Da ich den Thread eröffnet hatte und nun merke, dass hier mehr darüber geschrieben wird, wie die GEZ-Seite wohl über eine solche Verweigerung urteilen wird als dass über wirkliche, konkrete Gewissensgründe jedes einzelnen gesprochen wird
Sorry, dass ich hier etwas Pessimismus verbreitet hab. Ich hab mich eher auf diverse Aussagen vermutlich jüngerer Menschen bezogen, denen ein Gewissen in Form sehr strikter Wertgebundenheit eher fremd ist und das womöglich hauptsächlich als Mittel zum Zweck sehn.
Ich hab erst jetzt den Anfang des Threads und insbesondere dein
Ausgangsposting (das ich auch Anderen zur Lektüre empfehl) gelesen. Das ist schon eine fundierte Argumentation, die zumindest beim Bundesverfassungsgericht nicht völlig chancenlos ist. Wenn sich eine Landesrundfunkanstalt von sich aus drauf einlässt, würd mich das aber trotzdem ziemlich erstaunen.
Ich habe den Kriegsdienst damals verweigert, weil der Satz "Nie wieder Krieg" in den Zeiten meiner Erziehung in Schule und Elternhaus noch sehr deutlich nachhallte.
Das war schon eine gute Grundlage, aber allein damit wirst du bei der Gewissensprüfung wohl kaum durchgekommen sein. Für mich ist es relativ absurd, mich selbst als ziemlich einseitig determiniert zu betrachten. Was ich als mein Gewissen betrachte, speist sich aus einer Vielzahl von Quellen, deren Werte ich mit meinem Verstand nach Plausibilität sortiert und daraus meinen persönlichen Wertekanon gebildet hab. Dadurch ist mein Gewissen ziemlich rational geprägt. Sowas wird aber kaum anerkannt, obwohl es für jüngere, bewusst handelnde Leute der Normalfall ist.
Bei meiner Kriegsdienstverweigerung hab ich deshalb nicht mit meinem echten Gewissen argumentiert, sondern halt auch auf Basis vorgetäuschter Traumata aufgrund tradierter Kriegserfahrungen. (Zur Einordnung: Der wesentliche Teil meiner Sozialisation war zur Zeit der heißen Phase der Nachrüstung Anfang der 80er. Ich bin nach dem Stichtag geboren, hätte aber bei frühzeitigem Antrag auch noch eine mündliche Verhandlung haben können. Der Hauptteil meiner Prägung stammt aus katholisch-alternativem Milieu.)
Den Rundfunkbeitrag verweigere ich aus dem Grunde, das dem Unglück, dass über uns mit dem Naziregime hereinbrach, eine einseitige Propaganda zur Seite stand, die eben auch, als gut und wichtig angepriesen, mit den Jahren zu einem Monster heranwuchs, und alle anderen Meinungen verdrängte.
Vermutlich ist das die erfolgversprechendste Argumentation, aber ich seh das eigentlich eher anders. Durch die Doktrin der Staatsferne ist ein richtig einseitiger Zugriff schon relativ wirksam unterbunden. Aber die sogenannte Binnenpluralität ist selektiv. Die Staatsferne bedeutet gleichzeitig, dass es keine wirksame demokratische Kontrolle geben darf, und zudem ist die Eintrittsschwelle in den Kreis derer, die im Rundfunk Propaganda betreiben dürfen, sehr hoch (Umweltverbände haben es z.B. inzwischen bis in die Rundfunkräte geschafft, andere aber nicht, und wer bzw. was informell von den Journalisten propagiert wird, ist noch zufälliger (und zufälliger Pluralismus ist weder freiheitlich noch demokratisch)). Echter Pluralismus scheitert in dem Medium schon daran, dass zumindest die relevanten Hauptprogramme notwendigerweise strikt in einen seriellen Strom filtern müssen und damit zwangsläufig tendenziös sind.
Die politische Ausrichtung halt ich aber für das kleinere Problem. Wesentlich gewichtiger ist für mich, dass das Fernsehen lauter reine Konsumobjekte züchtet. Der öffentlichrechtliche Rundfunk ist dabei zwar nicht direkt das Hauptproblem (obwohl es auch nicht nur an der expliziten Werbung festzumachen ist), aber allein die Propagierung des Fernsehens als für die Gesellschaft unverzichtbares Medium ist für mich ethisch unerträglich, sofern ich zur aktiven Mitwirkung gezwungen werd (was ja nun der Fall ist). Ich hab es lang für ihren Untergang gehalten, aber das Internet hat die akute Gefahr gemindert, solang es wenigstens ansatzweise frei bleibt. Ansonsten ist das Einzige, was mich zweifeln lässt, die Frage, ob die menschliche Gesellschaft überhaupt erhaltenswert ist, oder ob nicht vielmehr ihr Untergang zu fördern wär. Das würde aber meine Wertebasis so erschüttern, dass mein Gewissen diese Konsequenz momentan nicht hergibt.
In die Justiz habe ich eigentlich auch Vertrauen - den Bockmist bauen die Politiker mit ihren unausgegorenen Gesetzen, wo keiner mehr weiss, woran er sich halten soll.
Ich werd hier nicht den juristischen Weg gehn, nicht weil ich kein Vertrauen in die Justiz hätte, sondern weil die Justiz nicht dazu da ist, üble Gesetze zu korrigieren, solang sie politisch unstrittig sind. Die Justiz darf in einer Demokratie nicht über der Politik stehn. Das einzige zulässige Korrektiv gegenüber einer klaren parlamentarischen Mehrheit ist das Volk selbst (man kann sich allenfalls fragen, ob die Achtung einer Gewissensentscheidung nicht doch irgendwie von einer Mehrheit gewollt ist).
Für mich ist die Konsequenz der Missachtung essenzieller Minderheitsrechte schlicht der Wiederstand. Ich zahl einfach nicht ohne richtig viel Zwang. Wenn irgendwann ein Beitragsbescheid kommt (nächste Woche erwart ich erst den 3. Brief aus dem Melderegisterabgeich), werd ich vermutlich einen Wiederspruch in Kenntnis der Unzuständigkeit an den Petitionsausschuss des Landtags schicken, damit sie zumindest wissen, was sie tun.
Wahrscheinlich werd ich ihnen dabei auch die Zahlung von 23,97 €/Monat (1/3 Aufschlag wie beim Zivildienst) an eine sinnvolle Organisation als Option für eine zukünftige Gesetzesänderung anbieten. Der Haken daran ist bloß, dass sie nicht wissen können, ob ich das ohnehin tu und deshalb im Saldo kostenfrei rauskomm. Ansonsten wär das eine Lösung, mit der alle leben könnten (außer denen, die fundamental gegen derartigen staatlichen Zwang sind).