Notizen zur Erhebung der
TV- Einschaltquoten bzw. Zuschauerquoten
Da es erstaunlicherweise noch keinen Thread zu diesem Thema gibt, hier einige Notizen, Zitate und Links zum Thema (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).
Warum werden die Quoten gemessen?
Berthold Seliger: Die Quote ist eine Erfindung der Werbeindustrie. Zwar wurden früher auch die Einschaltquoten gemessen, das war aber nicht die Richtschnur der Programmpolitik - und die Quoten lagen oft erst Wochen später überhaupt vor. Erst für das Privatfernsehen wurde die Quote wichtig, weil die Konsumindustrie ein großes Interesse daran hatte, darüber detailliert Bescheid zu wissen, was die meisten Zuschauer bringt. Wo und wann es sich lohnt, Werbung zu schalten. In einem durch Zwangsgebühren finanzierten öffentlich-rechtlichen Fernsehen, das den Gesetzesauftrag ernst nimmt, ist das aber eigentlich völlig irrelevant. Deswegen sollte man auch unbedingt und sofort alle Werbung bei den Öffis komplett abschaffen.
http://www.heise.de/tp/artikel/45/45509/2.htmlThomas Bellut (Intendant des ZDF): Wenn wir zur Hauptsendezeit nicht mehr so viele Menschen erreichen würden wie bisher, hätten wir auf die Dauer ein Problem: Dann würden Bundeskanzler oder Ministerpräsidenten ihre Interviews nicht mehr dem heute-journal im ZDF oder den Tagesthemen in der ARD geben, sondern womöglich einem Privatsender. Das darf nicht passieren.
http://www.zeit.de/2013/22/fernsehen-volker-herres-thomas-bellut/seite-2Wer misst die Quoten?
Die Erfassung der Einschaltquoten wird in Deutschland seit 1985 von der Nürnberger
Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) im Auftrag der
Arbeitsgemeinschaft der Fernsehforschung (AGF) durchgeführt.
Arbeitsgemeinschaft der Fernsehforschung (AGF) - (als Auftraggeber)
Die AGF ist ein Zusammenschluss der großen deutschen Fernsehanbieter:
- ARD und ZDF
- Mediengruppe RTL Deutschland (Bertelsmann) (RTL, RTL II, SuperRTL, VOX, N-TV, RTL-Nitro)
- ProSiebenSat1 AG (ProSieben, SAT.1, kabel eins, Sat.1 Gold, ProSieben 7Maxx und Sixx)
mehr Informationen auf WikipediaFirmenwebseite der AGF Nürnberger
Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) - (als Auftragnehmer)
Die GfK SE mit Sitz in Nürnberg ist das größte deutsche Marktforschungsinstitut, derzeit weltweit die Nummer fünf der Branche und im mehrheitlichen Besitz (56.5 %) des GfK-Vereins.
Das Unternehmen erhebt die Einschaltquoten für das Fernsehen in der Bundesrepublik Deutschland. Die Gemeinde Haßloch dient als durchschnittlicher Ort als Testmarkt für das Instrument GfK BehaviorScan, mit dem vor allem die Wirkung von Fernsehwerbung untersucht und die Neueinführung von Produkten simuliert wird. Vom Unternehmen wird unter anderem auch der GfK-Konsumklimaindex errechnet.
mehr Informationen auf WikipediaFirmenwebseite der GfKDie Kosten der Ermittlung der Einschaltquoten belaufen sich jährlich auf ca.18-20 Millionen Euro und werden durch die AGF getragen.
Eine Aufstellung der anteiligen Kosten der in der AfG vertretenen Fernsehanbieter konnte ich nicht finden.
Die teilnehmenden Haushalte bekommen für ihre Teilnahme lediglich eine einmalige Pauschale von 250 Euro sowie einen monatlichen Stromkostenzuschuss von 10€.
Wer nimmt am Messverfahren teil?
Seit dem 01.07.2012 besteht das AGF-Fernsehpanel aus 5.000 täglich berichtenden Haushalten (Fernsehpanel deutschsprachig), in denen fast 10.500 Personen leben. Damit wird die Fernsehnutzung von 75,02 Mio. Personen ab 3 Jahre bzw. 38,32 Mio. Fernsehhaushalten abgebildet (Stand 01.01.2017).
https://www.agf.de/forschung/methode/fernsehpanel/In Wirklichkeit sind es einige Hundert mehr, da vertraglich 5000 „täglich berichtende Haushalte“ vereinbart worden waren.
- Insgesamt beteiligt sind lt. einiger Berichte ca. 5.640 Haushalte, in denen ca. 13.000 Personen leben.
- Diese sogenannten Panel-Haushalte sollen 75 Millionen (s.u.) deutsche Zuschauer repräsentieren.
- Die Auswahl der Haushalte für die repräsentative Stichprobe geschieht durch eine telefonische Kontaktaufnahme.
- Erfasst werden Zuschauer ab einem Alter von drei Jahren.
- Der Haupteinkommensbezieher des Haushalts muss deutscher Staatsbürger oder Bürger einer EU-Nation sein**.
Aus dem letztgenannten Grund entspricht die Zahl der repräsentierten Haushalte auch nicht der aktuellen Gesamtbevölkerungszahl der Bundesrepublik Deutschland, da anscheinend die Nicht-EU-Ausländer von der Gesamtbevölkerungszahl abgezogen werden.
Den Einschlusskriterien der Haushalte fehlt es an Transparenz.
Es liegen keine veröffentlichte Informationen über die soziodemographischen Kriterien der auserwählten Haushalte bzw. Testseher vor.
Zudem werden die auserwählten Testseher zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Dass die 10.500 GfK-Mitspieler alle 72 Millionen Zuschauer in Deutschland repräsentieren, dafür soll der Mikrozensus bürgen: das Testpanel als mikroskopisches Abbild der Gesellschaft in Bezug auf Geschlecht, Alter, Bildung, Wohnort etc. Das Problem: Niemand kann die Angaben der mächtigen GfK überprüfen. Das viertgrößte Meinungsforschungsinstitut der Welt mit mehr als 12.000 Mitarbeitern hat in Deutschland das Monopol auf die Ermittlung der Quoten. Es verpflichtet jeden Testseher zur Verschwiegenheit.
http://www.tvspielfilm.de/news-und-specials/interviewsundstories/kritik-an-messung-von-zuschauerzahlen-nimmt-zu-quote-im-zwielicht,6042811,ApplicationArticle.htmlUnd
Von einer Geheimdienstmitarbeit kann man insofern sprechen, als man von der Big Brother Firma dringend gebeten wird, mit niemandem darüber zu sprechen und im eigenen Interesse seine Anonymität zu wahren. Diese wie eine Geheimhaltungsverpflichtung aussehende Bitte wird von den Abgehörten offenbar ernst genommen. Sie bleiben im Dunkeln. Man kennt sie nicht. Als ich diese Passage im Vertrag las, unterschrieb ich sofort. Wann hat man schon mal Gelegenheit, Geheimnisverrat zu verüben.
http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.joseph-von-westphalen-abgehoert.3cd76020-b6e7-4e33-8862-b50ecdc92ff0.htmlZur Thematik der Nichterfassung der Nicht-EU-Ausländer
** ein Zitat aus einem Interview mit Hans Weingartner (Regisseur der Mediensatire „Free Rainer - Dein Fernseher lügt“) von April 2011:
Es gibt viel zu wenig Boxen: 5640 Stück! Das ist für eine seriöse Statistik viel zu wenig, ein schlechter Witz im Grunde.
Zweitens: die Boxen messen nur, welcher Kanal am Gerät an ist, aber nicht ob auch jemand zuschaut (Stichwort Bügelfernsehen).
Drittens: für die Werbewirtschaft weniger relevante Bevölkerungsgruppen werden ausgegrenzt. Keine einzige Quotenbox steht bei Nicht-EU-Ausländern oder Migranten. In Deutschland leben beispielsweise 3 Millionen Türken, das sind fast 5 % der Bevölkerung! Dass sich das Privatfernsehen nicht für die interessiert, ist schon schlimm, aber dass ARD und ZDF ebenfalls auf eine Quotenerfassung der Türken verzichten, schlichtweg ein Skandal. Die hätten die vertragliche Pflicht, auch denen Programm anzubieten. Ich habe versucht, letztes Jahr einen türkisch-deutschen Film zu finanzieren. Da hieß es immer: tut uns leid, das bringt keine Quote. Ist ja auch logisch, keine Box, keine Quote. Gerade vor dem Hintergrund der Sarrazin-Debatte ist das doch haarsträubend: Da wird auf der einen Seite von den Migranten verlangt, sich zu integrieren, auf der anderen Seite interessiert man sich nicht für sie.
An dieser Stelle auch die Antwort Weingartners auf die Frage „Wie waren die Reaktionen im Nachhinein (auf Ihren Film)?“
Das Fernsehen hat den Film totgeschwiegen, boykottiert.
http://www.casting-network.de/Offener-Bereich/cn-klappe/lesen/119-Die-Einschaltquote-Ein-Interview-mit-Hans-Weingartner.htmlEbensowenig werden „
Nichtnutzer“** bzw. „
Wenignutzer“ berücksichtigt, da diese anscheinend erst gar
nicht in das Studien-Panel aufgenommen werden.
Hierzu ein Zitat aus einem Leserkommentar bei heise.de vom 09.11.2015 :
Mich wählten sie vor sechs oder sieben Jahren aus. Die Verträge waren schon unterschrieben und die Box wurde geliefert.
...Als ich dann dem Techniker gegenüber erwähnte, daß ich eh nur ein bis zwei Sendungen pro Monat gucken würde, meinte er, daß ich eh nicht in ihr gewünschtes Profil passen würde. Der Vertrag wurde dann wegen Nichterfüllung auf Kundenseite gekündigt - obwohl ich alle vorher vereinbarten Anschlüsse hatte.Telefonisch wurde mir dann auch nochmal gesagt, daß sie kein Interesse an Nichtsehern hätten, da sie ja die Nutzung und nicht die Nichtnutzung erfassen wollen. Außerdem wollen sie sich ja keine Querulanten in ihr Erfassungsnetz holen.
http://www.heise.de/forum/heise-online/News-Kommentare/Einschaltquoten-Neue-Messung-ab-2016/Re-Und-bei-konsequenten-Nichtschauern-wie-mich/posting-23897803/show/Wie wird gemessen?
Die Messung erfolgt mittels des sogenannten Teleskopie-Verfahrens. Der GfK-Meter (eine an die TV-Geräte des teilnehmenden Haushalts registriert einmal pro Sekunde welcher Kanal bzw. welche Sendung gewählt ist.
Der GfK-Meter besitzt eine spezielle Fernbedienung, über welche man sich als jeweiliger Nutzer anmeldet. Gesellt sich jemand zum Fernsehen hinzu, meldet auch dieser sich an. Die Übermittlung der Daten an die GfK erfolgt dann jede Nacht zwischen 3.00 und 6.00 Uhr.
Die erheblichen Schwächen des Systems sind also offensichtlich- Die Datenerhebung erfolgt nur über relativ wenige Haushalte, deren Einschlusskriterien nur Deutsche bzw. Europäische Staatsbürger umfasst. Somit fliessen die Nicht-EU-Staatsbürger** nicht in die Quote ein, die jedoch ebenfalls zur Zahlung des Zwangsbeitrags herangezogen werden, aber vermutlich eher ihre eigenen Landessender über Satellit verfolgen.
- Nichtnutzer werden a priori ausgeschlossen.
- Wenignutzer entsprechen anscheinend auch nicht den Einschlusskriterien und werden ebenfalls ausgeschlossen.
- Das GfK-Meter-Messgerät registriert nur die Anmeldung, Abmeldung und den Wechsel der Fernsehkanäle. Lässt man den Fernseher laufen und geht anderen Beschäftigungen nach gilt die TV-Sendung als komplett angesehen.
- Keine Transparenz bezüglich der Auswahl und Zusammensetzung des Panels. Auf der Webseite der GfK finden sich lediglich Angaben zur Verteilung innerhalb der groben Altersklassen und zur Verteilung in den verschiedenen Bundesländern.
** Der Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern aus dem Studienkollektiv wurde anscheinend nach Angaben der GfK Anfang 2016 geändert.
Nähere Details sind nicht bekannt bzw. werden nicht preisgegeben. Das Ganze bleibt auch weiterhin eine nicht ernstzunehmende "Black Box".
** Erster und bislang einzig bekannter Versuch einer Quantifizierung der Anzahl der örR-Nichtnutzer erfolgte in einer repräsentativen Studie von YouGov.
Siehe hierzu:
Mehrheit wünscht sich Abstimmung über Rundfunkbeitrag vom 06.03.2018
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,26684.msg167601.html#msg167601[…] Knapp ein Viertel (23 Prozent) nutzt das Angebot der öffentlich-rechtlichen Medien überhaupt nicht. […]
Auf Basis des YouGov Omnibus wurden 1139 Personen ab 18 Jahren vom 23.-27.02.2018 repräsentativ befragt
Anm: davon 866 (76%), die eine direkte Abstimmung in Deutschland befürworten würden
Zum Thema siehe auch:
"Wir schützen das System" - Wer kontrolliert eigentlich die Einschaltquote?http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,22016.msg140599.html#msg140599Fehler im AGF-System: Sky viel stärker als angenommen vom 12.01.2017
http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,21634.msg138446.html#msg138446AGF erweitert ihr GewichtungsmodellIm Einvernehmen mit den Marktpartnern, die in der AGF vertreten sind, werden ab 2019 die Merkmale
- Internetnutzung
- Tätigkeit (z.B. berufstätig, in Ausbildung, nicht berufstätig)
- Stellung zum Haupteinkommensbezieher (z.B. HEB selbst, Partner/in, Sohn/Tochter)
- Sky-Abonnement und Art des Abonnements (Zugang zu den Paketen Cinema, Sport und Bundesliga oder keines dieser Pakete)
im AGF-Gewichtungsmodell berücksichtigt.
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,28299.0.html