Und wieder einmal Hallo zusammen!
Die Frage die von Pumuckl zu beantworten wäre (wo er sich aber sicher drum herumdrückt) ist die, warum der ÖRR im Internetzeitalter noch notwendig ist. Und zwar notwendig - nicht nur wünschenswert.
Weil Angebote im Internet privat initiiert und damit nicht unabhängig sind.
Die Notwendigkeit ergibt sich aus den Gesetzen, die den Staat dazu verpflichten, einen freien und unabhängigen Rundfunk zur Verfügung zu stellen. Und das geht nur, wenn sichergestellt ist, dass die Finanzierung nicht von privaten, wirtschaftlichen oder parteilichen Interessen abhängig ist. Sieht man sich die deutsche Geschichte an, weiß man auch, warum diese Gesetze entstanden sind.
Dass die ÖR nicht unabhängig sind und mit ihrer "Sendervielfalt" und den ausgeweiteten Medienangeboten sowie viel zu hohen Kosten weit über das Ziel hinausschießen, steht auf einem anderen Blatt. Sie halten sich damit nicht an ihren eigenen Rundfunkstaatsvertrag, was unbedingt geändert werden muss. Auch die Datensammelwut der GEZ ist ein absolutes Unding und ich verstehe nicht, warum diesbezüglich kaum Widerstand und Kritik geübt wird.
Trotzdem stehen hinter weitestgehend jedem Internetauftritt private Interessen, und private Interessen können nunmal nicht unabhängig sein.
Ein schönes Beispiel (kein Vergleich!) zur öffentlich nachteiligen Abhängigkeit von privaten Interessen bietet das Gesundheitswesen: Ärzte und Fachleute nehmen oft an Fortbildungen und Seminaren teil, die von Pharmaunternehmen veranstaltet oder gefördert/gesponsort werden. Bei diesen Seminaren werden den Ärzten Krankheiten und ihre Auswirkungen näher gebracht und auch gleich die passende Therapie dagegen, die -wen wundert's- am besten mit dem unternehmenseigenen, neu entwickelten und unangemessen teuren Medikament funktioniert.
Die Pharmaunternehmen versorg(t)en Ärzte außerdem mit Praxiseinrichtung und anderen "Zuwendungen", was natürlich dazu führt, dass die Ärzte eine stille Verpflichtung eingehen, die Medikamente des entsprechenden Unternehmens öfter zu verschreiben. Am Ende wird wegen privater Interessen mit dem Leben von Menschen experimentiert, statt den eigentlichen Auftrag, nämlich die Genesung zu unterstützen, zu erfüllen.
Beruflich habe ich oft mit Kindern und Jugendlichen zu tun, bei denen AD(H)S diagnostiziert wurde und die Medikamente bekommen, damit sie sich konzentrieren können und ruhiger werden. Diese Medikamente kosten unglaublich viel Geld und fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Aus Erfahrung weiß ich, dass etwa 50% dieser Kinder einfach unausgeglichen sind oder andere psychische oder soziale Probleme haben und ohne Medikamente viel besser "pädagogisch beeinflussbar" wären. Stattdessen wird nicht die Ursache, sondern die Symptomatik behandelt. Wir stellen diese Kinder mit heftigsten Psychopharmaka ruhig anstatt ihnen langfristig zu helfen, weil die Ärzte von Pharmaunternehmen beeinflusst und aufgrund privater (wirtschaftlicher) Interessen falsch oder nicht umfassend genug informiert wurden.
In wiefern das nun auf den Rundfunk übertragbar wäre, wenn zwei große Medienmogule den gesamten deutschen Rundfunk in ihrer Hand hätten, überlasse ich eurer Phantasie.
Nun ja, alles was wichtig ist und gemeinfinanziert ist - also Schulen, Universitäten,
Polizei, Justiz, Sozialeinrichtungen usw. - das ist in der Tat wichtig - und wird aus
Steuern finanziert
...und ist nicht unabhängig, da staatlich kontrolliert.
Der Beitrag für die ÖRR ist dies aber nicht: Er ist absolut ...
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des einzelnen Bürgers wird NICHT berücksichtigt!
Hier widerspreche ich dir nicht einmal: Die momentane Umsetzung des Beitragssystems ist sozial ungerecht und muss geändert werden. Deswegen hab ich im ersten Beitrag schon geschrieben "die Berechnung der Gebühren sollte sozial gerechter aufgebaut sein, z.B. Einkommensabhängig."
Und diese Kriterien bedeuten, dass der ÖRR ausschließlich "sinnvolle", einen
Bildungsauftrag im demokratischen Sinne erfüllende, Inhalte sendet.
Diese Bedingungen sind im Rundfunkstaatsvertrag bereits festgehalten.
Jedoch: Krimis, Action-Thriller, TV-Produktionen sind eindeutig "Unterhaltung". Sie sind
- aus meiner Sicht - niemals Sache des gemeinfinanzierten ÖRR.
Richtig, sie sind Unterhaltung. Man kann sicherlich lange darüber diskutieren, ob Unterhaltungssendungen zu ÖR Sendern gehören, im Rundfunkstaatsvertrag steht dazu (§6 Abs.1) "Die Fernsehveranstalter tragen zur Sicherung von deutschen und europäischen Film- und Fernsehproduktionen als Kulturgut sowie als Teil des audiovisuellen Erbes bei".
Speziell beim Tatort kann man die gesellschafliche Relevanz gut hervorheben. Da ich ihn selbst nicht schaue, kann ich mich dabei jedoch nur auf Internetquellen und persönliche Gespräche berufen, z.B.
http://de.wikipedia.org/wiki/Tatort_%28Fernsehreihe%29#Gesellschaftspolitische_BedeutungDa du zum Thema Grundversorgung auf einen anderen Thread verweist, zitiere ich dich aus diesem Thread:
Nicht zur Grundversorgung gehören:
-----------------------------------------------
1. Spielfilme, Fernsehfilme, Kinofilme, Krimis
2. Unterhaltungs-Shows (Großer Preis, Wetten dass usw.)
3. Alltags- und Beziehungstalkshows
4. Gerichtsshows
5. Kochsendungen
6. Major-Musiksendungen (Musikantenstadl, Major-Konzerte usw.)
7. Major-Kultursendungen/-Übertragungen
8. Alle Sportformate
Meine Meinung zu den einzelnen Punkten:
1. Sofern es deutsche Produktionen sind, gehören sie schon zum deutschen Kulturgut. Wenn die Produktion eines Filmes u.a. vom ZDF gefördert wurde, sollte er auch dort zu sehen sein.
2. Unterhaltungs-Shows gehören nicht zur Grundversorgung, sehe ich auch so. Ausnahme: Wenn die Show starke gesellschaftliche Bedeutung hat. Auch Unterhaltungs-Shows, die hauptsächlich den Zweck haben, Spenden für z.B. Flutopfer zu sammeln, finde ich durchaus angemessen (natürlich nur selten, bei besonderen Gegebenheiten, nicht regelmäßig)
3-5. zählt meiner Meinung nach ebenfalls nicht zur Grundversorgung.
6+7. Kommt darauf an, ich denke hier müsste man genauer differenzieren.
8. Doch, da Sport große gesellschaftliche Bedeutung hat, gehört er zur Grundversorgung - in gewissen Maßen. Die Preise für manche Übertragungsrechte (insbesondere beim Fußball) sind so astronomisch hoch (resultierend aus privaten Interessen...), dass wir darüber nicht einmal diskutieren brauchen.
ist den Ihrer Meinung alle 90 Sender mit ätlichen Wiederholungen
und sinnlosen Inhalt eine Grundversorgung?
Diese Inhalte kann man wirklich einfach verschlüsseln.
Nein, 90 Sender sind eindeutig zu viel für Grundversorgung.
Wenn ich entscheiden müsste, was für Sender öffentlich-rechtlich betrieben werden sollen, würde das auf 20 Fernsehsender und 19 Radiosender hinauslaufen: Jeweils einen regionalen Sender pro Bundesland, wobei die Radiosender jeweils auf verschiedenen Frequenzen die einzelnen Kreise beliefern könnte (wegen regionalen Nachrichten und z.B. Verkehrswarnungen, Veranstaltungen, etc.), und vier bundesweite Fernseh- (ARD, ZDF, KiKa, Phoenix) sowie drei Radioprogramme, um verschiedene Themengebiete abdecken und passend auf die Sender verteilen zu können (auch dass die Sendungen thematisch zusammenpassen sollen, steht im Rundfunkstaatsvertrag). Die regionalen Fernsehsender könnten sich dabei an Programm größtenteils gleichen und damit kaum mehr Kosten verursachen als ein dritter bundesweiter Sender, da außerhalb des regional relevanten Programms ein bundesweiter Sender genügen würde.
Damit wäre genug Sendeplatz verfügbar um alle Bilduns-, Informations-, Kultur- und Unterhaltungsaufträge erfüllen und gleichzeitig eine vielfältige Auswahl anbieten zu können.
"Verschlüsselung" und "öffentlich" passt nicht zusammen, also sollten die "überflüssigen" Inhalte einfach an andere, private Sender verkauft oder besser garnicht erst eingekauft werden.
Ich werde wahrscheinlich auch eigne GEZ betreiben und
euch Rechnungen zukommen lassen.
Der Unterschied zwischen dir und den öffentlich-rechtlichen Sendern ist, wenn man es von der rechtlichen Seite aus betrachtet, dass du keinen Auftrag vom Deutschen Volk hast, mich mit irgendwas zu versorgen. Im Präambel des Grundgesetzes steht "...hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben", was dort steht wurde also (rechtlich gesehen) in unserem Namen beschlossen.
Wenn das, was in diesen Gesetzen und dem daraus hervorgegangenen Vertrag steht, jemandem nicht passt, hat jeder die Möglichkeit etwas dagegen zu unternehmen und sollte dies auch tun. Die Unterschriftenaktion ist z.B. ein angemessenes rechtliches Mittel, deswegen hab ich dort auch unterschrieben.
Um mehr Menschen für die Sache zu gewinnen, muss man überzeugen können, was am Besten mit Argumenten klappt. Wenn du nun schreibst "Dann mach ich meine eigene GEZ auf" ist das zwar reißerisch und amüsant, aber so wenig überzeugend wie die Schlagzeile der BILD-Zeitung.
Beste Grüße,
Pumuckl