der Taubblinde weder hören noch sehen kann. Diese Ausnahmen sind wahrscheinlich
dafür geschafft, um den Beitrag von einer Steuer abzugrenzen. Ihnen wird es aber ebenso wie den anderen
etwas in Rechnung gestellt, weil sie eine "abstrakte Möglichkeit" haben.
Da aber jetzt das ganze völlig unabhängig von der Nutzung sein soll, sollte man die Voraussetzung, dass die
deutsche Bevölkerung unabhängig von Behinderungen nahezu vollständig Rundfunk hört und fernsieht, mit
der Voraussetzung ersetzten, dass die deutsche Bevölkerung unabhängig von Behinderungen nahezu vollständig
einen Dach über den Kopf hat. Und dann folgt man der Logik des Urteils und fragt man sich: warum sollen
Behinderte anders behandelt werden? Sie hätten doch auch dann ein Dach über den Kopf, wenn sie nicht behindert
wären.
Die Argumentation mag grausam klingen, aber es geht um die Logik. Wenn das Bundessozialgericht so argumentiert,
dann argumentiere ich genau so. Das irre besteht nicht in der Logik, sondern in der Voraussetzung, dass jeder
Rundfunk konsumiert, und in der Bindung von Wohnung mit Rundfunk. Man kann diese Argumentation als
reductio ad absurdum dieser Voraussetzung und dieser Bindung sehen.
Ich frage Dich: brauchst Du Rundfunk wegen Nachteilausgleich? Eben nicht! Du schreibst es: Rundfunk schadet Deiner
Gesundheit. Rundfunk schadet auch mir, der nicht behindert ist: es ist eine schädliche Droge. Aber wir müssen wegen
der "abstrakten Möglichkeit" zahlen, unabhängig davon, wie wir die Wirkung von Rundfunk betrachten. Es ist eben
ein Zwangsbeitrag.
Dr. Johannes Dirschauer:
Also,... wenn es um Logik geht, so heißt glaube ich der grundsatz der Logik so:
Alle Menschen sind sterblich
Sokrates ist ein Mensch
Also ist Sokratest sterblich
und heute so???:
Alle Menschen haben Geräte
Sokrates hat eine Wohnung
Sokrates muss für ARD, ZDF Deutschlandradio zahlen
Habe ich diese Logik recht verstanden???
Sophia.Orthoi:
--- Zitat von: Dr. Johannes Dirschauer am 28. Februar 2014, 15:50 ---Alle Menschen haben Geräte
Sokrates hat eine Wohnung
Sokrates muss für ARD, ZDF Deutschlandradio zahlen
Habe ich diese Logik recht verstanden???
--- Ende Zitat ---
Ja, so denken Politiker und die Anstalten :)
Beim Bundessozialgericht war die Argumentation gültig, aber nicht die
Prämissen (jeder konsumiert). Heute sind andere Prämissen falsch: wer
eine Wohnung hat, kann konsumieren, und allein für die Möglichkeit
muss man zahlen.
In einer Wohnung kann man konsumieren (wenn man die Geräte anschafft).
Auch manche Blinde können sehen (nach einer Operation). Muss man für
die Möglichkeit zahlen? Möglichkeit ist ein sehr schwammiger Begriff.
Während des vorigen Krieges war mit dem Tode bestraft, die Feindessendungen
zu hören. Allein mit dem Besitz einer Wohnung hatte man die abstrakte Möglichkeit,
in der Wohnung die BBC zu hören. So weit ich weiß, war nicht mal der Besitz eines
Kurzwellenempfängers verboten. Es ist eine sehr spätere Erfindung, dass man für
die Möglichkeit zahlen soll. In den Urteilen, die ich gelesen habe, zahlt man wegen
des Status als Teilnehmer, nicht wegen einer Möglichkeit.
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