Mitschrift der Urteilsverkündung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 2016Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:
http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2016&nr=21Mitschrift der vorgetragenen Urteilsbegründung (ohne Gewähr):
Gekürzt: Alle 14 Klagen werden zurückgewiesen, die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens.
Die zuvor befassten VGs hatten die Klagen bereits abgewiesen.
Der Senat bestätigt dies.
Der Senat ist unter der Würdigung aller vorgetragenen Begründungen zur Überzeugung gelangt, dass die Vorschriften des RstV nicht verfassungswidrig sind, soweit sie den Rundfunkbeitrag des örR betreffen.
Der Senat war bei dieser Beurteilung der Rechtslage an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des BVerfG gebunden.
Das BVerfG weist dem örR in der Rundfunkordnung einen Funktionsauftrag zu. Der Funktionsauftrag besteht darin, zur freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
Der örR ist verpflichtet ein Program zu senden, das die Vielfalt der in der Gesellschaft herrschenden Meinung widerspiegelt, der örR muss umfassend und wahrheitsgemäss informieren, das Vielfaltsgebot gilt auch für das Unterhaltungsprogramm, der örR trägt eine kulturelle Verantwortung.
Dem örR kommt dabei eine Programmfreiheit zu, die Rundfunkanstalten sind berechtigt die Anforderungen, denen sie aus dem Funktionausftrag nachkommen müssen, eigenverantwortlich sicherzustellen.
Zur Sicherstellung müssen die Landesgesetzgeber Vorkehrungen treffen, die geeignet sind auszuschliessen, dass der örR in den Dienst politischer und gesellschaftlicher Kräfte gestellt wird.
Dem örR steht eine verfassungsrechtlich gesicherte Bestands- und Entwicklungsgarantie zu.
Diese Garantien sind zwangsläufig mit einer Finanzierungsgarantie verbunden. Den örR-Anstalten müssen die Mittel zur Verfügung stehen, um ihren Funktionsauftrag zu erfüllen und weiter zu entwickeln. Sie haben Anspruch auf eine funktionsgerechte finanzielle Ausstattung.
Die Finanzierungs- und Entwicklungsgarantie stehen unter dem Vorbehalt, dass es dem örR gelingt, seinen Funktionsauftrag zu erfüllen. Dieser Auftrag ist anspruchsvoll, wird einmal mehr, einmal weniger gut erfüllt, das Programm gefällt nicht jedem.
Die aus in diesen Verfahren vorgebrachte vereinzelten Kritikpunkte geben jedoch von vorne herein keinen Anlass, der Frage nachzugehen, ob der Funktionsauftrag in Gänze noch erfüllt wird.
Das BVerfG hat bezüglich der Art der Finanzierung Vorgaben gemacht.
Die Finanzierung muss so gestaltet sein, dass die Programmfreiheit nicht beeinträchtigt wird.
Es muss die Unabhängigkeit der Anstalten gewährt bleiben.
Diese Vorgaben schränken die Mittelbeschaffung deutlich ein.
Eine vorrangige Finanzierung durch Werbung scheidet nach dem BVerfG aus.
Sie würde zu einer Abhängigkeit von Einschaltquoten führen und dies wiederum die Programmvielfalt gefährden (vermehrte massenattraktive Sendungen, Sendungen aus Sport und Unterhaltung).
Aus den gleichen Gründen ist eine vorrangige Finanzierung im Sinne eines Bezahlfernsehen verfassungsrechtlich ausgeschlossen.
Über die Möglichkeit einer Finanzierung aus allgemeinen Haushaltsmitteln (Steuer) hat das BVerfG ausdrücklich noch nicht entschieden.
Jedenfalls hat das BVerfG den Landesgesetzgebern und dem örR die Möglichkeit gegeben, die Finanzierung über eine Zwangsabgabe zu finanzieren.
Vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben konnten die hier verhandelten Verfahren eine Erwartung nicht erfüllen, die vermehrt in anderen Verfahren geäussert wurden, nämlich das System des örR überhaupt und seine Finanzierung durch eine Zwangsabgabe.
Es konnte dem Senat nur darum gehen, ob eine Zwangsabgabe in Gestalt eines Rundfunkbeitrags, ebenso wie bei der vorigen Rundfunkgebühr, die verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Gesetzgebung für die Erhebung von Abgaben eingehalten werden.
Der Senat ist der Überzeugung, dass dies der Fall sei.
Die Länder haben die Gesetzgebungskompetenz für die Einführung des Rundfunkbeitrags.
Die Länder haben die Gesetzgebungskompetenz für das Rundfunkrecht.
Die Gesetzgebungskompetenz für das Rundfunkrecht schließt die Befugnis einer Gestaltung der Finanzierung durch nicht-steuerliche Abgaben ein.
Ob die Länder die Gesetzgebungskompetenz für eine Finanzierung durch eine Steuererhebung hätten, brauchte der Senat nicht entscheiden.
Nach Überzeugung des Senats handelt es sich bei dem Rundfunkbeitrag nicht um eine Steuer, sondern um eine verfassungskonforme nicht steuerliche Abgabe.
Gründe für die EinschätzungDas Aufkommen des Rundfunkbeitrags ist zweckgebunden. Es fliesst nicht in den allgemeinen Haushalt. Der Rundfunkbeitrag ist dazu bestimmt den Bestand und Entwicklung des örR zu sichern und zu finanzieren.
Das Beitragsaufkommen soll den beschriebenen Funktionsauftrag dauerhaft sicher stellen.
Weiterhin, im Unterschied zu einer Steuer, ist die Begrenzung des Rundfunkbeitrags auf die Deckung des Finanzbedarfs ausgerichtet.
Das Beitragsaufkommen soll den funktionsgerechten Finanzbedarf nicht überschreiten. Dafür ist die KEF zuständig, die den Finanzbedarf ermittelt. Von den Vorgaben der KEF dürfen Landesregierungen und -parlamente nach BVerfG nur aus bestimmten medienpolitisch neutralen Gründen abweichen. Überschüsse am Ende der 2-jährigen Bedarfsperiode sind laut Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag von der folgenden Bedarfsperiode abzuziehen.
Der RB ist keine Gemeinlast, sondern nach der Konzeption des Gesetzgebers für eine Gegenleistung erhoben -> für die Möglichkeit des Empfangs des örR. Der Rundfunkbeitrag soll diesen Vorteil ausgleichen und ist somit keine Gemein-, sondern eine Vorzugslast.
Der RB schließt an das Innehaben einer Wohnung an, was nach Meinung des Senats eine Vorzugslast nicht ausschliesst, auch wenn eine unbestimmte Zahl von Personen erfasst wird, kann der einzelnen Person der Vorteilsausgleich zugerechnet werden.
Es bedarf für die Erhebung einer nicht-steuerlichen Abgabe einer besonderen Rechtfertigung. Der Finanzbedarf der öffentlich rechtlich Hand ist grundsätzlich durch Steuern zu decken, sonstige Abgaben sind nur in Ausnahmefällen zulässig, für die eine besondere und sachliche Rechtfertigung bestehen.
Gerechtfertigt ist eine nichtsteuerliche Abgabe dann, wenn sie dazu bestimmt ist, einen individuell zurechenbaren Vorteil auszugleichen. Hier handelt es sich um ein Leistungsangebot mit der Möglich den örR zu empfangen.
Verfassungsrechtlich zulässig ist ein RB als Vorzugslast nur, wenn seine Erhebung an ein Merkmal anknüpft, das geeignet ist, den Nutzer zu erfassen, dem der ausgleichspflichtige Vorteil zugute kommt.
Der Senat hat die Frage, ob das Innehaben einer Wohnung geeignet sei, das Merkmal des Zugutekommens des ausgleichspflichtigen Vorteils dem Inhaber der Wohnung zuzurechnen, bejaht.
Der Gesetzgeber hat das Merkmal Wohnung gewählt, weil mit ihm der Inhaber der Wohnung als Beitragspflichtiger unschwer festgestellt werden kann. Dahinter steht die Vorstellung, dass der Inhaber der Wohnung zugleich Besitzer von Rundfunkempfangsgeräten ist.
Diesen Besitz festzustellen wäre schwieriger festzustellen, als das Innehaben einer Wohnung. Die alte Rundfunkgebühr knüpfte an den Besitz eines Rundfunkemfangsgerät an, was zu erheblichen Defiziten bei der Erhebung der Rundfunkgebühr geführt hatte.
Rundfunkempfangsgeräte wurden aber immer schon in einer Wohnung benutzt. Gegen den Willen des Wohnungsinhabers konnte der Besitz eines Rundfunkempgangsgerätes praktisch nicht festgestellt werden. Damit war es dem Besitzer letztlich selbst überlassen die Gebühr zu bezahlen.
Bei mehreren Bewohner einer Wohnung bestand die Schwierigkeit das Gerät einer Person zuzuordnen.
Das Merkmal "Bereithalten eines Rundfunkempfangsgerät" hat somit seinen Stellenwert aufgrund der technischen Entwicklung (Smartphones, Computer) verloren.
Die Verbreitung dieser neuen Geräte führte dazu, dass die Bereitschaft diese anzumelden, abnahm.
Aufgrund dieses Entwicklungsdefizits wurde die gerätebezogene Rundfunkgebühr wegen Verfassungswidrigkeit wegen Verstosses gegen das Gebot der Abgabengerechtigkeit…
Dennoch darf der Gesetzgeber das Merkmal Wohnung nur mit ausreichendem Hinweis auf den Gerätebesitz damit verknüpfen.
Laut Bundesamt für Statistik ist inzwischen nahezu jede Wohnung mit einem Rundfunkempfangsgerät ausgestattet. Der Großteil der Bevölkerung ist in Besitz eines multifunktionalen Geräts (Smartphones, PCs..) mit dem das Rundfunkprogramm empfangen werden kann. Statistisch beträgt der Anteil des Vorhaltens eines TV-Geräts 96,2%, Mobiltelefone 90%, PC und Laptops 82%.
Diese fast lückenlose Ausstattung der Wohnungen mit Empfangsgeräten lässt den Schluss zu, dass die Mehrheit der Wohnungsinhaber das Programm nutzt und auch Geräte für eine mobile Nutzung vorhält.
Damit ist gerechtfertigt anzunehmen, dass der Wohnungsinhaber das Programm auch nutzt und somit als Merkmal der Empfangsmöglichkeit herhalten kann. Das bedeutet auch, dass der Vorteil des Empfangs auch solchen Personen zugeordnet wird, die kein Empfangsgerät besitzen.
Der RB-Staatsvertrag sieht hierfür keine Möglichkeit einer Befreiung vor. Diese Gruppe wird gleichheitswidrig belastet. Der Gesetzgeber darf jedoch aus Gründen der Praktikabilität zur Vereinfachung auf übermassige Differenzierungen verzichten. Es gibt die Typisierungbefugnis. Die Typisierung muss realitätsgerecht sein. Dagegen spreche jedoch die Schwierigkeit der Erfassung. Wichtig, dass beide Punkte in einem akzeptablen Verhältnis zueinander stehen.
Die statistische Erhebung zeigt, dass es sich um einer Unverhältnismässigkeit gegenüber 2-3% der Wohnungsinhaber handelt, auf die das Merkmal des Gerätebesitzes abgestellt werden müsste, von welchem wegen der Erhebungsdefizite Abstand genommen wurde. Die Besichtigung der Wohnung ist mit einem unverhältnismässigen Aufwand verbunden. Dies sei auch der Grund auf die Möglichkeit der eidesstattliche Versicherung zu verzichten (?).
Aus den genannten Gründen hält der Senat die Befugnis des Gesetzgebers zur Typisierung für nicht überschritten.
Überspitzt kann man sagen, dass diejenigen, die kein Empfangsgerät besitzen die Zeche der früheren Schwarzseher bezahlen. Es wird jetzt eine andere Gruppe benachteiligt, als zuvor (tatsächlicher ungefährer Wortlaut des Richters!).
Die Gleichheitsfrage wurde in einem weiteren Zusammenhang gestellt. Ist es mit dem Gleichheitssatz §3 GG vereinbar, dass ein Einpersonenhaushalt genau soviel bezahlt, wie ein Mehrpersonenhaushalt. Wäre nicht ein Prokopfbeitrag geboten? Der Senat hat diese Frage verneint. Die Familienbelastung wäre höher. Die Beitragshöhe sei eher gering.
Letzte Anmerkung des Richters: der Beitrag sei nicht alternativlos. Der Gesetzgeber habe jedoch die verfassungsrechtlichen Grenzen nicht überschritten.
Diskussion der Begründung bitte in dem Thread
"Die schwachen Argumente des Bundesverwaltungsgerichts"http://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,17943.0.html