Ich versuche derzeit immer noch die rechtliche Lage, die sich mir als Puzzelteile zeigen, zusammenzusetzen und möchte euch die letzten Erkenntnisse mitteilen bzw. zur Diskussion stellen:
- Die Verträge des Gesetzgebers können eine ÖR-Anstalt dazu befugen in die Rechte Dritter einzugreifen. (1,2)
- bei solchen Gesetzen wird zwischen "formalen" und "materiellen Gesetzen" unterschieden. Materielle sind den formalen Gesetzen untergeordnet (1,2)
- Da die ÖR-Anstalt mit der Wahrnehmung (Beitragseinzug) ihrer hoheitlichen Pflichten nachkommen, stehen sie unter besonderer Aufsicht/Regelung, welche das VwVfG regelt.
- Somit ist auch § 58 Abs 1 VwVfG: Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, der in Rechte eines Dritten eingreift, wird erst wirksam, wenn der Dritte schriftlich zustimmt. anwendbar.
- Die schriftliche Zustimmung findet offenbar durch den Beitragsbescheid statt. Dabei ist die Person, gegen die der Verwaltungsakt (Beitragsbescheid) erlassen wurde, in der Pflicht dessen Unrechtmäßigkeit bzw. Verstoß gegen seine persönlichen Rechte der Behörde/Gericht gegenüber anzuzeigen (3).
(1)Die R. kann, da sie materielles Gesetz ist, Grundlage von Verwaltungsakten sein. Die R. (Rechtsverordnung) ist unwirksam, wenn sie sich nicht im Rahmen der erteilten Ermächtigung hält oder sonstwie gegen höherrangiges Recht (formelles Gesetz, Verfassung) verstößt.
Rote Textstellen wurden von mir eingefügt.(2)Im Bereich des Rundfunkgebührenrechts (Erhebung und Befreiung von Gebühren) unterliegt der Beklagte (ÖRR) einer derartigen Aufsicht, denn er nimmt in diesem Bereich eine hoheitliche Aufgabe mit der Befugnis wahr, in die Rechte der Rundfunkempfänger einzugreifen.
Rote Textstellen wurden von mir eingefügt.(3)SGB = Sozialgesetzbuch, hier leider nur über eine kostenlose Testversion verfügbar, evtl gibt es noch andere Quellen?
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag kann ebenso wie ein Verwaltungsakt in Rechte eines Dritten eingreifen. Der beim Verwaltungsakt gegebene Schutz durch das Rechtsbehelfsverfahren wäre indessen gegenüber einem öffentlich-rechtlichen Vertrag nicht gegeben. Deshalb trifft Abs. 1 eine ausdrückliche Regelung, dass die Zustimmung des Dritten erforderlich ist. [...] Allerdings kommt die nach § 184 Abs. 1 BGB grundsätzlich vorgesehene Rückwirkung der Genehmigung auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht in Betracht, sondern der Vertrag erlangt erst bei Vorliegen der Genehmigung seine Rechtswirksamkeit. Dies ergibt sich zwingend aus dem Wortlaut "wird erst wirksam". Insoweit ist § 57 gegenüber den BGB-Vorschriften vorrangig (a. A. Kopp, VwVfG, § 58 Rz. 3; Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X, § 57 Rz. 7). Die Zustimmung gegenüber einer Vertragspartei reicht aus (§ 181 Abs. 1 BGB); bloßes Schweigen gilt jedoch nicht als Zustimmung. Die Vertragspartner können ihre Willenserklärungen jedoch nicht vor der Zustimmung frei zurückziehen, denn nach § 145 BGB ist der Antragende an den Antrag gebunden.
Sind die betroffenen Dritten gesetzlich oder aufgrund anderer vertraglicher Bindung verpflichtet, die Zustimmung zu erteilen, so kann dies erforderlichenfalls durch gerichtliche Entscheidung nach § 894 ZPO ersetzt werden.
§ 894 ZPO - Fiktion der Abgabe einer Willenserklärung -> die Willenserklärung (des Betreffenden) erfolgt durch eine gerichtliche Entscheidung
Ein Eingriff in die Rechte eines Dirtten liegt vor, wenn objektiv der rechtliche Status eines Dirtten durch den Vertragsabschluss verschlechtert, vernichtet, oder beeinträchtigt wird.Dabei ist ein Eingriff immer dann gegeben, wenn vertragliche Bestimmungen selbst in subjektiv-öffentliche Rechte eines Dritten eingreifen. Ein solcher Eingriff liegt jedoch nicht vor, wenn durch die vertraglichen Vereinbarungen eine bloß faktische Beeinträchtigung etwa durch Vereitelung künftiger Erwerbschancen entsteht (BSG, SozR, 3-2500 § 109 Nr. 7). In der Literatur umstritten ist die Frage, ob eine Zustimmung gemäß Abs. 1 auch dann erforderlich ist, wenn zwar nicht durch die vertraglichen Bestimmungen unmittelbar in Rechte eines Dritten eingegriffen wird, sondern eine Behörde sich vertraglich verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, durch die dann in Rechte eines dritten eingegriffen wird. Teilweise wird die Auffassung vertreten, der Dritte sei dadurch ausreichend geschützt, dass er gegen die dann ergriffenen Maßnahmen der Behörde mit Rechtsmitteln vorgehen könne (Marschner, in: Pickel/Marschner, SGB X, § 57 Rz. 8, Siewert, in GK-SGB X § 57 Rz. 13 f.). Die Verneinung der Zustimmungsbedürftigkeit führt jedoch dazu, dass der Dritte zuerst einmal mit einem Vertrag zu seinen Lasen belastet wird. Da eine solche Konstellation grundsätzlich vermieden werden soll, ist eine Zustimmungsbedürftigkeit anzunehmen (ebenso Engelmann, in: v. Wulffen, SGB X; § 57 Rz. 5 m. w. N.; Diering, in LPK-SGB X. § 57 Rz. 4).
Unbedenklich dürfte es sein, wenn die Behörde zur Einholung der Zustimmung die betroffenen Dritten gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 als Beteiligte zum Verfahren hinzuzieht. Teilweise wird gefordert, in den Fällen, in denen es unklar ist, ob ein Eingriff in Rechte Dritter vorliegt, dem Dritten den Vertrag analog § 37 bekannt zu geben und damit spätere Einsprüche zu präkludieren (Schmitz, NVwZ 2000 S. 1238).
§ 37 VwVfG - Bestimmtheit und Form des Verwaltungsaktes; Rechtsbehelfsbelehrung
Meiner Ansicht nach bedeutet das somit folgendes:Bei einem ör-Vertrag (wie dem RStV), bei dem es unklar, oder klar ist, dass in Rechte Dritter eingegriffen wird, ist eine Zustimmung des Dritten erforderlich. Dieser "Vertrag" kann dem Dritten durch den Verwaltungsakt (Beitragsbescheid) bekannt gegeben und dessen Zustimmung "angefordert" werden. Der Dritte muss dann ggf. mit der Wahrnehmung seiner rechtlichen Mittel Widerspruch einlegen und seine verletzten Rechte der Behörde/dem Gericht anzeigen. Eine verstreichung der Frist oder Zahlung des Betrages zählt dann als Zustimmung.
Interessant hier: der ÖRR verpackt das alles natürlich anders, dass man zur Abgabe verpflichtet sei und das der Beitragsbescheid quasi schon die Androhung der Vollstreckung ist.
Ebenfalls interessant ist, dass der Vertrag nicht rechtskräftig ist, solange die Dritten nicht zugestimmt haben! Eine rückwirkende Rechtsgültigkeit wird ausgeschlossen.
Somit sollten Verweigerer erst zu dem Zeitpunkt zahlungspflichtig werden, an dem sie einknicken, oder das (Verfassungs-)Gericht die Klagen endgültig abweist.
Letzteres bedeutet aus meiner Sicht, dass der RStV nicht endgültig rechtskräftig ist und die Zahler derzeit quasi freiwillig zahlen, da dem ÖRR die Zustimmung der Dritten (allen Dritten) fehlt.
Möglicherweise ist dies aber auch eine Sache der individuellen Vereinbarung, bedeutet, dass für die Zahler der RStV wirksam geworden ist, für die Verweigerer jedoch nicht.