@huntervirus: Im Forum sind jetzt einige Leute aufgeschlagen, deren Nebenwohnung im Rahmen des zweiten Meldeabgleichs vom BS "entdeckt" wurde und deren Hauptwohnsitz mit der Beitragsnummer eines Mitbewohners versehen war: Neben mir noch der User @che09, der diesen Thread eröffnet hat:
Meldedatenabgleich, erstmalig Post an Nebenwohnung, Hauptwohnung Elternhttps://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28501.0.htmlAllerdings sind wir noch nicht sehr weit gediehen, es liegt jeweils noch kein Festsetzungsbescheid vor, geschweige denn ein Widerspruchs- oder verwaltungsgerichtliches Verfahren.
Zu Deinem Fall:
Der Beklagte (NDR) übersieht hier in seinem Schriftsatz, dass es nicht Aufgabe des VG ist, Dir soviel Geld abzuknöpfen, wie mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist, sondern dass es die
vom BVerfG verkündete Übergangslösung anwenden muss, die ihrerseits Gesetzeskraft hat und von der Bundesjustizministerin im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde:
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&jumpTo=bgbl118s1349a.pdf#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl118s1349a.pdf%27%5D__1542940757265[...]
2. Das bisherige Recht ist bis zu einer Neuregelung mit der Maßgabe weiter anwendbar, dass ab dem Tag der Verkündung dieses Urteils bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen, auf Antrag von einer Beitragspflicht für weitere Wohnungen zu befreien sind. [...]
siehe auch
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 - Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.htmlIch denke, man tut gut daran, sich erst einmal auf diesen Text zu konzentrieren und nicht zu sehr abzuschweifen.
Die Frage ist dann: Wer ist mit
diejenigen Personen, die nachweislich als Inhaber
einer Wohnung ihrer Rundfunkbeitragspflicht nach § 2 Absatz 1 und 3 des
Rundfunkbeitragsstaatsvertrags nachkommen
gemeint?
Nur diejenigen, die eine Beitragsnummer haben? Oder alle volljährigen Bewohner dieser Wohnung?
Meines Erachtens sprechen mehrere Gründe dafür, dass alle Bewohner gemeint sind:
1. Dadurch dass auch Absatz 3 zitiert wird, der auf die Gesamtschuldnerschaft im Sinne von § 44 AO verweist, wird auf die dortige Regelung verwiesen, dass die Zahlung (Leistung) durch einen Gesamtschuldner sich zu Gunsten aller Gesamtschuldner auswirkt. Dann ist es aber egal, welcher Gesamtschuldner leistet. Der Verweis auf § 2 Absatz 1 besagt insbesondere, dass jeder volljährige Bewohner beitragspflichtig ist. Diese Pflicht entsteht mit dem Einzug in eine Wohnung und nicht erst mit der Anmeldung beim BS bzw. mit Vergabe einer Beitragsnummer. Von Anmeldung und Beitragsnummer ist in § 2 nicht die Rede.
Wenn die Schuld kraft Gesetzes entsteht, so auch die Zahlungspflicht, d.h. der Staatsvertrag geht davon aus, dass man ohne explizite Zahlungsaufforderung zahlt. Welcher Gesamtschuldner im Einzelnen welchen Betrag zahlt, spielt dann keine Rolle, solange das Beitragskonto für die Wohnung ausgeglichen wird.
2. In der Praxis wird es häufig vorkommen, dass nur ein Mitbewohner zahlt, dass diese Zahlung aber im Innenverhältnis ausgeglichen wird. In einer Ehe bzw. eheähnlichen Gemeinschaft wird das oft nicht explizit ausgeglichen, sondern dadurch, dass der nichtzahlende Mitbewohner dann andere Ausgaben alleine übernimmt. Bei einer Ehe im gesetzlichen Güterstand wird überdiese im Falle eines Nichtausgleichs am Ende einer Ehe der Nichtzahler insofern verpflichtet, dass er im Fall der Scheidung seinen höheren Zugewinn ausgleichen muss. Im Erbfall erbt der Nichtzahler weniger von seinem Ehegatten bzw. vererbt mehr an den zahlenden Ehegatten.
Auch kann es vorkommen (bei mir z.B. seit 30 Jahren), dass Zahler und Beitragskontoinhaber dauernd unterschiedliche Personen sind. Ebenso könnte man sich abwechseln oder jeder zahlt seinen Anteil.
D.h. insgesamt ist der nicht angemeldete Bewohner in den meisten Fällen finanziell an der Zahlung des Rundfunkbeitrags beteiligt. Um auszuschließen, dass er mit mehr als einem Beitrag belastet wird, müsste er damit in jedem Fall für den Nebenwohnsitz teilweise freigestellt werden.
Das hat das BVerfG aber gerade nicht angeordnet: zum einen würde das einen riesigen Verwaltungsaufwand erfordern, das Ausmaß dieser Beteiligung an der Hauptwohnung (und damit die Beitragsreduktion für die Nebenwohnung) zu ermitteln. Das BVerfG hat aber geurteilt, dass die Freistellung von Nebenwohnungen keinen wesentlichen Verwaltungsaufwand erfordert.
Wenn das BVerfG eine nur teilweise Freistellung gewollt hätte, hätte es übrigens anders formuliert:
Die Befreiung für weitere Wohnungen würde nur
soweit gewährt, wie man für die Erstwohnung seiner Beitragspflicht nachkommt.
Eine teilweise Befreiung hat das BVerfG aber gerade nicht ermöglichen wollen, insofern bleibt nur die vollständige Befreiung unabhängig davon, ob man selber mit Beitragsnummer angemeldet ist oder nicht.
3. Ein weiterer Grund ist darin zu sehen, dass das BVerfG in der Urteilsbegründung Hinweise an den Gesetzgeber gibt, wie eine verfassungsgemäße Neuregelung aussehen könnte. Das liest sich für mich so, dass es auch Regelungen für möglich hält, die unfreundlicher sind als die vom BVerfG verkündete Übergangsregelung.
4. Bedenken sollte man auch, dass die Übergangsregelung den Zweck hat, eine verfassungskonforme Regelung zu treffen, ohne dass die Finanzierung der Rundfunkanstalten vollständig zusammenbricht. Hätte das BVerfG § 2 Absatz 1 nicht nur für teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar, sondern für nichtig erklärt, so hätte das ja zur Folge, dass im privaten Bereich überhaupt keine Beiträge mehr erhoben werden könnten, d.h. die Rundfunkanstalten hätten ca. 85% ihrer Einnahmen verloren. Das wollte das BVerfG anscheinend vermeiden.
Unter diesen Umständen ist es aber sinnvoll, dass die Übergangsregelung etwas großzügiger ist als sie von Verfassungs wegen unbedingt sein muss.
5. Die Argumentation des NDR, dass sowohl in der Haupt- wie in der Nebenwohnung ein gleichzeitiger Rundfunkempfang möglich ist, ist zudem nicht stichhaltig, weil erstens auch in einer einzigen Wohnung verschiedene Personen gleichzeitig Rundfunk empfangen können, und weil zweitens dieses Argument auch greift, wenn Haupt und Nebenwohnung beim Beitragsservice auf dieselbe Person angemeldet sind und in der Hauptwohnung noch weitere Personen wohnen, die selber nicht anmeldepflichtig sind.
D.h. wenn man die Befreiung davon abhängig macht, ob die Anmeldung für die Hauptwohnung auf dieselbe Person lautet, führt das dazu, dass die Befreiung nach willkürlichen Gesichtspunkten erfolgt. Artikel 3 GG beinhaltet aber gerade ein Willkürverbot.