URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
27. Oktober 2016(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Eilvorabentscheidungsverfahren – Justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen – Richtlinie (EU) 2016/343 – Art. 3 und 6 – Zeitliche Geltung – Gerichtliche Überprüfung der Untersuchungshaft eines Angeklagten – Nationale Regelung, die es verbietet, während der gerichtlichen Phase des Verfahrens zu prüfen, ob der hinreichende Verdacht besteht, dass der Angeklagte eine Straftat begangen hat – Widerspruch zu Art. 5 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 4 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten – Beurteilungsspielraum, den die nationale Rechtsprechung den nationalen Gerichten bei der Entscheidung über die Frage lässt, ob die Konvention angewandt wird oder nicht“
In der Rechtssache C-439/16 PPUhttps://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=184894&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=3323618Rn. 31Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten während der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie den Erlass von Vorschriften unterlassen, die geeignet sind, das in dieser Richtlinie vorgeschriebene Ziel ernstlich in Frage zu stellen (vgl. Urteile vom 18. Dezember 1997, Inter-Environnement Wallonie, C-129/96, EU:C:1997:628, Rn. 45, und vom 2. Juni 2016, Pizzo, C-27/15, EU:C:2016:404, Rn. 32). In diesem Zusammenhang kommt es nicht darauf an, ob solche nach Inkrafttreten der betreffenden Richtlinie erlassenen Vorschriften deren Umsetzung bezwecken oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C-212/04, EU:C:2006:443, Rn. 121).
Rn. 32Daraus folgt, dass die Behörden der Mitgliedstaaten sowie die nationalen Gerichte ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens einer Richtlinie es so weit wie möglich unterlassen müssen, das innerstaatliche Recht auf eine Weise auszulegen, die die Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels nach Ablauf von deren Umsetzungsfrist ernsthaft gefährden würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Juli 2006, Adeneler u. a., C-212/04, EU:C:2006:443, Rn. 122 und 123).
An dieser Stelle wird bewusst an das per Richtlinie geregelte europäische Verbraucherschutzrecht erinnert, welches unionsrechtlich vollständig harmonisiert ist.
¹SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
MICHAL BOBEK
vom 11. Oktober 2016(1)
Rechtssache C-439/16 PPUhttps://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=184424&pageIndex=0&doclang=DE&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=33236181. Rechtswirkungen von Richtlinien vor Ablauf der Umsetzungsfrist
37. Im Rahmen einer Vorlagefrage, die vor Ablauf der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie gestellt wird, kann den Mitgliedstaaten nicht zur Last gelegt werden, dass sie die Maßnahmen zu deren Umsetzung noch nicht erlassen haben( 6 ). Nach ständiger Rechtsprechung entfaltet eine Richtlinie entweder ab ihrer Veröffentlichung oder ab dem Zeitpunkt ihrer Bekanntgabe jedoch Rechtswirkungen gegenüber den Mitgliedstaaten, an die sie gerichtet ist( 7 ). Es steht nämlich fest, dass die Mitgliedstaaten aufgrund von Art. 4 Abs. 3 EUV in Verbindung mit Art. 288 AEUV keine Vorschriften erlassen dürfen, die geeignet sind, die Erreichung des in einer Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich zu gefährden( 8 ). Diese Unterlassenspflicht gilt für sämtliche allgemeinen oder speziellen Maßnahmen( 9 ). Sie gilt für alle Träger öffentlicher Gewalt der Mitgliedstaaten, einschließlich der nationalen Gerichte( 10 ).
41. Deshalb gilt es insbesondere zu bedenken, dass die vorerwähnte Unterlassenspflicht weder bedeutet, dass die Richtlinie 2016/343 angewandt wird, noch, dass das nationale Recht im Einklang mit dieser Richtlinie ausgelegt wird. Die Unterlassenspflicht betrifft vielmehr ausschließlich Maßnahmen, die geeignet sind, zu einer ernstlichen Gefährdung der mit einer Richtlinie verfolgten Ziele zu führen. Somit verbietet sie den Mitgliedstaaten, Maßnahmen zu ergreifen, die eine schwerwiegende Beeinträchtigung dieser Ziele bedeuten und deren Rechtswirkungen nach Ablauf der Umsetzungsfrist fortbestehen( 13 ).
Wennschon das Mitgliedsland also zwar keine Pflicht hat, eine Richtlinie vor Ablauf ihrer Umsetzungsfrist anzuwenden, darf es trotzdem keine Maßnahmen ergreifen, die dem Ziel einer Richtlinie entgegenstehen und in den zeitlichen Bereich ab dem Ablauf der Umsetzungsfrist nachwirken.
Zum Zeitpunkt der Einführung des Rundfunk
beitrages waren die unionsrechtlich vollständig harmonisierten Bestimmungen zum Verbraucherschutz, (Richtlinie 2001/83/EU), incl. der Regelungen über unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbraucher*innen, (Richtlinie 2005/29/EG), bereits in Kraft.
Die nationalen Behörden hätten die vom Rundfunk vergenommenen sog. Direktanmeldungen ob der unionsrechtlich vollständig harmonisierten Verbraucherschutzbestimmungen zu keinem Zeitpunkt unterstützen dürfen, haben sie aber, da sie es unterlassen haben, die Rechtmäßigkeit des Tuns der Rundfunkanstalten vor ihrem eigenen Handeln zu prüfen, wozu sie gemäß BFH VII B 151/85 als "ersuchte Behörde" verpflichtet sind.
BFH, 04.07.1986 - VII B 151/85https://www.steuernetz.de/urteile/bfh/1986-07-04-vii-b-151_85Rn. 8Voraussetzung für Einleitung einer Vollstreckung nach dem VwVG ist, daß ein Leistungsbescheid ergangen ist, durch den der Schuldner zur Leistung aufgefordert worden ist (§ 3 Abs. 2 Buchst. a VwVG). Daraus ergibt sich, daß die Rechtmäßigkeit einer Vollstrekkung und damit auch einer in deren Rahmen getroffenen Vollstreckungsmaßnahme vom Erlaß eines Leistungsbescheids im vorgenannten Sinne abhängig ist. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, muß, da sie Rechtmäßigkeitsvoraussetzung einer Vollstreckung ist, in jedem Stadium der Vollstreckung von Amts wegen geprüft werden. Eine Vollstreckungsmaßnahme ist aufzuheben, wenn es an einem wirksamen Leistungsbescheid fehlt (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. März 1976 VII R 94/75, BFHE 118, 533, BStBl II 1976, 581).
¹Per EuGH od. Regelwerk > Unionsrechtl. vollständ. harmonisierte Bestimmungenhttps://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,35408.msg214542.html#msg214542Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates Text von Bedeutung für den EWRhttps://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32011L0083&qid=1625333222886Artikel 34
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 35
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Straßburg am 25. Oktober 2011.
Hinweis:
Den Artikel 27 über unbestellte Waren und Dienstleistungen und deren Nichtbezahlpflicht durch Verbraucher*innen hat es hier bereits. -------------
Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (Text von Bedeutung für den EWR)https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32005L0029&qid=1629628849814Artikel 20
Inkrafttreten
Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Artikel 21
Adressaten
Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.
Geschehen zu Straßburg am 11. Mai 2005.
Bei Verarbeitung pers.-bez.-Daten ist das Unionsgrundrecht unmittelbar bindend; (BVerfG 1 BvR 276/17 & BVerfG 1 BvR 16/13)
Keine Unterstützung für
- Amtsträger, die sich über europäische wie nationale Grundrechte hinwegsetzen oder dieses in ihrem Verantwortungsbereich bei ihren Mitarbeitern, (m/w/d), dulden;
- Parteien, deren Mitglieder sich als Amtsträger über Grundrechte hinwegsetzen und wo die Partei dieses duldet;
- Gegner des Landes Brandenburg wie auch gesamt Europas;