Hier das Urteil zu dem Beschluss von Dresden Az. 501 M 11711/14
Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge im Freistaat Sachsen: Beauftragung des Gerichtsvollziehers mit der Beitreibung
Orientierungssatz
1. Ersucht nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SächsVwVG die Vollstreckungsbehörde den Gerichtsvollzieher um Beitreibung rückständiger Rundfunkbeiträge, so muss das Vollstreckungsersuchen den Vorschriften des § 4 Abs. 3 SächsVwVG entsprechen.(Rn.4)
2. Das Merkmal „mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt“ i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 1 SächsVwVG entfällt nicht dadurch, dass das Ersuchen individuelle, auf den jeweiligen Beitragsschuldner zugeschnittene Merkmale enthält (Entgegen LG Tübingen, 19. Mai 2014, 5 T 81/14).(Rn.13)
3. Das Vollstreckungsgericht darf die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide nicht überprüfen.(Rn.15)
Diese Entscheidung zitiert
Rechtsprechung
Entgegen LG Tübingen 5. Zivilkammer, 19. Mai 2014, Az: 5 T 81/14
Tenor
1. Die Erinnerung des Schuldners vom 29.09.2014 wird zurückgewiesen.
2. Die einstweilige Anordnung vom 01.10.2014, mit der die weitere Vollziehung des Vollstreckungsersuchens des Gläubigers vom 01.08.2014 einstweilen eingestellt wurde, wird aufgehoben.
Gründe
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1 Der Gläubiger betreibt gegen den Schuldner die Zwangsvollstreckung wegen rückständiger Rundfunkbeiträge. Auf Antrag des Gläubigers lud die Gerichtsvollzieherin den Schuldner zur Abgabe der Vermögensauskunft auf den 25.09.2014. Dagegen wendet sich der Schuldner mit seiner Erinnerung vom 29.09.2014, die er unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 19.05.2014 (5 T 81/14) damit begründet, dass kein Vollstreckungstitel vorliege und das Vollstreckungsersuchen unwirksam sei.
II.
2 Die nach § 766 Abs. 1 ZPO zulässige Erinnerung ist unbegründet. Die gesetzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
3 Nach § 10 Abs. 2 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages (RBStV), den der Freistaat Sachsen mit Gesetz vom 06.12.2011 ratifiziert hat (SächsGVBl. 2011, Seite 637), ist Gläubigerin des Rundfunkbeitrags die jeweilige Landesrundfunkanstalt. Nach § 10 Abs. 5 RBStV werden rückständige Beiträge durch die zuständige Landesrundfunkanstalt festgesetzt. Ein solcher Festsetzungsbescheid wird nach § 10 Abs. 6 RBStV im Verwaltungsvollstreckungsverfahren vollstreckt. Die Landesrundfunkanstalt nimmt nach § 10 Abs. 7 RBStV die ihr nach dem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr.
4 Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 SächsVwVG kann die Vollstreckungsbehörde auch den Gerichtsvollzieher um Beitreibung ersuchen. In diesem Fall gelten die Bestimmungen des Achten Buches der ZPO entsprechend mit der Maßgabe, dass das schriftliche Vollstreckungsersuchen an die Stelle des vollstreckbaren Schuldtitels tritt und eine Zustellung des Vollstreckungsersuchens -abweichend von § 750 Abs. 1 ZPO- nicht erforderlich ist, § 14 Abs. 2 Satz 3 SächsVwVG. Das Vollstreckungsersuchen muss nach § 14 Abs. 2 Satz 4 SächsVwVG den Vorschriften des § 4 Abs. 3 SächsVwVG entsprechen. Es muss daher folgende Angaben enthalten:
5 1. die Bezeichnung und das Dienstsiegel der ersuchenden Behörde sowie die Unterschrift des Behördenleiters oder seines Beauftragten; bei einem Vollstreckungsersuchen, das mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt ist, können Dienstsiegel und Unterschrift fehlen,
6 2. die Bezeichnung des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes unter Angabe der erlassenden Behörde, des Datums und des Aktenzeichens,
7 3. die Angabe der Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners, im Falle der Beitreibung die Angabe des Grundes und der Höhe der Geldforderung,
4. die Angabe, dass der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist, ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat oder seine sofortige Vollziehung angeordnet worden ist; im Falle der Vollstreckung aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag die Angabe, dass sich der Schuldner in dem Vertrag wirksam der sofortigen Vollstreckung unterworfen hat und die sonstigen Voraussetzungen der Vollstreckung aus dem Vertrag vorliegen,
9 5. die Bezeichnung der Person, gegen die sich die Vollstreckung richten soll,
10 6. im Falle der Beitreibung die Angabe, wann der Schuldner gemahnt worden ist oder aus welchem Grund die Mahnung unterblieben ist.
11 Einer Vorlage der zu vollstreckenden Verwaltungsakte bedarf es nach § 14 Abs. 2 Satz 3 SächsVwVG nicht, da diese durch das Vollstreckungsersuchen ersetzt werden, das im Übrigen alle notwendigen Angaben enthält:
12 Das Vollstreckungsersuchen bezeichnet die ersuchende Behörde, den Mitteldeutschen Rundfunk, korrekt. Der Zusatz auf der rechten Seite des Briefkopfes „ARD ZDF Deutschlandradio Beitragsservice“, bei dem es sich um die als öffentlich-rechtliche Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle handelt, ändert nichts daran, dass der Mitteldeutsche Rundfunk als die ersuchende Behörde eindeutig identifizierbar ist.
13 Da es sich bei dem Vollstreckungsersuchen augenscheinlich um ein solches handelt, das mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt wurde, dürfen Dienstsiegel und Unterschrift fehlen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts Tübingen in der genannten Entscheidung entfällt das Merkmal „mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellt“ nicht dadurch, dass das Ersuchen individuelle, auf den jeweiligen Beitragsschuldner zugeschnittene Merkmale enthält. Schon der Name und die Anschrift des jeweiligen Schuldners müssen auch auf einem mit Hilfe automatischer Einrichtungen erstellten Schriftstück naturgemäß jeweils individuell angegeben werden (vgl. LG Dresden, Beschluss vom 20.10.2014, 2 T 819/14). Unter den Begriff der „automatischen Einrichtung“ fallen sowohl die Großrechenanlagen wie auch der (ggf. mit anderen Rechnern vernetzte) PC am Arbeitsplatz. Der Rechner muss als Hilfsmittel bei der Entscheidungsfindung dienen, indem etwa auf Grundlage der getätigten Eingaben eine Rechenoperation oder eine Terminverwaltung durchgeführt wird. Die automatische Einrichtung muss damit letztlich bei der Formulierung des verfügenden Teils des Verwaltungsakts helfen (vgl. Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, VwVfG, 8 Aufl., § 37 Rn. 67-73). Dies ist hier ganz offensichtlich der Fall. Das Gericht schließt es aus, dass die Landesrundfunkanstalten bzw. die Verwaltungsgemeinschaft die millionenfach zu fertigenden Beitragsbescheide mit Schreibmaschine und Taschenrechner erstellen. Auch soweit jeweils vorangegangene Beitragsbefreiungen bei der Berechnung berücksichtigt werden, spricht dies nicht gegen eine Erstellung des Ersuchens mit Hilfe einer automatischen Einrichtung sondern im Gegenteil für eine leistungsfähige Software.
Die jeweils zu vollstreckenden Verwaltungsakte sind in der Anlage zum Vollstreckungsersuchen genau bezeichnet. Das Vollstreckungsersuchen gibt ferner die Verpflichtung des Vollstreckungsschuldners und Grund und Höhe der Geldforderung an. Das Ersuchen gibt auch an, dass der jeweilige Verwaltungsakt unanfechtbar geworden ist bzw. ein gegen ihn gerichteter Rechtsbehelf kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Das Ersuchen nennt schließlich auch die Daten der erfolgten Mahnungen.
15 Eine weitere Prüfung darf das Vollstreckungsgericht nicht vornehmen, da die Einwände, die Beitragsbescheide seien rechtswidrig oder der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag gar verfassungswidrig, materiell-rechtlicher Natur sind. Das Vollstreckungsgericht darf die Rechtmäßigkeit eines Vollstreckungstitels nicht überprüfen. So kann im Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht eingewandt werden, ein Rechtsstreit sei vom Prozessgericht falsch entschieden worden; dies kann nur im Erkenntnisverfahren durch Rechtsmittel geltend gemacht werden. Das Vollstreckungsgericht ist keine Rechtmittelinstanz. Demgemäß kann die Rechtmäßigkeit der hier in Rede stehenden Beitragsbescheide nur durch die nach § 40 Abs. 1 VwGO hierzu berufenen Verwaltungsgerichte überprüft werden. Dies übersieht das Landgericht Tübingen in seinem Beschluss vom 19.05.2014.
16 Dies gilt auch, soweit § 11 der Satzung des Mitteldeutschen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge bestimmt, dass für den Fall, dass der nach § 7 Abs. 3 RBStV monatlich geschuldete und in der Mitte eines Dreimonatszeitraums zu leistende Rundfunkbeitrag als Schickschuld (§ 10 Abs. 2 RBStV) nicht entrichtet wird, mit dem dann zu erlassenden Beitragsbescheid sogleich Säumniszuschläge festzusetzen sind. Wenn das Landgericht Tübingen hier zwischen „materieller Beitragspflicht“ einerseits, die kraft Gesetzes entstehen könne, und „Zahlungsverpflichtung“ andererseits, die nur durch Verwaltungsakt entstehen könne, unterscheidet, ist dies schon nicht nachvollziehbar. Abgesehen davon, dass gesetzliche Zahlungspflichten ohne vorangegangene Verwaltungsakte etwa im Steuerrecht (§ 18 UStG) durchaus üblich sind, darf das Vollstreckungsgericht auch insoweit die Rechtmäßigkeit der Beitragsbescheide nicht überprüfen.
17 Die gemäß §§ 766 Abs. 2 Satz 2, 732 Abs. 1 ZPO erlassene einstweilige Anordnung vom 01.10.2014 tritt mit der Entscheidung über die Erinnerung außer Kraft. Die Aufhebung erfolgt lediglich zur Klarstellung.
18 Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das Verfahren gerichtsgebührenfrei ist und die Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht kommt.