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IPSO IURE!
Es liegt auf der Hand, dass nach den Entscheidungen des EuGH vom 07. Dezember 2023 in den Rechtssachen C-634/21 sowie C-6/22 und C 64/22 von einer Löschungspflicht der Datenbank (privater Bereich) des Zentralen Beitragsservice (ZBS) auszugehen ist. Diese Datenbank wurde mit dem Ziel der rechtswidrigen Massendatenverarbeitung aufgebaut (Projekt DV 2005).
Daran ändert auch die Einführung des § 10 a RBStV durch die „Landesgesetzgeber“, die erst zum 01.06.2020 die Bescheidung im vollautomatischen Verfahren - als Ausnahme vom Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen zugelassen haben (Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO) - nicht das Geringste.
Der Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung hat seit Einführung der Richtlinie 95/46/EG in der gesamten Europäischen Union Geltung und wurde 1995 in Art. 15 der RL 95/46/EG durch Sekundärrecht der Union kodifiziert.
Mit seiner Entscheidung COSTA-E.N.E.L (EuGH Slg 1964, 1251 [1270]) hat der EuGH unter Verweis auf die Notwendigkeit der einheitlichen Gestaltung des Europarechts den Vorrang des Unionsrechtes vor nationalem Recht klargestellt. Mit der Entscheidung Simmenthal-II (EuGH Slg.1978, 629) führte der EuGH unmissverständlich aus:
Das staatliche Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts anzuwenden hat, ist gehalten, für die volle Wirksamkeit dieser Normen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede — auch spätere — entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewendet läßt, ohne daß es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren beantragen oder abwarten müßte.Art. 288 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AUEV) Absatz 2 besagt, dass „die Richtlinie ist für jeden Mitgliedsstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichem Stellen die Wahl und Form der Mittel.“
Gemäß Art. 32 Abs. 1 RL 95/46/EG war Art. 15 RL 95/46/EG innerhalb der dreijährigen Frist in nationales Recht zu transformieren. Dies ist mit § 6 a BDSG alte Fassung (a.F.) sowie entsprechender landesgesetzlicher Regelungen (z.B. § 15 a Verbot automatisierter Einzelentscheidungen des BlnDSG a.F.) geschehen. Danach waren vollständig automatisierte Einzelfallentscheidungen nur durch Gesetz zulässig, welches die Wahrung der berechtigten Interessen des Betroffenen sicherstellt.
Mit der Kodifizierung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung und Umsetzung in nationales Recht (BDSG a.F., BlnDSG a.F.) ist dieser Rechtssatz Bestandteil der Rechtsordnung geworden und stellt damit auch eine Konkretisierung des Grundrechtes auf Datenschutz (z.B. Art. 33 Verfassung von Berlin) dar.
Soweit die nationale Rechtsprechung bislang von einer „Heilungsmöglichkeit“ durch Widerspruchsentscheidung ausgeht (z.B. VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 13.11.2020, Az. 2 S 2134/20
1) ist festzustellen, dass eine „Heilung“ vollautomatisierter Einzelentscheidungen, die auf keiner gesetzlichen Grundlage beruhen, völlig ausgeschlossen ist. Bereits die Gedankenführung der Verwaltungsgerichte, dass ein nichtgesetzliches Verfahren - unter Verstoß gegen Art. 22 I DSGVO und zwar in erheblicher Streubreite (Massenverfahren) - durch Widerspruchsentscheidung und somit mit dem Ziel der bewussten Umgehung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen, heilbar wäre, ist völlig abwegig.
Der EuGH führt in seiner Entscheidung Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023 unmissverständlich aus:
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Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass nur § 31 BDSG eine nationale Rechtsgrundlage im Sinne von Art. 22 Abs. 2 Buchst. b DSGVO darstellen könnte. Bezüglich der Vereinbarkeit dieses § 31 BDSG mit dem Unionsrecht bestehen für dieses Gericht aber durchgreifende Bedenken. Sollte diese Bestimmung als mit dem Unionsrecht unvereinbar angesehen werden, würde die SCHUFA nicht nur ohne Rechtsgrundlage handeln, sondern verstieße ipso iure gegen das in Art. 22 Abs. 1 DSGVO aufgestellte Verbot.Eine angebliche „heilende Widerspruchsentscheidung" stehen in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden europäischen Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen des Datenschutzes der Europäischen Union, dass es unerträglich wäre, diese nicht als nichtig anzusehen. Insbesondere auch deshalb, da die beklagten Landesrundfunkanstalten bewusst und gezielt den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen missachteten und das gemeinsame europäische Datenschutzrecht in der Union mit Füßen treten. Die erkennenden Verwaltungsgerichte haben schon die Gefahren eines vollautomatischen Massenverfahrens verkannt. Der EuGH stellt in seiner Entscheidung Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023 klar:
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Diese höheren Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer automatisierten Entscheidungsfindung sowie die zusätzlichen Informationspflichten des Verantwortlichen und die damit verbundenen zusätzlichen Auskunftsrechte der betroffenen Person erklären sich aus dem Zweck, den Art. 22 DSGVO verfolgt und der darin besteht, Personen vor den besonderen Risiken für ihre Rechte und Freiheiten zu schützen, die mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten – einschließlich Profiling – verbunden sind.
In den vorliegenden Lebenssachverhalten sendet die Datenverarbeitungsanlage die errechneten „Festsetzungsbescheide“ elektronisch an einen privaten Druckdienstleister, dessen computergesteuerte Druck- und Kuvertierungsanlage die „Festsetzungsbescheide“ im Massendruckverfahren ausdruckt und kuvertiert.
Damit steht auch fest, dass es sich bei den „Festsetzungsbescheiden“ um elektronische Dokumente i.S.d. Verordnung (EU) Nr. 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.07.2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (eIDAS Verordnung) handelt, da die Datenverarbeitungsanlage die vollautomatisch errechneten Festsetzungsbescheide elektronisch an einen privaten Druckdienstleister sendet. Damit fehlt schon die qualifizierte elektronische Signatur auf sämtlichen Festsetzungsbescheiden. Im Anschluss werden die massenhaft ausgedruckten „Festsetzungsbescheide“ auf Paletten gelagert und zur Post verbracht bzw. von dieser abgeholt.
Sinn und Zweck vollautomatischer Verwaltungsakte ist es, durch zeitgleiche Rechenoperationen massenhaft eine Vielzahl von Bescheiden „BSD“ vollautomatisch abzuwickeln. Aus den Historien der Teilnehmerkonten ergibt sich, dass in einer Vielzahl von Fällen (Massenverfahren), der Programmablauf GIM „Geschäftsvorfälle 401“, „Formbrief 318“ im Massenverfahren als elektronische „BSD“ (Bescheide) abwickelt. Aufgrund der Bezeichnung „Intern“ ist schon fraglich, ob der ZBS (Rechenzentrum) überhaupt mit Außenwirkung handeln will. Es spricht einiges dafür, dass der damals eingeführte Programmablauf (Projekt DV 2005) anders geplant war und die „Geschäftsvorfälle“ als Erinnerung „Intern“ an die jeweiligen Landesrundfunkanstalten i.S.d. Gebührenstaatsvertrages elektronisch, als „Erinnerung / Vorlage“ für den menschlichen Sachbearbeiter, übermittelt werden sollten. Der menschliche Sachbearbeiter sollte dann die Einzelfallentscheidung nach rechtlicher Prüfung und Ausübung seines Ermessens treffen. Da eine Vollautomatisierung kostengünstiger ist, wurde der menschliche Sachbearbeiter „ausgeschaltet“.
Die Datenverarbeitungsanlage des ZBS folgt einzig und allein dem implementierten Programmablauf. Sie kennt keine menschliche Ermessensausübung sondern nur „true and false“.
Die bislang erkennenden Verwaltungsgerichte verkennen völlig, dass eine „heilende Wirkung“ durch Widerspruchsentscheidung nicht möglich ist, wenn
a) die Datenverarbeitung großer Mengen personenbezogener Daten (Massenverfahren) ohne gesetzliche Grundlage erfolgt und
b) damit die Verarbeitung unrechtmäßig erfolge und somit eine Löschungspflicht besteht (Art. 12 lit. b RL 95/46/EG, Art. 20 Abs. 2 BDSG a.F., § 17 Abs. 3 Satz 2 BlnDSG a.F.
jetzt Art. 17 DSGVO).
Der EuGH führt in seiner Entscheidung Rechtssache C-6/22 und C 64/22 vom 7. Dezember 2023 aus:
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Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die betroffene Person nach Art. 17 Abs. 1 Buchst. d DSGVO, auf den sich das vorlegende Gericht bezieht, das Recht hat, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass sie betreffende personenbezogene Daten unverzüglich gelöscht werden, und dass der Verantwortliche verpflichtet ist, personenbezogene Daten unverzüglich zu löschen, wenn die personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet wurden.
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Sollte das vorlegende Gericht nach seiner Beurteilung der Rechtmäßigkeit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Verarbeitung personenbezogener Daten zu dem Ergebnis gelangen, dass diese Verarbeitung nicht rechtmäßig ist, wäre daher nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung der Verantwortliche, im vorliegenden Fall die SCHUFA, verpflichtet, die betreffenden Daten unverzüglich zu löschen. Dies wäre, wie in Rn. 99 des vorliegenden Urteils festgestellt, bei einer Verarbeitung der in Rede stehenden personenbezogenen Daten, die nach Ablauf der Frist von sechs Monaten für die Speicherung der Daten im öffentlichen Insolvenzregister erfolgt, der Fall.Es besteht seitens des ZBS eine Löschungspflicht. Unerheblich dabei ist, ob die Datenbank „Wohnungsinhaber i.S.d. RBStV“ erfasst, da diese Datenbank mit dem Ziel errichtet wurde, massenhaft gegen den Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen zu verstoßen. Von einem "berechtigtem Interesse" kann daher überhaupt nicht die Rede sein. Der ZBS kann auch nicht anführen, die Verletzung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidung hätte die Entscheidung in der Sache („Wohnungsinhaberschaft“) nicht beeinflusst. Es liegen bereits erhebliche Zweifel an der ausreichenden Datengrundlage vor. In den Lebenssachverhalten der sog. Direktanmeldung, „Geschäftsvorfall 780“, bei denen der Programmablauf GIM durch elektronischen Formbrief 140 „sich selbst gegenüber die Anmeldung bestätigt“, kommt es in 55 % der Fälle zu einer Einspeisung von personenbezogenen Meldedaten in die Datenbank des ZBS, obwohl für die Wohnung bereits ein Beitragskonto besteht. Der Evaluierungsbericht der Länder vom 29. April 2019 führt aus (zu § 14 Abs. 9 a RBStV a.F.):
Unter Berücksichtigung der Erfahrungswerte des Beitragsservice aus dem letzten Meldedatenabgleich (2013/2014) sowie den bisherigen Erkenntnissen aus dem Meldedatenabgleich 2018 ist laut Zulieferung der Landesrundfunkanstalten damit zu rechnen, dass ca. 55 % der Anmeldungen wieder abgemeldet werden müssen.Das vollautomatisierte Verfahren der personenbezogenen Verarbeitung von Meldedaten durch den ZBS ist unbestreitbar erheblich mängelbehaftet. Auch handelt es sich bei der sog. „Direktanmeldung“ um eine verbotene automatisierte Einzelfallentscheidung. Es ist nämlich unerheblich, ob Verwaltungsakte vorliegen. Entscheidend ist alleine die Folge der vollautomatischen Einzelfallentscheidung für die Betroffenen.
Darüberhinaus ist festzustellen, dass der RBStV kein Ausführungsgesetz zur Verwaltungsgerichtsordnung ist. Die durch den RBStV an die jeweils zuständige Landesrundfunkanstalt zugewiesen Aufgaben sind abschließend aufgezählt. Von daher können Aufgaben auch nur in diesem Umfang an die gemeinsame Stelle § 10 Abs. 7 RBStV und somit an den ZBS zugewiesen werden. § 10 Abs. 7 RBStV ermächtigt die Landesrundfunkanstalt i.S.d. RBStV nun nicht dazu, Abweichungen von den gesetzlichen Regelungen i.S.v. § 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO zu treffen (soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird).
Damit haben die „Landesgesetzgeber“ es mit Einführung des § 10 a RBStV schon versäumt, angemessene Maßnahmen zur Wahrung der Rechte und Freiheiten sowie der berechtigten Interessen der betroffenen Person (Art. 22 Abs. 2 lit. b DSGVO zweiter Halbsatz) zu regeln. Es bestehen daher erhebliche Zweifel, dass § 10 a RBStV als Ausnahme vom Verbot des unionsrechtsweiten Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen herangezogen werden kann.
Vorliegend ist auch genau das Gegenteil der Fall, da die Landesrundfunkanstalten im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren vor Einführung des § 10 a RBStV darauf hingewirkt haben, dass die VwGO in einer Weise ausgelegt wird, die zu einer Umgehung des Rechtssatzes des Verbotes automatisierter Einzelfallentscheidungen führte und somit eine Rechtsschutzlücke schaffte (EuGH Rechtssache C-634/21 vom 7. Dezember 2023, Rdnr. 61). § 10 a RBStV dient auch somit nicht der „Klarstellung“, sondern dazu, ein seit Jahren unrechtmäßig durchgeführtes Verfahren der Massenbescheidung „zu heilen“.
Da § 10 a RBStV aber nur „Bescheide“ betrifft, verstößt die „Direktanmeldung“ des ZBS weiterhin IPSO IURE gegen das in Art. 22 Abs. 1 DSGVO aufgestellte Verbot (Rechtssatz des Verbotes automatisierter Einzelentscheidung).
Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Landesrundfunkanstalten auf Errichtung „staatsferner Aufsichtsbehörden i.S.d. DSGVO“ hinwirkten. Ohne jeden Zweifel dienen diese dem Ziel, das unrechtmäßige Massenverfahren beim ZBS zu schützen. Auch die Einschränkung der DSGVO-Auskunftsrechte mit Einführung des 23. Rundfunkänderungsstaatsvertrages (§ 8 Abs. 8 letzter Satz RBStV) diente diesem Ziel.
Isch habe fertisch, mit diese ZBS-Flasche leer!
1VGH Baden-Württemberg, 13.11.2020 - 2 S 2134/20Heilung eines Rundfunkbeitragsfestsetzungsbescheides im Widerspruchsverfahren
https://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Gericht=VGH%20Baden-W%FCrttemberg&Datum=13.11.2020&Aktenzeichen=2%20S%202134/20Edit "Bürger": "§ 73 Abs. 2 Nr. 3 VwGO" geä. in "§ 73 Abs. 1 Nr. 3 VwGO". Bitte um Hinweis, falls noch Korrekturbedarf bestehen sollte. Danke.