Bildquelle: http://up.picr.de/29448707os.pngRubikon, 03.02.2018
Nur die „Angeklagten“ fehlenDie Friedensinitiative „IALANA“ versammelte vom 26. bis 28. Januar in Kassel eine große Zahl von Medienkritikern – darunter zahlreiche Prominente. Medienwissenschaftler, Künstler, Juristen, Historiker, Ex-Politiker und kritische Journalisten debattierten drei Tage lang über den Zustand der heutigen Medienlandschaft. Es ging unter anderem um Kriegspropaganda, Medienkonzentration und Programmbeschwerden. Vertreter des Mainstreams ließen sich trotz Einladung nicht sehen.Von von Stefan Korinth
Knapp 30 Fachleute, die sich aus verschiedenen beruflichen Perspektiven kritisch mit den deutschen Medien befassen, waren nach Kassel gekommen. Neben der zentralen Lage sprach für die Stadt auch das Vorhandensein pazifistisch engagierter Kirchenmitglieder, die mit der Juristen-Initiative IALANA und weiteren Gruppen die Tagung organisierten und mit der Jugendkulturkirche den passenden Konferenzort zur Verfügung stellten. An allen Tagen war die Kirche mit mehr als 350 Zuhörern sehr gut gefüllt; die Konferenz bereits Tage im Vorfeld ausverkauft.
Einig waren sich wohl alle Anwesenden, dass in den großen etablierten Medien des Landes vieles falsch läuft. Der Korridor veröffentlichter Meinungen wird immer enger, Propaganda und Manipulationen nehmen zu, viele Berichte sind oberflächlich, einseitig und schlecht recherchiert, oft wird unkritisch PR verbreitet, Feindbilder werden aufgebaut, Etiketten geklebt, Kampagnen gefahren und obendrein wird die Publikumskritik nicht ernst genommen. Doch so verschieden die Probleme, so vielfältig sind auch die Gründe für das Medienversagen. „Den großen Strippenzieher gibt es jedenfalls nicht“, betonte die Erlanger Medienforscherin Sabine Schiffer in ihrem Vortrag. […]
ARD und ZDF waren auch Thema weiterer Vorträge. Die Leipziger Medienkritikerin Maren Müller sprach über ihre eigenen Erfahrungen mit den Rundfunkräten. Als Vorsitzende der „Ständigen Publikumskonferenz“ sendet sie seit Jahren Programmbeschwerden an die öffentlich-rechtlichen Sender. Dort gelten Müller und ihre Mitstreiter inzwischen als Querulanten und „Putinversteher“.
Die Rundfunkräte arbeiteten überhaupt nicht im Sinne des Publikums, kritisierte Müller. „Die verstehen sich selbst teilweise als verlängerter Arm der Intendanzen.“ So sitzen dort freigestellte ARD-Mitarbeiter, die zwangsläufig in diese Tätigkeit Loyalitätskonflikte mitbringen. Außerdem kämen politische Akteure als Entsandte unpolitischer Verbände durch die Hintertür in die Räte oder würden von ihren Parteien dorthin entsorgt. „Ein Sitz im Rundfunkgremium sollte eine Ehre sein und keine Anschlussverwendung für abgehalfterte Politiker“, unterstrich Müller.
Die Rundfunkräte müssten sich im Sinne des Publikums beispielsweise deutlich gegen die dominierende Position von Einschaltquoten in den ÖR aussprechen, forderte sie. Die Quoten hätten bei ARD und ZDF nichts zu suchen. […]
Auch die früheren ARD-Mitarbeiter Friedhelm Klinkhammer** und Volker Bräutigam** formulieren regelmäßig Programmbeschwerden. Die beiden konzentrieren sich dabei auf Tagesschau und Tagesthemen. Rund 400 Beschwerden seien es inzwischen, sagte Bräutigam, der selbst zehn Jahre lang als Redakteur bei der Tagesschau arbeitete.
Doch keiner einzigen ihrer Eingaben wurde stattgegeben. Meist würden sie vom rund sechzig-köpfigen Rundfunkrat des zuständigen NDR sogar einstimmig (!) abgewiesen. „Das ist gegen jede statistische Wahrscheinlichkeit“, kritisierte Klinkhammer. […]
Der Leipziger Medienwissenschaftler Uwe Krüger half und erinnerte in seinem Vortrag an die zehn Grundsätze der Kriegspropaganda, die der britische Politiker Arthur Ponsonby in den 1920er Jahren formulierte. Auch weitere Fachleute hätten bereits nützliche Hinweise zur Erkennung von Propaganda zusammengestellt.
Krüger erwähnte den US-amerikanischen Linguisten Noam Chomsky, der auf „wertvolle und wertlose Opfer“ in den Medien hinwies. Tote und Verletzte würden demnach immer dann medial vernachlässigt, wenn sie auf die Kappe der eigenen oder einer verbündeten Armee gehen. Ist jedoch ein als feindlich eingestuftes Land für Opfer verantwortlich, würden diese von den Medien mit allen Mitteln präsentiert. Idealtypisch könne man das heute am unterschiedlichen medialen Umgang mit bombardierten Krankenhäusern durch die russische und durch die US-amerikanische Luftwaffe analysieren, sagte Krüger.
Er verwies zudem auf den Medienwissenschaftler Florian Zollmann, der neun Propaganda-Indikatoren auflistete. Hellhörig sollten Mediennutzer werden, wenn Journalisten in ihrer Berichterstattung Empörung schüren und zum militärischen Eingreifen auffordern oder wenn sie die Frage nach der grundsätzlichen Legitimation eines Krieges gar nicht erst thematisieren. Weitere Propaganda-Marker sind die Betonung vermeintlicher Gräueltaten durch Feindstaaten auch bei unsicherer Faktenlage sowie abwertende Bezeichnungen von Staatsoberhäuptern. Doch trotz aller Hinweise sei es zu viel verlangt, dass normale Mediennutzer selbst Propaganda aufdecken. […]
Letzteres hat Kurt Gritsch schon getan. In seiner Doktorarbeit hat der Historiker das politische und mediale Trommeln für den Kosovo-Krieg (1999) analysiert. Keine der von ihm untersuchten fünf Mainstream-Zeitungen habe deeskalierend berichtet, so Gritsch. Der völkerrechtswidrige Angriff der Nato wurde in den Blättern mehrheitlich als „humanitäre Intervention“ – also als menschenfreundliche Einmischung – verkauft, erläuterte er in seinem Vortrag. […]
Die frühere ARD-Moskau-Korrespondentin Gabriele Krone-Schmalz ergänzte, dass Journalisten ja eigentlich dazu da seien, „humanitäre Deckmäntelchen von knallharter Interessenpolitik wegzuziehen […]
Albrecht Müller, Gründer und Herausgeber der Nachdenkseiten, wies in seiner Redeauf die wiederkehrende Nutzung von Kampagnen durch die Medien hin. Es habe solche organisierten Kampagnen gegen die gesetzliche Rente genauso gegeben wie gegen den „Friedenswinter“. Die neue Friedensbewegung wurde von den Medien massiv bekämpft, sagte Müller. „Sie durfte nicht so anwachsen, wie in der 80er Jahren.“ […]
Wie Manipulationen von journalistischen Medien funktionieren, erläuterten weitere Gäste: Eine Frau aus dem Publikum, die im Sommer bei einer der Friedensfahrten nach Russland dabei war, berichtete, dass die Gruppe von drei ZDF-Leuten begleitet wurde. Daraus entstanden zwei Berichte bei Frontal 21. „Die sind katastrophal“, erklärte die Frau. „Unsere Tochter hat vor dem Fernsehen angefangen zu weinen. Und sagte: ‚Das stimmt doch gar nicht, was die da sagen. ‚“ […]
Festzuhalten bleibt: Die Juristenvereinigung IALANA hatte eine große Zahl interessanter Medienkritiker in Kassel zusammengeführt, die die Schwachstellen des heutigen Journalismus klar aufzeigten. Oder wenn man es in der Sprache einer Gerichtsverhandlung ausdrücken wollte: Viele Sachverständige bezeugten den Tathergang, doch die Hauptangeklagten erschienen nicht. Wie so oft, wenn sie konstruktiv kritisiert werden, schlugen die Mainstream-Medien die Einladung zur Debatte aus und ignorierten die Veranstaltung auch in ihrer Berichterstattung. Journalisten vom Tagesspiegel, von der Süddeutschen Zeitung und von der Frankfurter Rundschau hatten Anfragen vorliegen. Selbst das „Recherchebüro Correctiv“ war eingeladen. Alle sagten ab.
Wenn demnächst wieder jemand behauptet, Mainstreamkritiker, Friedensbewegte und Alternative Medien wollen sich in Filterblasen verschanzen und nur Argumente ihrer Mitstreiter hören, möge derjenige auf diese Veranstaltung schauen. Die vermeintliche Filterblase war weit geöffnet. Der rote Teppich war ausgerollt, wie Marcus Klöckner schreibt. Seriöse Veranstalter, kompetente Redner und ein interessiertes, gut informiertes Publikum hätten sich gern die Sicht des Mainstreams angehört und sachlich-kritisch mit den Alpha-Journalisten debattiert. Hier hätte niemand „Lügenpresse“ gerufen, sie ausgepfiffen oder mit Prügel gedroht.
Doch vielleicht ist auch genau das der Grund. Blieb der Mainstream vielleicht weg, weil er mit Kritikern wie denen in Kassel nicht umgehen kann? Sie sind den etablierten Journalisten womöglich unangenehm, weil diese Kritiker genau wissen, wovon sie reden, weil sie die Abläufe in den Redaktionen kennen, weil sie empirische Untersuchungen zur Hand haben und ihre Argumente wissenschaftlich unterlegen können.
So gesehen hat der Mainstream die Rufer á la „Lügenpresse – auf die Fresse“ gern. Mit denen muss er sich inhaltlich nicht auseinandersetzen. Doch die, die in der Sache etwas zu sagen haben, sind ein großes Problem für die großen Medien. Da bleibt man lieber weg.
Was tun?
Dieser Bericht soll nicht mit dem desillusionierenden Blick auf den Mainstream beschlossen werden, sondern konstruktiv mit einer Zusammenfassung der praktischen Handlungsvorschläge, die die Redner in Kassel machten. Die Frage „Was tun?“ wurde von Veranstaltern und Publikum dort immer wieder gestellt. Folgende Ideen kamen zusammen: […]
Weiterlesen auf: https://www.rubikon.news/artikel/nur-die-angeklagten-fehlen** siehe:
Öffentlich-rechtliche Massenmanipulation / Was nützen Programmbeschwerden?https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26156.0.htmlAnmerkung:Wo ist sie denn nun, die wiederholt angekündigte "Dialogbereitschaft" von ARD,ZDF und Co?
Anscheinend trauen sie sich nur unter von ihnen selbst kontrollierten Bedingungen in den Dialog zu treten. Und zwar nur mit eigens ausgesuchten Diskussionsteilnehmern.
Wie beispielsweise hier
mal ehrlich...wozu brauchen wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk? https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,25426.msg160559.html#msg160559 ff.
Mit gefühlten 90% örR-Befürwortern, denen das Wort erteilt wurde.
Was für ein Armutszeugnis!
An dieser Stelle noch einige
Literatur-Tipps zum Thema:
Jens Wernicke - Lügen die Medien?
Ulli Gellermann - Die Macht um acht: Der Faktor Tagesschau
Uwe Krüger - Meinungsmacht
Uwe Krüger - Mainstream
Ronald Thoden - ARD & Co.: Wie Medien manipulieren
Ulrich Teusch - Lückenpresse
Nicole Joens - Korrupte Medienmacht, Wege aus dem Sumpf
Hans-Peter Siebenhaar - Die Nimmersatten
Wolfgang Herles - Die Gefallsüchtigen