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Dokument-Leak: Die GEZ wünscht frohe Weihnachten (aber nur den Vollstreckern)

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befreie_dich:
@"drboe": Ich verstehe den Einwand. Ich sehe diesen ebenfalls als berechtigt, allerdings als eigenen Diskussionspunkt. Ich unterscheide zwischen Bindungs- und Aussagewirkung. Die Bindung ist eine Sache, die beratende Tätigkeit im Schreiben mit Außenwirkung, eine andere.

Zur Rechtsbindung von Urteilen:


--- Zitat von: drboe am 13. Januar 2021, 14:03 ---Eine automatische Bindungswirkung gibt es nicht.
--- Ende Zitat ---
Zur Bindungswirkung kann ich anmerken, dass es für Urteile des BVerfG eben diese in den Fällen des § 31 BVerfGG schonmal gibt, Link:
https://dejure.org/gesetze/BVerfGG/31.html. Der Aussage des eingangs von mir zitierten Schreibens stehen Aussagen aus Urteilen des BVerwG entgegen, Link: https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,34706.msg210373.html#msg210373. Das BVerwG ist die höchste Instanz im Verwaltungsrechtsweg. Über die Bindungswirkung von Urteilen aus unteren Instanzen ist in Einzelfällen sicherlich streitbar. Das BVerwG hat jedoch in dem zugrundeliegenden Urteil, BVerwG 6 C 10.18, vom 30. Oktober 2019, auch eine verfassungsrechtliche Aussage zum allgemeinen Gleichheitssatz getroffen. Damit fällt diese Entscheidung um so schwerer ins Gewicht. Quelle: https://www.bverwg.de/301019U6C10.18.0

--- Zitat ---Insoweit hält der Senat an seiner zu § 6 Abs. 3 RGebStV ergangenen Rechtsprechung unter der Geltung des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages nicht mehr fest. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

aa) Bei § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV handelt es sich nach seinem Normzweck um eine Härtefallregelung, mit der grobe Ungerechtigkeiten und Unbilligkeiten vermieden werden sollen, die durch das in § 4 Abs. 1 RBStV verankerte normative Regelungssystem der bescheidgebundenen Befreiungsmöglichkeit entstehen. Die Vorschrift eröffnet die Möglichkeit, nicht zu den Personengruppen des § 4 Abs. 1 RBStV gehörende Beitragsschuldner von der Beitragspflicht zu befreien, wenn sich ihre Schlechterstellung gegenüber den befreiten Personengruppen nicht sachlich rechtfertigen lässt. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV, wonach die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls "unbeschadet der Beitragsbefreiung nach Absatz 1", mithin unabhängig von dem in Absatz 1 zugrunde liegenden Regelungssystem in Betracht kommt. Bestätigt wird dieses Normverständnis durch die Gesetzesmaterialien, aus denen sich ergibt, dass "weiterhin" die Befreiung wegen eines besonderen Härtefalls in Betracht kommen soll, wenn, ohne dass die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, eine vergleichbare Bedürftigkeit nachgewiesen werden kann (vgl. LT-Drs. BY 16/7001 S. 16). Eine Berücksichtigung des dem Absatz 1 zugrunde liegenden Konzepts bei der Auslegung des besonderen Härtefalls widerspräche dem Charakter dieser Regelung als Ausnahmevorschrift.
--- Ende Zitat ---
Eine funktionierende Verwaltung würde sich meiner Meinung nach spätestens bei einer höchstinstanzlichen Entscheidung danach richten. Die Nichtbeachtung des BVerwG-Urteils stellt meiner Meinung nach auch einen Ermessensfehler dar, in Form einer
--- Zitat ---Ermessensunterschreitung (Ermessensnichtgebrauch): die Behörde übt ihr Ermessen (ganz oder teilweise) nicht aus
--- Ende Zitat ---
, siehe dazu https://www.anwalt24.de/lexikon/ermessensfehler, oder eines Ermessensfehlgebrauch.

Zur Aussage des Schreibens:

Hingenommen, dass die Landesrundfunkanstalten von ihrer sog. Definitionsmacht zweifelhaften Gebrauch machen und für sich entscheiden, sich nicht der höchstinstanzlichen Rechtsprechung anzuschließen, so verbleibt das Problem bei der Aussage 'die Härtefallregelung greife nicht', an die andere Stelle. Diese andere Stelle besitzt ihre eigene Definitionsmacht und könnte unabhängig von der an sie gerichteten Aussage des Schreibens, von sich aus entscheiden. In dem Schreiben wird ihr die konträre Position der BVerwG-Rechtsprechung vorenthalten. Das Schreiben hat aufgrund des rechtsberaterischen Inhalts und Addressats Außenwirkung! Hier werden tatsachenerhebliche Umstände weggelassen. Aus diesem Grund erinnert es mich an eine uneidliche Falschaussage, bei der eben solche Umstände zum tragen kommen. Die Beweislast, ob Vollstrecker vielleicht vorab oder auf den 'Sachverständigen-Seminaren' darauf hingewiesen wurden, sehe ich bei den Öffentlich-Rechtlichen. Das Schreiben ist eine zielgerichtete Manipulation der Rechtsanwendung.

Meine Meinung zur Rechtsstaatlichkeit in diesem Zusammenhang:

Das BVerwG bestätigt im genannten 'Okt. Urteil' die Anwendbarkeit der Härtefallregelung auf Tatbestände außerhalb des Katalogs .... Das Gericht fasst darauf im 'Dez. Urteil' die Aussage über die Anwendbarkeit allgemein, um die unmittelbare Bindung der öffentlichen Gewalt an diese Regelung zu verdeutlichen.

Die Definitionsmacht ist dem Rechtsverständnis untergeordnet. Eine funktionierende Verwaltung ist an die Rechtsprechung gebunden, insbesonders, wenn das hohe Verwaltungsgericht klare Aussagen zur Rechtsanwendung trifft.

Quelle: https://m.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-demokratie/39300/rechtsstaat

--- Zitat ---Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bindet die Verwaltung an die Gesetze. Er schließt beispielsweise Ermessensentscheidungen aus, die gegen ein Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift verstoßen.
--- Ende Zitat ---
Dementsprechend verpflichtet er ebenso zu Ermessen, wo dieses geboten ist. Das BVerwG macht deutlich, dass hier mehr als ein Ermessen, eine 'Regelung' vorliegt. Das ist der Sinn der Härtefallregelung. Werden dabei neue Härtefall-Gruppen entdeckt, können diese immer noch im normativen System verankert werden. Die Rundfunkanstalten sind aber von deren Prüfung nicht gänzlich entbunden, siehe auch Quelle: https://www.anwalt24.de/lexikon/ermessensfehler.

--- Zitat ---Zu beachten ist, dass eine fehlende Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG, die als wichtige Erkenntnisquelle der Behörde gilt, oftmals auch einen Mangel bei der Ausübung des Ermessens nahelegt (vgl. BVerwG, DVBl 1965, 26 [28]).
--- Ende Zitat ---
. Dass der Ausschluss der Härtefallregelung/BVerwG-Härtefallrechtsprechung durch die Schreiber, dieser Mangel impliziert wird, dürfte logisch sein.

Es steht einem Rechtsstaat nicht wohl zu Gesichte, in ähnlichen Konstellationen wo bereits ein höchstinstanzliches Urteil gefällt wurde, die Praxis wie bisher oder wie hier, sogar den Extremfall des Gegenteiligen beizubehalten. Das Gericht ist auf die Akzeptanz und Umsetzung des Urteils angewiesen - milde ausgedrückt.

Letzter Abruf der Internetlinks zum Zeitpunkt dieses Postings.

drboe:
Es ist richtig, dass Urteile des BVerfG eine andere Qualität haben als solche der Gerichte im Instanzenzug. Immerhin verbessert das Urteil des BVerwG die Erfolgschancen von Klägern, die sich auf die Härtefall-Klausel berufen können. Es liegt mit an uns diese möglichst breit publik zu machen, damit der BS mit seinen Lügen nicht so leicht durchkommt. Unter Umständen muss man weitere Prozesse auch finanziell unterstützen, damit diese bis zum BVerwG kommen und das Risiko des Prozessverlustes für den ÖRR bereits in den Vorinstanzen steigt. Die Richter an den Verwaltungsgerichten werden ihre Entscheidungen erst überdenken, wenn das BVerwG signalisiert, dass es die Anwendung der Härtefallklausel durchsetzen will und die Liste der Befreiungstatbestände im sogn. Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eben nicht „abschließend“ ist. Wenn Richter Studenten mit gerade einmal 400-500 Euro zwingen wollen jeden Monat Geld für den ÖRR abzudrücken, frage ich mich, was in deren Köpfen vorgeht und ob sie das Prinzip eines sozialen Rechtsstaats überhaupt verinnerlicht haben. Solange das so bleibt, verhält sich der ÖRR einerseits pragmatisch, weil er so ja mehr Geld einsammelt, andererseits aber auch wie jede kommerzielle Drückerkolone, so dass der Lack der angeblichen Demokratieerhaltung über dem obrigkeitsstaatlichen Korpus der Sender deutliche Risse bekommt.

M. Boettcher

Besucher:
Speziell im Fall der Härtefallbefreiungen steht seit dem XV. RfÄndStV (2011) - im diametralen Unterschied noch zum VIII.RfÄndStV v. 2004 & wohl aus gutem Grund!  - den Herrschaften in den Anstalten...


--- Zitat von: befreie_dich am 13. Januar 2021, 19:31 ---...
Eine funktionierende Verwaltung würde sich meiner Meinung nach spätestens bei einer höchstinstanzlichen Entscheidung danach richten. Die Nichtbeachtung des BVerwG-Urteils stellt meiner Meinung nach auch einen Ermessensfehler dar, in Form einer
--- Zitat ---Ermessensunterschreitung (Ermessensnichtgebrauch): die Behörde übt ihr Ermessen (ganz oder teilweise) nicht aus
--- Ende Zitat ---
, siehe dazu https://www.anwalt24.de/lexikon/ermessensfehler, oder eines Ermessensfehlgebrauch.
...

--- Ende Zitat ---

...keinerlei Ermessensausübung mehr zu. Folgt man zumal den Aussagen auch der vom BVerwG zitierten Gesetzesmaterialien, dann handelt es sich bei Härtefallbefreiungen um (seitens des Gesetzgebers) Gebundene Entscheidungen (entspricht Ermessen = 0!).

Dummerweise nur hat es bislang in diesem Zusammenhang wohl niemanden interessiert, dass die Anstalten in allen Befreiungsverfahren stets in gleich zweifacher Weise Partei sind. Erstens als beinahe gottgleiche und damit angeblich auch allen niedrigen Begehrlichkeiten abholde »Behörden« (entspr. dem auch heute noch gültigen Selbstverständnis des Staates1), zweitens aber und im Widerspruch dazu als Akteure, die sogar per Gesetz in die eigene Tasche wirtschaften.

Die schlichte Habgier dieser »Behörden« als wesentliche Triebfeder ihres Handelns gegen das Gesetz und auch bestehende höchstgerichliche Urteile (! BvR 665/10) ist aber leider bislang noch niemandem und auch keinem Gericht (zumal den zu 97% mit ihnen befreundeten bzw. ihnen zuarbeitenden Verwaltungsgerichten) aufgefallen.

1): Dem selben Muster folgend, weshalb wohl ein Richter (oder selbst dessen Gattin :->) auch niemals wegen Ladendiebstahls verurteilt werden kann. »Verkennen« oder »Übersehen« (kann ja mal passieren) der Eigentumsverhältnisse konstituiert - bei zumal bester »Sozialprognose« - schließlich keinen Tatvorsatz :->>


Edit "Bürger" @alle:
Bitte hier wie überall im Forum nicht eigenständige Spezial-Themen/-Aspekte wie z.B. "Ermessensausübung beim Härtefall" usw. hier vertiefen oder in Allgemeinheiten ausschweifen, sondern bitte eng am eigentlichen Kern-Thema dieses Threads bleiben, welches da lautet
Dokument-Leak: Die GEZ wünscht frohe Weihnachten (aber nur den Vollstreckern)
und das im Einstiegsbeitrag zitierte/ verlinkte Schreiben zum Gegenstand hat. Danke.

Markus KA:
Markus Mähler, 31.01.2021
Die Bild-Zeitung und unser GEZ-Insider
[Video ~21 min]
https://www.youtube.com/watch?v=bdURz9roz6I
(Thema: ...über den hinter der Geschichte stehenden Gerichtsvollzieher als Whistleblower)

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