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Autor Thema: EuG T-231/06 - Rundfunk - Öffentl. Unternehmen - Überhöhte Beihilfe  (Gelesen 744 mal)

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URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)
16. Dezember 2010(*)

„Staatliche Beihilfen – Öffentlich-rechtlicher Rundfunk – Maßnahmen der niederländischen Behörden – Entscheidung, mit der die Beihilfen für mit dem Gemeinsamen Markt teilweise vereinbar und teilweise unvereinbar erklärt wurden – Neue oder bestehende Beihilfe – Begriff der staatlichen Beihilfe – Begriff des Unternehmens – Überhöhte Bezuschussung der Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags – Verhältnismäßigkeit – Begründungspflicht – Verteidigungsrechte“

In den verbundenen Rechtssachen T-231/06 und T-237/06

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=79027&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=6035865

Rn. 7
Zitat
Am 15. November 2001 veröffentlichte die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Mitteilung 2001/C 320/04 über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ABl. C 320, S. 5, im Folgenden: Mitteilung über den Rundfunk), in der sie darlegte, nach welchen Grundsätzen sie bei der Anwendung von Art. 86 Abs. 2 EG und Art. 87 EG auf staatliche Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfahren werde.
Diese Mitteilung ist im Forum bereits thematisiert ¹

Rn. 36
Zitat
Zum anderen ist zu den Rechten von beihilfebegünstigten Unternehmen darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsverfahren in Beihilfesachen nur gegen den betroffenen Mitgliedstaat eingeleitet wird. Die durch Beihilfen begünstigten Unternehmen gelten in diesem Verfahren nur als Beteiligte. Daraus folgt, dass die Beteiligten, wie im vorliegenden Fall NOS, einen Anspruch auf Wahrung der Verteidigungsrechte, wie er denjenigen zusteht, gegen die ein Verfahren eingeleitet worden ist, keineswegs geltend machen können und lediglich über das Recht verfügen, am Verwaltungsverfahren unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls angemessen beteiligt zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil TV 2/Danmark u. a./Kommission, oben in Randnr. 34 angeführt, Randnr. 137 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 92
Zitat
Nach ständiger Rechtsprechung umfasst der Begriff des Unternehmens im Wettbewerbsrecht jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung. Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung ist eine wirtschaftliche Tätigkeit jede Tätigkeit, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 12. September 2000, Pavlov u. a., C-180/98 bis C-184/98, Slg. 2000, I-6451, Randnrn. 74 und 75 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Rn. 94
Zitat
Der Gerichtshof hat auch bereits entschieden, dass der Umstand, dass eine Einheit mit bestimmten im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben betraut ist, nicht daran hindern kann, die fraglichen Tätigkeiten als wirtschaftliche Tätigkeiten anzusehen (vgl. in diesem Sinne Urteile des Gerichtshofs vom 25. Oktober 2001, Ambulanz Glöckner, C-475/99, Slg. 2001, I-8089, Randnr. 21, und vom 23. März 2006, Enirisorse, C-237/04, Slg. 2006, I-2843, Randnr. 34).

Rn. 96
Zitat
Wie das Gericht oben in den Randnrn. 11 und 81 bereits ausgeführt hat, hat NOS zunächst die Funktion einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt, in der ihre Unternehmenseigenschaft unbestritten ist, auch wenn sie einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat.
Öffentlicher Auftrag und Unternehmenseigenschaft schließen einander nicht aus.

Rn. 98
Zitat
Erstens kann aber NOS bei der Ausübung dieser Funktion der Koordinierung und Verwaltung von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht mit einer öffentlichen Stelle gleichgesetzt werden, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse tätig wird.
Hier ist ja im Prinzip bereits die Aussage enthalten, daß eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt kraft ihrer Unternehmenseigenschaft über keine hoheitlichen Befugnisse verfügt, da diese zur Verwaltung dieser ÖRR nicht notwendig sind.

Rn. 100
Zitat
Zum anderen ist diese NOS anvertraute Koordinierungs- und Verwaltungstätigkeit auf öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten beschränkt und mit deren wirtschaftlicher Tätigkeit verbunden, Fernsehprogramme anzubieten und zu senden, auch wenn verschiedene kommerzielle Rundfunkveranstalter auf nationaler Ebene tätig sind (Erwägungsgrund 18 der angefochtenen Entscheidung).
Trifft auch auf die dt. ÖRR zu?

Rn. 101
Zitat
Wie die Kommission in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichts geltend macht, unterscheiden sich die von NOS – vermittelt durch den PO – ausgeführten Koordinierungstätigkeiten nicht von denen, die von einem kommerziellen Unternehmen für seine kommerziellen Kanäle ausgeführt werden. Das Bestehen mehrerer öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten erfordert eine zentrale Koordinierung. NOS erfüllt daher Aufgaben, die andernfalls von den betreffenden Unternehmen selbst erfüllt werden müssten oder die diese zumindest organisieren oder bezahlen müssten.
Trifft auch auf die dt. ÖRR zu?

Rn. 115
Zitat
Die angefochtene Entscheidung enthält unter Punkt 6.3 („Verfälschung des Wettbewerbs“) einen einzigen Erwägungsgrund:

„Der durch die Ad-hoc-Zahlungen erlangte Vorteil, die Transfers an den CoBo und der unentgeltliche Zugang zu technischen Einrichtungen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in den Niederlanden stellen Begünstigungen dar, die kein sonstiges Unternehmen in einer vergleichbaren Situation erhält. Da eine Verfälschung des Wettbewerbs immer dann gegeben ist, wenn staatliche Beihilfe die Wettbewerbsposition des begünstigten Unternehmens gegenüber seinen Wettbewerbern stärkt, ist festzustellen, dass der bestehende Vorteil den Wettbewerb zwischen den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und anderen Unternehmen verfälschen kann.

Rn. 119
Zitat
Zweitens verfälschen Beihilfen, mit denen ein Unternehmen von Kosten befreit werden soll, die es normalerweise im Rahmen seines laufenden Betriebs oder seiner üblichen Tätigkeiten hätte tragen müssen, nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich die Wettbewerbsbedingungen (vgl. Urteile des Gerichts vom 8. Juni 1995, Siemens/Kommission, T?459/93, Slg. 1995, II-1675, Randnrn. 48 und 77 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 30. April 1998, Vlaamse Gewest/Kommission, T-214/95, Slg. 1998, II-717, Randnr. 43, und vom 23. November 2006, Ter Lembeek/Kommission, T-217/02, Slg. 2006, II-4483, Randnr. 177).
Die Beihilfekriterien gelten für alle Unternehmen in gleicher Auslegung, auch für öffentliche Rundfunkunternehmen.

Rn. 120
Zitat
Die Zahlungen an NOS, sei es als PO oder als NOS RTV, entlasten sie von bestimmten Betriebskosten, die sie normalerweise hätte tragen müssen, wie die Kommission in Erwägungsgrund 93 der angefochtenen Entscheidung ausführt. Dass sie einen öffentlich-rechtlichen Auftrag hat und ihre Funktionen nach Rechtsvorschriften ausübt, die diesen Auftrag regeln, kann die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zu anderen Unternehmen nicht als solches ausschließen, es sei denn – wie die Kommission ausführt –, den Art. 86 EG und 88 EG würde jede praktische Wirksamkeit genommen. Nach Art. 86 Abs. 2 EG gelten für Unternehmen, die mit einem öffentlich-rechtlichen Auftrag betraut sind, die Vorschriften des Vertrags, insbesondere die Wettbewerbsregeln. Der betreffende Mitgliedstaat kann nämlich für den öffentlich-rechtlichen Auftrag eine überhöhte Bezuschussung gewähren, die als solche, sobald sie vorliegt, die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung auf einem dem Wettbewerb offenstehenden Markt wie dem Rundfunkmarkt mit sich bringt.

Rn. 122 mit einer interessanten Aussage
Zitat
Die Rechtsprechung unterscheidet aber deutlich zwischen der Frage der Qualifizierung einer Maßnahme als staatliche Beihilfe und der Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt (Urteil des Gerichts vom 11. März 2009, TF1/Kommission, T-354/05, Slg. 2009, II-471, Randnr. 134). Die Kommission hat daher in der angefochtenen Entscheidung zu Recht zunächst überprüft, ob die Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 1 EG dafür, dass die fragliche Maßnahme als staatliche Beihilfe einzustufen ist – einschließlich der Möglichkeit, den Wettbewerb zu verfälschen –, im vorliegenden Fall erfüllt sind, und hat danach überprüft, ob die Ausnahme nach Art. 86 Abs. 2 EG hier zur Anwendung kommt. In diesem Rahmen und nach dem Protokoll von Amsterdam ist insbesondere zu prüfen, ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten auf den kommerziellen Märkten wettbewerbswidrige Verhaltensweisen zeigen, die für die Erfüllung ihres öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht erforderlich sind (vgl. dazu unten, Randnrn. 211 bis 218).
Zeigen die dt. ÖRR auf den kommerziellen Märkten wettbewerbswidrige Verhaltensweisen?

Rn. 144
Zitat
Aus den Randnrn. 87 bis 94 des Urteils Altmark, oben in Randnr. 13 angeführt, geht nämlich klar hervor, dass die vom Gerichtshof in diesem Urteil entwickelten Grundsätze allgemein anzuwenden sind, auch wenn sie im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens eines nationalen Gerichts erläutert wurden. Der Gerichtshof hat den im Urteil Altmark entwickelten Grundsatz weder auf den Einzelfall beschränkt oder seine Anwendung dem nationalen Gericht vorbehalten noch den Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von seinem Anwendungsbereich ausgenommen.
Die Kriterien des Urteils Altmark sind auch in Belangen dt. ÖRR einzuhalten; diese Entscheidung ist im Forum bereits thematisiert. ²

Rn. 145
Zitat
In Randnr. 130 des Urteils TF1/Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, hat das Gericht festgestellt, dass sich aus dem eindeutigen Wortlaut des Urteils Altmark ergibt, dass die vier genannten Voraussetzungen einzig und allein die Qualifizierung der fraglichen Maßnahme als staatliche Beihilfe und genauer gesagt die Feststellung eines vorhandenen Vorteils ermöglichen sollen.

Rn. 146
Zitat
Eine staatliche Maßnahme, die einer oder mehreren dieser Voraussetzungen nicht entspricht, ist als staatliche Beihilfe im Sinne von Art. 87 Abs. 1 EG anzusehen (Urteil TF1/Kommission, oben in Randnr. 122 angeführt, Randnr. 129).
Sowohl Rundfunkgebühr als auch Rundfunkbeitrag sind unionsrechtlich nur deswegen als staatliche Beihilfen klassifiziert, da sie sich in ihrer Gesamthöhe nicht an jenen Mitteln orientieren, die ein privater Wettbewerber zur Realisierung des gleichen Auftrages aufwenden würden.

Den Rest der Entscheidung mag lesen, wer Interesse daran hat.

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¹
Staatliche Beihilfen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,23970.msg213825.html#msg213825

²
EuGH C-280/00 - Altmark-Entscheidung - Beihilfekriterien
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=35236.0


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