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Autor Thema: EuGH C-516/19 - Begriffe ‚Kontrolle‘ und ‚öffentliche Stellen‘  (Gelesen 783 mal)

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Vorwort:
Diese Entscheidung wurde dem EuGH vom Verwaltungsgericht Berlin vorlegt und sie betrifft staatliche Beihilfen, insofern ist sie sinngemäß auch auf den Rundfunk Berlin-Brandenburg anwendbar.

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)
24. September 2020(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Staatliche Beihilfen – Art. 107 und 108 AEUV – Verordnung (EU) Nr.°651/2014 – Freistellung bestimmter Kategorien mit dem Binnenmarkt vereinbarer Beihilfen – Anhang I – Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) – Definition – Kriterium der Unabhängigkeit – Art. 3 Abs. 1 – Eigenständiges Unternehmen – Art. 3 Abs. 4 – Ausschluss – Indirekte Kontrolle von 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte durch öffentliche Stellen – Begriffe ‚Kontrolle‘ und ‚öffentliche Stellen‘“

In der Rechtssache C-516/19

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=231566&pageIndex=0&doclang=de&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=9662057

Rn. 44
Zitat
Zur Feststellung, ob von dem Begriff „öffentliche Stelle“ im Sinne von Art. 3 Abs. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 Einrichtungen wie Universitäten, Hochschulen sowie Industrie- und Handelskammern umfasst sein sollen, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union unabhängig von den in den Mitgliedstaaten verwendeten Begriffen eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen, die unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Kontexts der fraglichen Vorschrift und des mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgten Ziels gefunden werden muss (Urteil vom 5. Februar 2020, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Anmustern von Seeleuten im Hafen von Rotterdam], C-341/18, EU:C:2020:76, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 45
Zitat
Folglich ist, da Art. 3 Abs. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 nicht auf das nationale Recht verweist, der in dieser Bestimmung enthaltene Begriff „öffentliche Stelle“ als autonomer Begriff des Unionsrechts anzusehen, dessen Inhalt und Tragweite in sämtlichen Mitgliedstaaten identisch sein müssen. Daher ist es Aufgabe des Gerichtshofs, diesen Begriff in der Unionsrechtsordnung einheitlich auszulegen.

Rn. 46
Zitat
Was erstens den Wortlaut von Art. 3 Abs. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 betrifft, ist die Bedeutung und Tragweite des Begriffs „öffentliche Stelle“, da weder diese Vorschrift noch eine andere Vorschrift dieser Verordnung, insbesondere nicht ihr Art. 2, eine Definition dieses Begriffs enthält, entsprechend seinem üblichen Sinn nach dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu bestimmen (vgl. entsprechend Urteil vom 5. Februar 2020, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Anmustern von Seeleuten im Hafen von Rotterdam], C-341/18, EU:C:2020:76, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 47
Zitat
Nach seinem üblichen Sinn ist der Begriff „öffentliche Stelle“ als Bezugnahme auf den Staat, Gebietskörperschaften und Stellen, die eingerichtet wurden, um spezifisch Bedürfnisse des Allgemeininteresses zu erfüllen, Rechtspersönlichkeit besitzen und vom Staat, von Gebietskörperschaften oder anderen öffentlichen Stellen mehrheitlich finanziert bzw. direkt oder indirekt kontrolliert werden, zu verstehen.

Rn. 48
Zitat
Daraus ergibt sich, dass Art. 3 Abs. 4 des Anhangs I der Verordnung Nr. 651/2014 sämtliche Einrichtungen und Behörden umfassen soll, die der öffentlichen Hand zuzuordnen sind.

Rn. 50
Zitat
In dieser Hinsicht ist der Kommission darin zuzustimmen, dass die Richtlinie 2006/111, die bezweckt, den Mitgliedstaaten eine Reihe von Verpflichtungen aufzuerlegen, um die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen ihnen und den öffentlichen Unternehmen zu gewährleisten, den Begriff „öffentliche Hand“ in Art. 2 Buchst. a dahin definiert, dass er neben dem Staat die regionalen und lokalen sowie alle anderen Gebietskörperschaften umfasst.

Rn. 52
Zitat
Daraus folgt, dass der in dieser Bestimmung genannte Begriff „öffentliche Stelle“ dahin zu verstehen ist, dass er alle Einrichtungen oder Behörden der öffentlichen Hand umfasst, einschließlich der Gebietskörperschaften und der besonders zur Erfüllung von Bedürfnissen des Allgemeininteresses geschaffenen Stellen, die eine Rechtspersönlichkeit besitzen und überwiegend durch den Staat, durch Gebietskörperschaften oder andere öffentliche Stellen finanziert bzw. direkt oder indirekt von ihnen kontrolliert werden.

Rn. 67
Zitat
Eine Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass zwischen einzelnen Unternehmen strukturelle Verflechtungen bei Beteiligungen und Stimmrechten bestehen, schließt es aus, diese Unternehmen als voneinander wirtschaftlich unabhängig anzusehen, da sie einem Unternehmen unabhängig von seinem tatsächlichen Verhalten die Möglichkeit bietet, auf geschäftliche Entscheidungen eines anderen Unternehmens Einfluss zu nehmen (vgl. entsprechend Urteil vom 2. April 2009, Glückauf Brauerei, C-83/08, EU:C:2009:228, Rn. 32 bis 34).
ARD, BS, LRA und Co. sind wirtschaftlich miteinander verflochten, per Unionsdefinition daher "wirtschaftlich voneinander abhängig", ergo unionsrechtlich als ein Unternehmen anzusehen, was national damit kollidieren könnte, daß das Land seine Aufgaben mit eigenen Mitteln selbst finanzieren muß.

BVerfGE 114, 196 - Landeseigenverwaltung ist nicht länderübergreifend
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,29991.msg187767.html#msg187767

Eine landesrechtliche Bestimmung ist nach Landesrecht zu beurteilen
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23914.msg152069.html#msg152069

Rn. 70
Zitat
Somit folgt sowohl aus dem Wortlaut dieser Bestimmung als auch dem Kontext, in dem sie steht, sowie dem Ziel, das mit ihr und der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt wird, dass sich ausschließlich aus der Höhe der Beteiligung der öffentlichen Stellen am Kapital oder den Stimmrechten des betreffenden Unternehmens ergibt, ob eine Kontrolle im Sinne der genannten Bestimmung besteht.

Rn. 71
Zitat
Folglich liegt eine solche Kontrolle bereits dann vor, wenn öffentliche Stellen gemeinsam, sei es auch indirekt, gemäß der Satzung des Unternehmens, das die direkte Kontrolle über das betreffende Unternehmen ausübt, mindestens 25 % des Kapitals oder der Stimmrechte des betreffenden Unternehmens halten, ohne dass darüber hinaus zu prüfen wäre, ob diese Stellen in der Lage sind, zu beeinflussen und zu koordinieren, wie ihre Stimmrechte tatsächlich durch ihre Vertreter ausgeübt werden, oder ob diese Vertreter den Interessen der genannten Stellen tatsächlich Rechnung tragen.

Da könnte sich die Frage stellen, ob der Rundfunk Berlin-Brandenburg, wie wohl auch alle anderen LRA, unionsrechtlich als "nicht unter Kontrolle des Staates stehend" anzusehen sind, wo der Rundfunkbeitrag doch als "staatliche Beihilfe" eingestuft wird und diese die Tätigkeit der LRA zu fast 100% finanziert?

Beihilferechtlich wären die LRA jedenfalls dadurch als "zum Staat zugehörend" einzustufen? Was bei einem Medienunternehmen aber wegen der "Staatsferne" nun gerade nicht sein darf, zumal der EGMR den öffentlichen Rundfunk als "nicht-staatliche Organisation" eingruppiert.

CASE OF ÖSTERREICHISCHER RUNDFUNK v. AUSTRIA
http://hudoc.echr.coe.int/eng?i=001-78381

Zitat
53.  In conclusion, the Court finds that the Austrian legislator has devised a framework which ensures the Austrian Broadcasting's editorial independence and its institutional autonomy. Consequently, the Austrian Broadcasting qualifies as a “non-governmental organisation” within the meaning of Article 34 of the Convention and is therefore entitled to lodge an application.


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Aus einer weiteren Entscheidung zur Begrifflichkeit "Kontrolle":

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)
19. April 2007(*)

„Vorabentscheidungsersuchen – Zulässigkeit – Art. 86 Abs. 1 EG – Keine eigenständige Bedeutung – Angaben, die dem Gerichtshof eine zweckdienliche Beantwortung der Vorlagefragen ermöglichen – Richtlinien 92/50/EWG, 93/36/EWG und 93/37/EWG – Nationale Rechtsvorschriften, die es einem öffentlichen Unternehmen erlauben, in unmittelbarem Auftrag öffentlicher Stellen ohne Anwendung der allgemeinen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Arbeiten durchzuführen – Struktur der internen Verwaltung – Voraussetzungen – Die öffentliche Stelle muss eine Kontrolle über die selbständige Einheit ausüben wie über ihre eigenen Dienststellen – Die selbständige Einheit muss ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die öffentlichen Stellen verrichten, die ihre Anteile innehaben“

In der Rechtssache C-295/05

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=60926&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=10219132

Rn. 57
Zitat
Bezüglich der ersten Voraussetzung, d. h. der Kontrolle durch die öffentliche Stelle, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass der Umstand, dass der öffentliche Auftraggeber allein oder zusammen mit anderen öffentlichen Stellen das gesamte Kapital einer auftragnehmenden Gesellschaft hält, grundsätzlich darauf hindeutet, dass er über diese Gesellschaft eine Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt (Urteil Carbotermo und Consorzio Alisei, Randnr. 37).

Könnte zu fragen sein, ob der Staat das Kapital der LRA hält? Dürfte zu Bejahen sein, da der Staat doch ob der von ihm verfügten Nicht-Insolvenzfähigkeit seiner LRA, voll einzustehen hat?


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