Heise/ Telepolis, 31.03.2021
Rechtfertigungsorgien aus dem Kanzleramt und konzertierte Hilfestellung von der ARDMedienkritik: Keine Nachfragen, keine Gründe, dafür ein anderes Staatsverständnis. Anne Will bereitet Angela Merkel eine Bühnevon Rüdiger Suchsland
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Die größte Blöße geben sich in diesen Tagen die Medien, besonders die öffentlich-rechtlichen Sender. Wer den vergangenen Sonntagabend erlebte, der konnte nicht anders, als an eine konzertierte Aktion der ARD zur Unterstützung der Corona-Politik der Bundesregierung zu glauben.
Zuerst ein Staatsakt: Angela Merkel bei Anne Will. Merkel sagte nicht viel, außer dass sie "nicht glücklich" sei mit den Ministerpräsidenten, den bösen, den unartigen und mit ihren Beschlüssen, den falschen. [..]
Sie sagte nicht viel, aber die Moderatorin fragte noch weniger. Wie eine Debütantin auf dem Abi-Ball mit der Lehrerin, so sprach die Frau, die seit 14 Jahren mit vier Jahren Unterbrechung die Sonntagabend-Talkshow der ARD moderiert, mit der Politikerin. Es gab keine Nachfragen. Schon gar nicht nach Gründen für Merkels Politik oder nach Fakten der Pandemie [..]
Am Tag danach nannte Die Welt das Gespräch eine "journalistische Kapitulationserklärung", eine "Osteransprache mit Überlänge und in Interviewform. Diese sollte den Zuschauern nicht die Meinungsbildung ermöglichen, sondern den Autoritätsverlust der Kanzlerin bei den Bürgern stoppen". [...]
Journalistisch miserables Handwerk
Dann später in den Tagesthemen kam gleich Markus Söder hinterher und blies im Gespräch mit Carmen Miosga ins selbe Horn [...]
Die Interviewführung von Miosga war journalistisch miserables Handwerk. [...]
Ins Zitat gekleidet zitiert Miosga ein Katastrophenszenario: "Verderben" - darunter geht es nicht. Warum zitiert sie nicht jene, denen die Maßnahmen zu weit gehen? Und sei es nur, um Söder aus der Reserve zu locken, ihm einen kritischen Punkt entgegenzusetzen? Es gibt auch die Soziologen, die Psychologen, die Mediziner, die mit anderen Krankheiten als mit Corona zu tun haben. Die mahnen in ganz andere Richtung, sie mahnen für Lockerungen. Mit welchem Recht nimmt die Interviewerin eine Position ein, in der sie auf der einen Seite sämtliche Ministerpräsidenten kritisiert und die Beschlusslage der vergangenen Woche? Aber nur, um dem Verschärfer, der vor ihr zum Interview sitzt, Munition zu geben, mit der er dann wieder verschärfen kann? Wo ist da die Ausgewogenheit, wo ist da das "Wenn und Aber"?
Auch die ARD hat ein anderes Staatsverständnis: Wo blieben am Sonntag die Politiker der Opposition? Wo blieb ein einziger, der Wasser in den Wein goss?
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