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Autor Thema: Staatliche Beihilfe -> Sicht der EU -> aktuelles Beihilfeverfahren gen Dtl.  (Gelesen 622 mal)

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In diesem Thema, das als eines von vielen, den Komplex der staatlichen Beihilfen berührt, soll ein aktuelles Beihilfeverfahren gen Deutschland zur Diskusssion gestellt werden, da es ja sein könnte, daß sich daraus auch Konsequenzen in Sachen der staatlichen Beihilfe namens Rundfunkbeitrag ableiten lassen.

Staatliche Beihilfen — Deutschland — Staatliche Beihilfen SA.44944 (2019/C) (ex 2019/FC) und SA.53552 (2019/C) (ex 2019/FC) — Steuerliche Behandlung von Spielbanken in Deutschland und Mutmaßliche Garantie für Spielbankunternehmer in Deutschland (Wirtschaftlichkeitsgarantie) — Aufforderung zur Stellungnahme nach Artikel 108 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen UnionText von Bedeutung für den EWR.
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2020.187.01.0080.01.DEU&toc=OJ:C:2020:187:TOC

Zitat
(63) Um eine staatliche Beihilfe darzustellen, muss eine Maßnahme sowohl dem Staat zurechenbar sein als auch aus staatlichen Mitteln finanziert werden.

Zitat
(64) [...] Wenn das Ergebnis einer Maßnahme darin besteht, dass der Staat auf Einnahmen verzichtet, die er unter normalen Umständen von einem Unternehmen erzielen würde, ist die Voraussetzung von Auswirkungen auf die öffentlichen Einnahmen erfüllt. [...]

Zitat
(65) Die deutschen Spielbanken bieten gegen Entgelt (Eintrittsgebühren, Anteil an den Einsätzen, Preise) Dienstleistungen (insbesondere Glücksspielleistungen, aber auch Verpflegungsleistungen) auf einem Markt an (siehe Erwägungsgründe (68) und (69) zur Verfälschung des Wettbewerbs). Für beihilferechtliche Zwecke handelt es sich somit um Unternehmen, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

Zitat
(67) [...] Selbst eine Beihilfe für ein Unternehmen, das ausschließlich örtliche oder regionale Dienstleistungen erbringt, kann sich auf den Handel auswirken, wenn auch Unternehmen aus anderen Mitgliedstaaten solche Dienstleistungen erbringen könnten (unter Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit).
Hier drängt sich der Vergleich zu den ÖRR geradezu auf.

Zitat
(71) Daher ist die Kommission zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Auffassung, dass die in Rede stehenden Maßnahmen insofern, als sie einen selektiven Vorteil darstellen würden, geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen bzw. sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auszuwirken, oder drohen, den Wettbewerb zu verfälschen bzw. sich auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten auszuwirken.

Zitat
(74) Um als staatliche Beihilfe eingestuft zu werden, muss eine Maßnahme selektiv sein, d. h., sie darf nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigen. Nach ständiger Rechtsprechung erfolgt die Beurteilung der materiellen Selektivität einer Maßnahme in drei Schritten: Erstens muss die im betreffenden Mitgliedstaat geltende allgemeine oder „normale“ Regelung („Bezugssystem“) ermittelt und geprüft werden. Zweitens ist unter Bezugnahme auf diese allgemeine oder „normale“ Steuerregelung zu beurteilen und festzustellen, ob ein mit der fraglichen Steuermaßnahme gewährter etwaiger Vorteil selektiv sein könnte. Dazu muss nachgewiesen werden, dass die Maßnahme von diesem normalen System abweicht, indem Unterschiede gemacht werden zwischen Wirtschaftsbeteiligten, die im Lichte des mit dieser Regelung verfolgten Ziels in einer vergleichbaren sachlichen und rechtlichen Lage sind. Wenn eine Abweichung vorhanden ist, muss drittens geprüft werden, ob sie sich aus der Natur oder dem allgemeinen Aufbau des Steuersystems ergibt, zu dem sie gehört, und daher durch die Natur oder den inneren Aufbau des Systems gerechtfertigt sein könnte. In diesem Zusammenhang muss der Mitgliedstaat nachweisen, dass sich die ungleiche steuerliche Behandlung unmittelbar aus den Grund- oder Leitprinzipien dieses Systems ergibt.

Zitat
(78) Wie in Abschnitt 2.2.2 ausführlicher dargelegt, handelt es sich bei den einschlägigen Steuern, die allgemein auf die Einkünfte aller Unternehmen erhoben werden, um die Körperschaftsteuer/Einkommensteuer — einschließlich des Solidaritätszuschlags — und die Gewerbesteuer [...].
Die Körperschaftssteuer ist für die ÖRR relevant, da lt.

BGH KZR 31/14 - Dt. ÖRR = Unternehmen im Sinne des Kartellrechts
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,33155.msg203052.html#msg203052

Zitat
(81) Nach der Rechtsprechung sind mehrere aufeinanderfolgende Maßnahmen des Staates besonders dann als „eine einzige Maßnahme“ zu betrachten, wenn sie „in Anbetracht ihrer zeitlichen Abfolge, ihres Zwecks und der Lage des Unternehmens zum Zeitpunkt dieser Maßnahmen derart eng miteinander verknüpft sind, dass sie sich unmöglich voneinander trennen lassen“ [...]. Die Kommission ist verpflichtet, komplexe Maßnahmen in ihrer Gesamtheit zu betrachten, um zu bestimmen, ob das begünstigte Unternehmen dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil erhält, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte [...]. Wenn eine staatliche Maßnahme unterschiedliche (positive und negative) Folgen für ein Unternehmen hat, muss die Kommission bei der Beurteilung des Vorliegens eines Vorteils die kumulative Wirkung dieser Folgen berücksichtigen [...].

Zitat
(102) Wie bereits erwähnt, kann eine Maßnahme nur dann als staatliche Beihilfe eingestuft werden, wenn sie selektiv ist, also nur bestimmte Unternehmen oder Produktionszweige begünstigt, und erfolgt die Beurteilung der materiellen Selektivität einer Maßnahme in drei Schritten — wie in den nachstehenden Erwägungsgründen.
Ist in Sachen ÖRR erfüllt, da der Rundfunkbeitrag nur dem ÖRR zugute kommt und ihm damit gegenüber den anderen Rundfunkunternehmen einen Vorteil verschafft.

Zitat
(105) In Anbetracht des mit der Körperschaftsteuer/Einkommensteuer (und den damit verbundenen Zuschlägen) sowie der Gewerbesteuer verfolgten Ziels, nämlich der Erzielung von Einnahmen durch die Erhebung einer Steuer von Unternehmen in Abhängigkeit von ihrem Gewinn, befinden sich alle Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (so z. B. Glücksspiele anbieten), in Bezug auf ihre Gewinne in einer vergleichbaren Situation. [...]

Zitat
(108) Sofern ein Vorteil entstehen kann oder entstehen könnte, obliegt es Deutschland (58) zu erläutern, inwiefern die prima facie gegebene Selektivität gerechtfertigt sein könnte, indem Gründe angeführt werden, die sich unmittelbar aus den inhärenten Grund- oder Leitprinzipien des Bezugssystems ableiten lassen oder auf inhärente Mechanismen zurückgehen, die für das Funktionieren und die Wirksamkeit des Systems erforderlich sind.

Zitat
(112) Es sei darauf hingewiesen, dass Artikel 107 Absatz 1 AEUV nicht nach den Gründen oder Zielen der staatlichen Maßnahmen unterscheidet, sondern diese nach ihren Wirkungen und somit unabhängig von den verwendeten Techniken definiert. Daher reicht es nicht aus zu prüfen, ob eine bestimmte Maßnahme von den vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten Regeln des Bezugssystems abweicht. Es muss auch untersucht werden, ob die Grenzen des Bezugssystems kohärent oder eindeutig willkürlich oder parteiisch festgelegt worden sind, um bestimmte Unternehmen, die sich mit Blick auf die dem fraglichen System zugrunde liegende Logik in einer vergleichbaren Lage befinden, zu begünstigen. Der Gerichtshof hat bereits in einem Urteil festgestellt, dass ein Bezugssystem in der vom betreffenden Mitgliedstaat definierten Form in der Praxis zu einer unterschiedlichen Behandlung von Gesellschaften führte, die sich im Hinblick auf das mit dem System verfolgte Ziel in einer vergleichbaren Lage befanden, auch wenn es auf an sich allgemeinen Kriterien beruhte [...].

Zitat
(115) Die besonderen Regelungen enthalten in ihrer derzeitigen, in den Landesgesetzen niedergelegten Form jedoch keine automatische Bestimmung, die gewährleisten würde, dass zumindest das (erste) Ziel erreicht wird. Insbesondere enthalten die Regelungen keinen Mechanismus, mit dem eine zusätzliche Belastung auferlegt würde, falls die gezahlten Steuern niedriger als die Belastung sind, die sich aus den normalen Steuervorschriften ergeben würde, und sie verpflichten die Behörden nicht einmal zu bestimmen, wie hoch diese Belastung nach den normalen Vorschriften wäre. [...]
Auch hier drängt sich der Vergleich zu den ÖRR förmlich auf, denn auch die Normsetzungsbefugnis hinsichtlich der Spielbanken unterfällt offenbar dem Landesrecht.

Abschnitt 3.3 befasst sich mit den Begrifflichkeiten der "neuen" oder "bestehenden" Beihilfen.

Zitat
(171) Nach Artikel 1 Buchstabe b Ziffer i der Verfahrensverordnung sind „Beihilfen, die vor Inkrafttreten des AEUV in dem entsprechenden Mitgliedstaat bestanden“,„bestehende“ Beihilfen; dies gilt für „Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die vor Inkrafttreten des AEUV in dem entsprechenden Mitgliedstaat eingeführt worden sind und auch nach dessen Inkrafttreten noch anwendbar sind“. Der Vertrag trat in Deutschland am 1. Januar 1958 (in den westdeutschen Bundesländern) bzw. am 3. Oktober 1990 (in den ostdeutschen Bundesländern) in Kraft.

Zitat
(172) Nach Artikel 1 Buchstabe c der Verfahrensverordnung schließt der Begriff „neue Beihilfe“ auch „Änderungen bestehender Beihilfen“ ein. Bei neuen Beihilfen müssen solche Änderungen wesentlich und nicht nur formaler Art sein. Nur wenn die Änderung die ursprüngliche Regelung in ihrem Kern betrifft, wirkt sie sich auf den Charakter der Regelung als bestehende Beihilfe aus. Außerdem gilt bei Änderungen, die sich klar von der ursprünglichen Regelung trennen lassen [...], nur das geänderte trennbare Element der Regelung als neue Beihilfe.

Zitat
(174) Wenn es sich bei den Maßnahmen zur Verringerung der ***abgabe (oder anderer besonderer Steuern) für bestimmte ***unternehmer durch Ad-hoc-Beschlüsse der Behörden (siehe Anhang 1, Maßnahmen 2.b und 4.c) um Beihilfen handeln sollte, dann wären es neue Beihilfen, weil sie nach Inkrafttreten des Vertrags und innerhalb der Verjährungsfrist für die Rückforderung von Beihilfen gewährt wurden [...].

Zitat
3.3.1.1.   Befreiungen von Bundes-, Landes- und Gemeindesteuern in den ostdeutschen Bundesländern
(176) In den fünf ostdeutschen Bundesländern (und Berlin-Ost) waren Spielbankunternehmer von nationalen Steuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer [...] — Gewerbesteuer und Vergnügungssteuer) auf der Grundlage von zwei vor dem 3. Oktober 1990 erlassenen allgemeinen Rechtsvorschriften [...] befreit. Selbst wenn die Spielbankunternehmer heute auf der Grundlage neuer spezifischer Rechtsvorschriften der Bundesländer (siehe Anhang 3) befreit sind, so haben diese Rechtsvorschriften lediglich die Steuerbefreiung übernommen, die ansonsten weiterhin angewendet worden wäre. Somit handelte es sich dabei um eine rein formale Änderung, die keine neue Beihilfe begründet.
Hier wäre zu prüfen, ob diese Aussagen auch auf den ÖRR, also vormals SFB, ORB, jetzt RBB, übertragen werden könnten?

Zitat
(190) Der Erlass von Gesetzen der Bundesländer über eine Befreiung der Spielbankunternehmer von Länder- und Gemeindesteuern nach Inkrafttreten des Vertrags stellt eine wesentliche Änderung der „bestehenden“ Steuerregelungen für Spielbankunternehmer dar. Mit der Einführung der Steuerbefreiungen (und Befreiungen von den besonderen Steuern) wurde nicht eine bestehende besondere Steuerregelung für Spielbankunternehmer nur geändert, denn es gab solche Regelungen gar nicht (oder nur in dem durch § 6 Abs. 1 der Spielbankverordnung von 1938 festgelegten Umfang); damit wurde eines der Hauptmerkmale eben dieser Regelungen eingeführt. Somit sind die Regelungen ab dem Tag der Änderung nicht mehr insgesamt als „bestehende“ Regelungen einzustufen, sondern enthalten, wenn Beihilfen, dann neue Beihilfen (in Bezug auf den möglichen Vorteil infolge der Befreiung von Länder- und Gemeindesteuern).

Insgesamt wird hier in diesem beihilferechtlichen Dokument ganz klar zwischen den neuen und den alten Bundesländern differenziert; zu den alten Bundesländern gehört auch das ehemalige West-Berlin, dem ja der frühere SFB zugerechnet werden kann, den es aber heute ja nicht mehr hat.

Da es sich also um Landesrecht handelt, muß jedes Land für sich explizit die europäischen Rahmenbestimmungen einhalten und kann sich hier nicht auf gemeinsame Staatsverträge berufen, die die Länder miteinander geschlossen haben.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 06. Juni 2020, 12:00 von pinguin«
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