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Autor Thema: EuGH C-337/06 - Dt. ÖRR sind öffentliche Auftraggeber  (Gelesen 878 mal)

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URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
13. Dezember 2007(*)

„Richtlinien 92/50/EWG und 2004/18/EG – Öffentliche Dienstleistungsaufträge – Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten – Öffentliche Auftraggeber – Einrichtungen des öffentlichen Rechts – Voraussetzung, dass die Tätigkeit der Einrichtung ‚überwiegend vom Staat finanziert‘ wird“

In der Rechtssache C-337/06

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=71713&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4669091

Zitat
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Art. 1 Buchst. b Abs. 2 dritter Gedankenstrich erste Alternative der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge ist dahin auszulegen, dass eine überwiegende Finanzierung durch den Staat vorliegt, wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden überwiegend durch eine Gebühr finanziert werden, die von denjenigen zu zahlen ist, die ein Rundfunkgerät bereithalten, und die nach Regeln auferlegt, berechnet und erhoben wird, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede stehen.

2.      Art. 1 Buchst. b Abs. 2 dritter Gedankenstrich erste Alternative der Richtlinie 92/50 ist dahin auszulegen, dass im Fall der Finanzierung öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gemäß den im Rahmen der Prüfung der ersten Vorlagefrage dargestellten Modalitäten das Tatbestandsmerkmal der „Finanzierung durch den Staat“ keine Eröffnung eines direkten Einflusses des Staates oder anderer öffentlicher Stellen bei der Vergabe eines Auftrags wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden durch solche Einrichtungen verlangt.

3.      Art. 1 Buchst. a Ziff. iv der Richtlinie 92/50 ist dahin auszulegen, dass nach dieser Bestimmung nur die öffentlichen Aufträge dem Anwendungsbereich dieser Richtlinie entzogen sind, die die in dieser Vorschrift genannten Dienstleistungen betreffen.

Rn. 38
Zitat
Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge auf Gemeinschaftsebene die Hemmnisse für den freien Dienstleistungs- und Warenverkehr beseitigen und somit die Interessen der in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Wirtschaftsteilnehmer schützen soll, die den in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen öffentlichen Auftraggebern Waren oder Dienstleistungen anbieten möchten (Urteile University of Cambridge, Randnr. 16, und Kommission/Frankreich, Randnr. 41).

Rn. 39
Zitat
Auf dieses Hauptziel, nämlich den freien Dienstleistungsverkehr und die Öffnung für einen unverfälschten und möglichst umfassenden Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten, hat der Gerichtshof insbesondere in Bezug auf öffentliche Dienstleistungsaufträge hingewiesen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C-26/03, Slg. 2005, I-1, Randnrn. 44 und 47).

Rn. 55
Zitat
Sodann ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall, wie sich aus den zur ersten Frage angestellten Überlegungen ergibt, die Existenz der fraglichen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten selbst vom Staat abhängt. Das Kriterium der Verbundenheit dieser Einrichtungen mit dem Staat ist somit erfüllt, ohne dass zu verlangen ist, dass der Staat auf die verschiedenen Entscheidungen der betreffenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Auftragsvergabe konkreten Einfluss nehmen kann.

Rn. 56
Zitat
Diese Verbundenheit im weiteren Sinne schließt nämlich nicht die Gefahr aus, dass sich die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rundfunkanstalten ohne Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge von anderen als wirtschaftlichen Erwägungen leiten lassen, indem sie insbesondere die nationalen Bieter oder Bewerber bevorzugen. Da die deutsche Verfassung dies nicht verbietet, können die fraglichen Anstalten eine solche Haltung einnehmen, ohne gegen in der Verfassung vorgesehene Anforderungen zu verstoßen. Wie das vorlegende Gericht zutreffend bemerkt, erfordert die verfassungsrechtlich gewährleistete und vom Bundesverfassungsgericht ausgelegte Neutralität des Staates in Bezug auf die Programmgestaltung durch die fraglichen Einrichtungen keine Neutralität dieser Anstalten bei der Auftragsvergabe. Eine solche Gefahr stünde in Widerspruch zu den in den Randnrn. 38 und 39 des vorliegenden Urteils dargelegten Zielen der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge.

Rn. 65
Zitat
Da die fragliche Vorschrift eine Ausnahme darstellt von dem in Randnr. 39 dieses Urteils dargelegten Hauptzweck der Gemeinschaftsvorschriften auf dem Gebiet der Vergabe öffentlicher Aufträge, nämlich vom freien Dienstleistungsverkehr und der Öffnung für einen möglichst umfassenden Wettbewerb, ist sie restriktiv auszulegen. Deshalb sind allein die öffentlichen Aufträge vom Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50 ausgenommen, die die in Art. 1 Buchst. a Ziff. iv dieser Richtlinie aufgeführten Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Dagegen unterliegen öffentliche Aufträge über Dienstleistungen, die in keinem Zusammenhang mit den Tätigkeiten stehen, die zur Erfüllung der eigentlichen öffentlichen Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gehören, voll und ganz den Gemeinschaftsvorschriften.

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SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
DÁMASO RUIZ-JARABO COLOMER
vom 6. September 20071(1)
Rechtssache C-337/06

https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=62434&pageIndex=0&doclang=de&mode=lst&dir=&occ=first&part=1&cid=4669091

Zitat
74.      Ich habe bereits auf den Nutzen der Antwort für die Frage hingewiesen, ob die Rundfunkanstalten die Voraussetzung erfüllen, „öffentliche Auftraggeber“ zu sein. Mit seinem Ersuchen um die Auslegung dieser Bestimmung zielt das Oberlandesgericht auf eine Präzisierung von deren sachlichem Anwendungsbereich ab, um festzustellen, ob die Dienstleistung der Reinigung von Räumlichkeiten dieser Einrichtungen hiervon ausgenommen ist.

Zitat
75.      Der Wortlaut der Vorschrift ist so klar, dass es genügen würde, auf den Grundsatz in claris non fit interpretatio zu verweisen. Sie befreit in Bezug auf Verträge, die einen engen Bezug zum Inhalt der Radio- und Fernsehprogramme haben (Kauf, Entwicklung, Produktion und Koproduktion sowie Ausstrahlung von Sendungen) von der Verpflichtung zur Durchführung des Vergabeverfahrens.

Zitat
76.      Da es sich um eine Ausnahme von der allgemeinen Regel handelt, ist sie restriktiv auszulegen, so dass jedes Rechtsgeschäft über eine darin nicht ausdrücklich genannte Tätigkeit nur nach einer öffentlichen Ausschreibung zustande kommen darf.


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 Danke,. @pinguin . Dies Ist für Verfassungsbeschwerden-Gutachten verwertet worden in folgendem Sinn:

 - Nur für "lineares Fernsehen und Radio" ist den Senderanstalten dank  ihrer "Staatsferne" möglich, für den Kernbestandteil - "Bildungsauftrag" - auf Ausschreibung (gemeint: EU-weit) zu verzichten.

Bisher hat das Bundesverfassungsgericht eine Ausweitung auf das Internet nicht in seine Definition das Auftrags eingeschlossen. Also muss für Verwendung der Rundfunkabgabe im Internet das Ausschreibungsverfahren gewählt werden - ARD, ZDF etc. nur als "Bewerber unter vielen" - und gegen die erfahrenen Internet-Konkurrenten ziemlich chancenlos.



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