Ein besonderes Ärgernis für den Verfasser dieser Zeilen ist der Umstand, dass ihm in der Vergangenheit bereits drei (vollautomatisiert erstellte) Festsetzungsbescheide über Beitragszeiträume zugegangen sind, die teilweise verjährt waren.
Zwar sind in allen diesen Fällen nach Einrede der Verjährung die Bescheide möglicherweise aufgehoben worden, aber hier soll die Frage gestellt werden, ob es grundsätzlich zulässig ist, solche Festsetzungsbescheide zu erstellen und deren Prüfung auf den im Allgemeinen rechtsunkundigen Beitragspflichtigen abzuwälzen.
Unbestritten ist, dass im Bereich privatrechtlicher Forderungen eine Forderung mit Eintritt der Verjährung nicht (automatisch) erlischt, sondern der Schuldner nur über die Einrede der Verjährung sich von der Leistungspflicht befreien kann.
Die Frage ist aber, ob das im Bereich öffentlicher Forderungen genauso ist. §232 AO sagt dazu:
§ 232
Wirkung der Verjährung
Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen.
https://dejure.org/gesetze/AO/232.htmlDie Folgefrage ist also,
a) ob die AO auch für Rundfunkbeiträge gilt (da im RBStV §2 Abs.3 auf §44 AO verwiesen wird, würde ich hier mal ein 'Ja' vermuten)
und falls ja
b) ob §232 bedeutet, dass man von den LRAs Vorkehrungen verlangen kann, dass keine FBe mit laut §232 AO wg. Verjährung erloschenen Ansprüchen erstellt werden.
Und welche -ggf. strafrechtlichen- Rechtsfolgen in Frage kommen, wenn sich die LRAs sehenden Auges weigern, eine entsprechende Korrektur der Software zur automatisierten Bescheiderstellung herbeizuführen, oder/und auf entsprechende Aufforderungen nicht reagieren (letzteres geschehen für einen virtuellen Beitragspflichtigen)?
In dem Kommentar zu §232 AO (
https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/248021/) -dort wird auch nochmal auf den fundamentalen Unterschied zum Zivilrecht eingegangen- steht jedenfalls:
[...] Die Zahlungsverjährung der AO ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; dies gilt nicht nur im Erhebungs- oder Vollstreckungsverfahren, sondern auch im Festsetzungsverfahren und im Verfahren wegen eines Billigkeitserlasses (BFH/NV 2003, 143; BFH, BStBI II 2002, 447). Mit dem Eintritt der Zahlungsverjährung ist ein Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung in der Hauptsache erledigt (Rz. 9 ff.). Ob die Verjährung geltend gemacht wird, steht nicht zur Disposition der Beteiligten (BFH, BStBI II 2002, 447; 2015, 847); anders als im Zivilrecht ist ein Verzicht auf das Geltendmachen der Verjährung (Palandt/Ellenberger, BGB, § 202 Rz. 7) durch die Verfahrensbeteiligten im Steuerrecht unwirksam (BFH, BStBI II 2002, 447).
Hier wäre ggf. auch eine Argumentationsmöglichkeit zur generellen Unwirksamkeit auch nach Juni 2020 vollautomatisiert erstellter Festsetzungsbescheide denkbar, wenn die LRAs diesen systematischen Fehler bei der Bescheiderstellung zum eigenen Vorteil mutwillig ignorieren.