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Autor Thema: Automatische Verjährung öffentlich rechtlicher Forderungen §232 AO?  (Gelesen 2654 mal)

h
  • Beiträge: 304
Ein besonderes Ärgernis für den Verfasser dieser Zeilen ist der Umstand, dass ihm in der Vergangenheit bereits drei (vollautomatisiert erstellte) Festsetzungsbescheide über Beitragszeiträume zugegangen sind, die teilweise verjährt waren.
Zwar sind in allen diesen Fällen nach Einrede der Verjährung die Bescheide möglicherweise aufgehoben worden, aber hier soll die Frage gestellt werden, ob es grundsätzlich zulässig ist, solche Festsetzungsbescheide zu erstellen und deren Prüfung auf den im Allgemeinen rechtsunkundigen Beitragspflichtigen abzuwälzen.

Unbestritten ist, dass im Bereich privatrechtlicher Forderungen eine Forderung mit Eintritt der Verjährung nicht (automatisch) erlischt, sondern der Schuldner nur über die Einrede der Verjährung sich von der Leistungspflicht befreien kann.

Die Frage ist aber, ob das im Bereich öffentlicher Forderungen genauso ist. §232 AO sagt dazu:
Zitat
§ 232
Wirkung der Verjährung

Durch die Verjährung erlöschen der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis und die von ihm abhängenden Zinsen.
https://dejure.org/gesetze/AO/232.html

Die Folgefrage ist also,
a) ob die AO auch für Rundfunkbeiträge gilt (da im RBStV §2 Abs.3 auf §44 AO verwiesen wird, würde ich hier mal ein 'Ja' vermuten)
und falls ja
b) ob §232 bedeutet, dass man von den LRAs Vorkehrungen verlangen kann, dass keine FBe mit laut §232 AO wg. Verjährung erloschenen Ansprüchen erstellt werden.
Und welche -ggf. strafrechtlichen- Rechtsfolgen in Frage kommen, wenn sich die LRAs sehenden Auges weigern, eine entsprechende Korrektur der Software zur automatisierten Bescheiderstellung herbeizuführen, oder/und auf entsprechende Aufforderungen nicht reagieren (letzteres geschehen für einen virtuellen Beitragspflichtigen)?

In dem Kommentar zu §232 AO (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/248021/) -dort wird auch nochmal auf den fundamentalen Unterschied zum Zivilrecht eingegangen- steht jedenfalls:
Zitat
[...] Die Zahlungsverjährung der AO ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; dies gilt nicht nur im Erhebungs- oder Vollstreckungsverfahren, sondern auch im Festsetzungsverfahren und im Verfahren wegen eines Billigkeitserlasses (BFH/NV 2003, 143; BFH, BStBI II 2002, 447). Mit dem Eintritt der Zahlungsverjährung ist ein Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung in der Hauptsache erledigt (Rz. 9 ff.). Ob die Verjährung geltend gemacht wird, steht nicht zur Disposition der Beteiligten (BFH, BStBI II 2002, 447; 2015, 847); anders als im Zivilrecht ist ein Verzicht auf das Geltendmachen der Verjährung (Palandt/Ellenberger, BGB, § 202 Rz. 7) durch die Verfahrensbeteiligten im Steuerrecht unwirksam (BFH, BStBI II 2002, 447).

Hier wäre ggf. auch eine Argumentationsmöglichkeit zur generellen Unwirksamkeit auch nach Juni 2020 vollautomatisiert erstellter Festsetzungsbescheide denkbar, wenn die LRAs diesen systematischen Fehler bei der Bescheiderstellung zum eigenen Vorteil mutwillig ignorieren.


Ausgewählte Links zu diesem Thema:
Verjährung der Beitragsforderung
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=28572.0
Automatische Verjährung öffentlich rechtlicher Forderungen §232 AO?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=34775.0


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 13. November 2024, 22:34 von Bürger«

H
  • Beiträge: 582
Zwar sind in allen diesen Fällen nach Einrede der Verjährung die Bescheide möglicherweise aufgehoben worden, aber hier soll die Frage gestellt werden, ob es grundsätzlich zulässig ist, solche Festsetzungsbescheide zu erstellen und deren Prüfung auf den im Allgemeinen rechtsunkundigen Beitragspflichtigen abzuwälzen.
Ist es:
Die Einrede der Verjährung muss vom Schuldner aktiv erhoben werden, und findet dann erst Berücksichtigung.

Selbst in einem Gerichtsprozess hat der Richter/das Gericht zu Gunsten des Klägers zu urteilen, wenn eine solche Einrede unterbleibt.

Eine Beachtung findet nur statt, wenn die Einrede der Verjährung vom Schuldner aktiv vorgetragen/eingelegt wird.

Grüße
Adonis


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 11. Januar 2021, 17:37 von Bürger«

h
  • Beiträge: 304
Die Einrede der Verjährung muss vom Schuldner aktiv erhoben werden, und findet dann erst Berücksichtigung.
Hast Du denn dafür Belege (Gesetzestexte, Gerichtsurteile), dass das auch für öffentlich-rechtliche Forderungen gilt? Denn der Gesetzeskommentar zu §232 AO (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/248021/) sagt ja:
Zitat
Die Zahlungsverjährung führt zum Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis. § 232 wiederholt insoweit nur die Regelung des § 47. Die Zahlungsverjährung der AO unterscheidet sich damit deutlich von der Verjährung im Zivilrecht, die – während der Anspruch bestehen bleibt (BGH, NJW 2007, 3127; 2017, 674) – lediglich eine Einrede (Leistungsverweigerungsrecht) darstellt (§ 214 Abs. 1 BGB) und nur zu berücksichtigen ist, wenn sie vom Beklagten geltend gemacht wird.

Selbst in einem Gerichtsprozess hat der Richter/das Gericht zu Gunsten des Klägers zu urteilen, wenn eine solche Einrede unterbleibt.
Das stimmt ja nun eben gerade nicht für Forderungen, die dem §232 AO unterliegen, denn wiederum der Gesetzeskommentar zu §232 AO (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/248021/) sagt:
Zitat
Mit dem Eintritt der Zahlungsverjährung ist ein Rechtsstreit über die Steuerfestsetzung in der Hauptsache erledigt (Rz. 9 ff.). Ob die Verjährung geltend gemacht wird, steht nicht zur Disposition der Beteiligten (BFH, BStBI II 2002, 447; 2015, 847); anders als im Zivilrecht ist ein Verzicht auf das Geltendmachen der Verjährung (Palandt/Ellenberger, BGB, § 202 Rz. 7) durch die Verfahrensbeteiligten im Steuerrecht unwirksam (BFH, BStBI II 2002, 447).
D.h. selbst wenn man aus Nächstenliebe auf die Einrede der Verjährung vor Gericht verzichtet, gelten die Forderungen trotzdem als verjährt.



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  • IP logged  »Letzte Änderung: 11. Januar 2021, 19:49 von hankhug«

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  • Beiträge: 207
Ist zwar schon wieder viel Zeit vergangen, aber da in 7 Wochen wieder einige Beitragsforderungen verjähren dürften, hier zur Klarheit, auch für andere Leser...

Tatsächlich befassen sich sehr viele Threads mit der Verjährung und damit verbundenen Themen. Ich nehme die Nachfrage von @hankhug aus 2021 zum Anlass, einen allgemeinen Überblick zu versuchen:
Hast Du denn dafür Belege (Gesetzestexte, Gerichtsurteile), dass das auch für öffentlich-rechtliche Forderungen gilt? Denn der Gesetzeskommentar zu §232 AO (https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/248021/) sagt ja: ...

Die Verjährung von Rundfunkbeiträgen regelt sich nach BGB. Dies bestimmt der RBStV in seinem § 7 Abs. 4. Das BGB bestimmt in seinem § 195 die regelmäßige Verjährungsfrist auf 3 Jahre. Die Frist beginnt u.a. zu laufen am Ende des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 BGB).

Wichtig ist dabei § 214 BGB: Der (Beitrags-)Schuldner muss die "Einrede der Verjährung" gegenüber dem (Beitrags-)Gläubiger erklären, damit sie tatsächlich eintritt. Denn stillschweigend klappt das nicht.

Daneben sollte man sich in einige der §§ einlesen, u.a. Hemmung (§ 205 BGB) und Unterbrechung/Neubeginn (§ 212 BGB). Falls jetzt noch Forderungen aus 2020 oder früher eintreffen, sollte man nicht reagieren, nicht antworten, auch keine Ratenzahlungsangebot annehmen oder ausschlagen. Dies hätte alles noch Zeit bis zum 01.01. des neuen Jahres.  :angel:

Übrigens gefällt mir der § 197 Abs. 2 sehr gut: Er legt auch die Verjährung von vollstreckbaren Urkunden auf 3 Jahre fest, soweit sie "künftig fällig werdende regelmäßig wiederkehrende Leistungen zum Inhalt haben" (unter Bezugnahme auf Ziff. 4 im Abs. 1). Ein Laie könnte sich unter einer solchen Urkunde einen Beitragsbescheid oder ähnliches vorstellen; schließlich schreibt der BS recht häufig sinngemäß, dass seine Forderungen vollstreckbar seien. Aber das müsste man sich noch genauer anschauen.

Übrigens dürfte der § 53 VwVfG beim Rundfunkbeitrag nicht gelten, nämlich gerade wegen des o.g. Verweises im RBStV auf das BGB.

Vielleicht erstelle ich gelegentlich einen allgemeinen Thread zur Verjährung, mal sehen...

Auf jeden Fall freue ich mich für jeden Beitragsverweigerer auf ein weiteres Jahr der Verjährung.  :laugh:

Und um noch die Frage aus dem Threadtitel zu beantworten: Nein, es gibt im Rundfunkbeitragsrecht keine automatische Verjährung. Nochmal: Man muss die Verjährung aktiv erklären; dies würde ich aber frühestens dann machen, wenn es später Mahnungen oder Einleitungen von Vollstreckungsmaßnahmen geben sollte.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 13. November 2024, 22:29 von Bürger«

 
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