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Autor Thema: Staatsferne und Psyche  (Gelesen 787 mal)

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Staatsferne und Psyche
Autor: 23. Juni 2024, 11:26
Es ist erstmal nur ein kleiner Gedanke, den ich in Worte fassen möchte:
Der Begriff "staatsfern" wird in Deutschland als eher positiv ausgelegt. Das ist eigenartig, denn der Staat symbolisiert doch eigentlich eine Gemeinschaft, die durch eigene Regeln und Abmachungen erst stark wird. Das Misstrauen gegenüber dem "Staat" wurde ja durch die totalitären Strukturen der Vergangenheit in Deutschland erzeugt und zieht sich bis heute in die systembedingt eigentlich eher für Diktatoren "ungemütliche" Staatsform "Demokratie" hin. Anstatt Demokratie zu fördern, ist Deutschland ein Land, das vor lauter Angst vor zuviel Staatsnähe den förderungswürdigen Staat abschafft. Propagiert wird diese Staatsferne hauptsächlich und als zentrale Existenzbegründung vom Deutschen ÖRR. Das gibt es in keinem anderen Land. Ein überzogen starkes staatsfernes Rundfunksystem, das in genau diesem Staat existieren kann ist entweder von aussen gesteuert oder mafiös, Es bildet also nicht dem Staat zugehörige (Macht)interessen ab. So zumindest meine Auffassung. Was hat das für einen Einfluss darauf, wie die Bürger Deutschlands ihren Staat sehen? Ich bitte um Gedankenaustausch.

Zusatz: Nur ein staatsfernes Rundfunksystem, das freiwillig von den Bürgern genutzt und finanziert wird (so wie es damals angedacht war: Nutzung > Gebühr oder freiwillige Förderabgabe) kann dem Vorwurf der Fremdsteuerung entkommen und kann in demokratischem Sinne handeln.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 23. Juni 2024, 11:41 von seppl«
„Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig. Damit die Macht nicht mißbraucht werden kann, ist es nötig, durch die Anordnung der Dinge zu bewirken, daß die Macht die Macht bremse.“ (Montesquieu)

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Re: Staatsferne und Psyche
#1: 23. Juni 2024, 11:59
Guten Morgen,

über dergleichen Dinge hat sich auch (der ewige CDU - Dissident) Arnold Vaatz schon Gedanken gemacht, die er hier ...

https://www.achgut.com/artikel/alle_wege_fuehren_in_die_anstalt

... bei der böööhsen "Achse des Guten" zu Papier gebracht hat.
Der Text ist ein bisschen länglich, aber mit der Präzision des studierten Mathematikers kommt er - natürlich - am Schluss auf den Punkt.

Ein Zitat als "Teaser":
Zitat
Solange der öffentlich-rechtliche Moloch in seiner jetzigen Form existiert, die Grenzen des Sagbaren absteckt und die Unversehrtheit der Tabus überwacht, wird unser Land immer tiefer in das Dickicht seiner Fehlentwicklungen hineinrennen, weil jeder, der daran etwas ändern will, von diesem Moloch filetiert wird. Denn da unsere Politiker Mehrheiten benötigen, um mit Mandaten ausgestattet zu werden, können sie nur selten wagen, sich in das Sperrfeuer der Medien zu begeben, da sie deren logistischer Kraft immer unterlegen sind und mit verlorenen Wahlen nichts mehr bewegen können. Und die Medien sind gewohnt, sich die Politiker zurechtzulegen, wie ein Fußballer sich den Ball auf den Elfmeterpunkt zurechtlegt. Nach meiner Überzeugung gibt es nur zwei realistische Wege aus unseren Fehlentwicklungen heraus. Den ersten und leider wahrscheinlichsten gilt es zu vermeiden. Es ist der Weg der Erziehung der Gesellschaft zur Katastrophe. Eine solche ist schon eingetreten: Es ist der Ukrainekrieg. Der zweite Weg besteht darin, die öffentlich-rechtlichen Medien zu veranlassen, ihren eigentlichen Sendeauftrag wieder zu erfüllen: Information statt Erziehung, Debatte statt Indoktrination, Freiheit der Sprache und des Denkens statt Dressur und Inquisition.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 23. Juni 2024, 21:11 von DumbTV«

h
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Re: Staatsferne und Psyche
#2: 23. Juni 2024, 14:02
Das gibt es in keinem anderen Land.
Das würde ich hinterfragen wollen. Zumindest in Großbritannien, Frankreich, Kanada, Schweden, Japan wird ebenfalls auf die Unabhängigkeit/Staatsferne des jeweiligen ÖRR Wert gelegt.

Zusatz: Nur ein staatsfernes Rundfunksystem, das freiwillig von den Bürgern genutzt und finanziert wird (so wie es damals angedacht war: Nutzung > Gebühr oder freiwillige Förderabgabe) kann dem Vorwurf der Fremdsteuerung entkommen und kann in demokratischem Sinne handeln.
Zum Mythos der angeblichen Staatsferne gibt es auch ein interessantes Statement der Europäischen Kommission im Zuge des Beihilfekompromisses aus dem Jahr 2007. Dieses Zitat findet sich in den Werbebotschaften des ÖRR allerdings nicht:
Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex- CP 2/2003, CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004) – Deutschland, Die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland https://ec.europa.eu/competition/state_aid/cases/198395/198395_680516_260_2.pdf
Zitat
(150) Entgegen den von Deutschland vorgebrachten Argumenten ist die Kommission der Auffassung, dass in dem Fall, in dem der Staat einem Unternehmen ein Hoheitsrecht wie hier das Recht auf Erhebung von Rundfunkgebühren überträgt (ein Recht, dass die Länder im Übrigen durch die Änderung der entsprechenden Rechtsvorschriften auch wieder entziehen können), im Lichte der einschlägigen Rechtsprechung davon auszugehen ist, dass die Einnahmen aus den eingezogenen Rundfunkgebühren unter staatlicher Kontrolle stehen.

Ein überzogen starkes staatsfernes Rundfunksystem, das in genau diesem Staat existieren kann ist entweder von aussen gesteuert oder mafiös, Es bildet also nicht dem Staat zugehörige (Macht)interessen ab. So zumindest meine Auffassung. Was hat das für einen Einfluss darauf, wie die Bürger Deutschlands ihren Staat sehen?
Unabhängig davon, ob man Dein Statement mitgeht oder nicht, glaube ich nicht, dass diese Frage einen größeren Einfluss hat. Zumindest bei meinen wenigen Stichproben in meinem Freundes- und Bekanntenkreis wurde keine vertiefte Beschäftigung mit solchen Themen sichtbar. Aber ich kenne zugegebenermaßen wenige der Millionen Haushalte, die sich aktuell im Rundfunkbeitrags-Mahnstatus befinden.

Die ursprünglich gestellte Frage könntest Du auch mal bei Chat GPT eingeben. Da erfährt man aber auch nichts grundsätzlich Neues.


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Re: Staatsferne und Psyche
#3: 26. Juni 2024, 21:44
Das gibt es in keinem anderen Land.
Das würde ich hinterfragen wollen. Zumindest in Großbritannien, Frankreich, Kanada, Schweden, Japan wird ebenfalls auf die Unabhängigkeit/Staatsferne des jeweiligen ÖRR Wert gelegt.
Das ist interessant, weil es genau den unbewussten psychischen Aspekt trifft: Ich habe nicht von Unabhängigkeit im Allgemeinen gesprochen, sondern von der Staatsferne, so wie es hier in D seit Ende des 2.WKs gefordert wird. Du bringst beide in einem Atemzug in Deine Aussage, so dass es aussieht als sei beides das Gleiche. Staatsferne bedeutet Ferne vom Volk, der Verfassung und der Regierung. Dies ist in D allein verankert. Das gibt es in keinem anderen Land, weil es absurd ist, einen Staat aufzubauen, der in sich selber staatsferne Elemente birgt. Der Begriff, der dem damals gemeinten Sinn am nächsten kommt ist die Regierungsferne, die in einem demokratischen Staat eine wichtige Funktion hat. In einem totalitären System, wie es davor herrschte, war eine Regierungsferne im Rechtssystem gar nicht legal machbar.
Der aktuelle deutsche ÖRR ist bürgerfern und verfassungsfern. Bürgerfern, weil er nicht den Finanzierungs- und damit Nutzungwillen abbildet und verfassungsfern, weil er dort und in den Bundesgesetzen überhaupt nicht benannt wird. Einzig die Regierungsferne fehlt, das, was zusammen mit Bürgernähe und Verfassungsnähe ein stimmiges Rundfunkkonstrukt wäre.


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Re: Staatsferne und Psyche
#4: 27. Juni 2024, 00:01
Letzten Endes läuft es darauf hinaus, wie man den Begriff "Staat" definiert.  Deine Definition hast Du vorgetragen. Es gibt aber auch andere (siehe Wiki https://de.wikipedia.org/wiki/Staat). Dort steht auch:
Zitat
Wegen der deutlich voneinander abweichenden Begriffe hat sich eine allgemein gültige Definition nicht herausbilden können.
Ich persönlich habe immer die politikwissenschaftliche Definition vor Augen, nach der "der Staat das System der öffentlichen Institutionen zur Regelung der Angelegenheiten eines Gemeinwesens" ist (siehe ebenso Wikipedia 3.Definition). Mit dieser Definition macht eine geforderte Staatsferne eines ÖRR wiederum Sinn, oder?



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Re: Staatsferne und Psyche
#5: 30. Juni 2024, 14:16
Ich hatte mir auch schon so meine Gedanken dazu gemacht. Mir scheint das Etikett staatsfern auch längst nicht mehr so geheuer. Wenn man sich mal linke Zentren anschaut, waren diese i.A. immer ziemlich unkontrollierte, freie Orte, fand ich i.d.R. immer angenehm. Wenn ich mir dann anschaue, welche Entwicklungen Corona dort provozierte, bin ich mir, was die Staatsferne angeht, da so nicht mehr sicher. Staatsferne Objekte scheinen eher irgendwie sowas wie Sonderwirtschaftszonen (Sonderrechtsobjekte) zu sein, in denen auch der Staat seine Finger im Spiel haben könnte auf die eine oder andere Weise bzw. diese für seine Zwecke nutzt. Ich gehe aber davon aus, dass der primäre Einfluss über Fördergelder stattfindet.

Die Staatsferne des Rundfunk dient einerseits dazu, die GEZ nach eigtl. unrechtlichen Maßstäben einzutreiben. Die Parteien fungieren hier als Bindemittel, Stichwort Rundfunkräte. Interessant fand ich z.B. die Befürchtung der etablierten Parteien, dass die AfD zu viel Macht im Staatsapparat bekommen könnte, wenn diese vermehrt in Ämter gewählt wird und man daher die ministeriale Macht u.a. einschränken müsste. Wäre allgemein vielleicht anzuraten. Legislative, Exekutive und Judikative vermischen sich immer offensichtlicher im Topf der (etablierten) Parteien.

Staatsfern sollte auf jeden Fall nicht als heilige Kuh betrachtet werden, zumal dieser Begriff ja von professionellen Etikettenschwindlern verkauft wird.


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Re: Staatsferne und Psyche
#6: 01. Juli 2024, 09:09
Staatsferne Objekte scheinen eher irgendwie sowas wie Sonderwirtschaftszonen (Sonderrechtsobjekte) zu sein
Wenn von "staatsferne" die Rede ist, bleibt nur die Möglichkeit der Vermutung, woran diese Institutionen denn "nah" sind. Das ist auch so eine Form von Neusprech. Die Universitäten hier nennen sich auch staatsfern als Qualitätsmerkmal. Was da dann passiert ist, dass die Fördergelder über die freie Wirtschaft einfliessen. Forschungsrichtungen sind dann abhängig vom wirtschaftlichen Nutzen. Das entspricht nicht der verfassungsmäßigen Freiheit der Wissenschaft.
Im Medienbereich war (und ist immer noch)  immer besonders wichtig, wem das Medium nahesteht. Nur dann ist eine Einschätzung des Inhalts möglich.
Eine "Bürgernähe" des deutschen ÖRR z.B. würde etwas Messbares sein, der Intention der Gründer und demokratischen Grundsätzen entsprechen.


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