Ok, Einwände von @personX und @Zeitungsbezahler müssen beachtet werden.
Also sollte man zunächst differenzieren. Betrachtet werden Fälle in denen die Vollstreckung durch das städtische Kassen- und Steueramt als Vollstreckungsbehörde ausgeführt werden.
Und wir unterstellen, dass der Aussetzung der Vollziehung im Widerspruchsbescheid stattgegeben wurde.
Ich habe mir nun nochmal das Urteil aus Saarlouis zur Hand genommen. Es wird in der Begründung auf 2 Urteile verweisen: VG München, U.v. 10.4.2012 – M 6b K 11.1831 und
VG Augsburg, Urteil v. 30.08.2013 – Au 7 K 13.824 29
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist sie nicht verfristet.
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Der Kläger hat den Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2012 nach seinen eigenen Angaben zwar bereits am 29. Oktober 2012 erhalten (s. Schreiben des Klägers vom 7.12.2012, Bl. 310 der Akte des Beklagten, nachfolgend: A.d.B.). Die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat jedoch zu diesem Zeitpunkt (29.10.2012) mangels Zustellung des Widerspruchsbescheids nicht zu laufen begonnen (§ 57 Abs. 1 VwGO).
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Gemäß § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO sind Widerspruchsbescheide zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen. Zugestellt wird nach § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO von Amts wegen nach den Vorschriften des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG). Vorliegend erfolgte jedoch eine formgerechte Zustellung nach den §§ 2 ff. VwZG nicht. Aus der Akte des Beklagten ergibt sich lediglich, dass der Widerspruchsbescheid vom 23. Oktober 2012 am 26. Oktober 2012 abgeschickt worden ist (vgl. den Stempel mit Namenszeichen auf einem Ausdruck der ersten Seite des Widerspruchsbescheids, Bl. 300 der A.d.B.), also als einfacher Brief zur Post gegeben wurde.
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Mit dem tatsächlichen Erhalt des Widerspruchbescheids ist eine Heilung von Zustellungsmängeln gemäß § 8 VwZG nicht eingetreten. Denn eine Heilung von Zustellungsmängeln nach § 8 VwZG erfolgt nur dann, wenn sich die formgerechte Zustellung eines Dokuments nicht nachweisen lässt oder die Zustellung unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften erfolgt ist. Beides ist jedoch dann nicht gegeben, wenn es bereits an einem Zustellungswillen mangelt. Eine Zustellung, gleich welcher Art, ist nicht verfügt worden und war ganz offensichtlich auch nicht beabsichtigt. Da sich die Klagefrist des § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO an der Zustellung des Widerspruchsbescheids orientiert, eine solche hier jedoch gar nicht erfolgt ist, hat eine Klagefrist für den Kläger trotz tatsächlichen Erhalts des Widerspruchsbescheids nicht zu laufen begonnen (vgl. auch VG München, U.v. 10.4.2012 – M 6b K 11.1831 – juris).
Es dreht sich also in den 3 Urteilen um den Zustellungswillen. Ohne Zustellungswillen, keine Zustellungsmängel, die theoretisch nach §8 VwZG geheilt werden könnten, denn ohne Zustellungswillen erfolgte juristisch betrachtet überhaupt keine Zustellung. Über den Hinweis im Urteil aus Saalouis zu Sadler, VwVG/VwZG bin ich dort dann auf einen entsprechenden
Kommentar zum Zustellungswillen gestoßen:
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Keine Heilungsmöglichkeit bei fehlen der Zustellung. Im Gegensatz zum vorbesprochenem Fehler bei Ausführung der Zustellung ist ein Fehlen der Zustellung nicht heilbar. ... Denn eine fehlende Zustellung ist keine Zustellung im Sinne des Gesetzes. Sie ist also nicht wirksam. Dafür kann es verschieden Gründe geben.
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Beispiele:
a) Unabdingbare Voraussetzung einer Zustellung ist der Wille der Behörde, sie wirklich vorzunehmen. Der notwendige Zustellungswille ist die Bestätigung dafür, dass die Zustellung eine Rechtshandlung ist. Sie ist keine Tathandlung. Der Zustellungsakt ist nur die Voraussetzung für die Rechtswirkung der Zustellung. ...
... Infolgedessen kann ein fehlender Zustellungswille auch kein Zustellungsmangel sein...
Leider fehlt dann in Google Books die folgende Seite im Stadler mit weiteren Beispielen.
Juristisch ist es offenbar eindeutig (soweit man das sagen kann), wie die Urteile belegen.
Allerdings hab ich dennoch Verständnisschwierigkeiten:
warum ist eine Zustellung per normaler Post in diesem Fall juristisch betrachte
überhaupt keine Zustellung? Eine fehlerhafte Zustellung wäre hingegen ja nachvollziehbar.
Ok, die juristische Antwort lautet, weil es am Zustellungswillen mangelt.
Aber warum mangelt es offensichtlich am Zustellungswillen? Auch hier würde ich der LRA eigentlich unterstellen, dass sie möchten/wollen, dass man den Widerspruchsbescheid bekommt.
@Zeitungsbezahler
steht außer Frage, dass die LRA nach Ablauf der Klagefrist wieder auf der Matte steht. Und die Klage ohne weitere Begründung sollte man natürlich versandbereit haben, es geht nur um Steine in den Weg legen.