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Autor Thema: Hoheitsrechte > Für Zustimmungsgesetze zum RBStV 2/3-Mehrheit erforderlich?  (Gelesen 708 mal)

H
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Nach...
BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 13. Februar 2020
- 2 BvR 739/17 -, Rn. (1-21),
http://www.bverfg.de/e/rs20200213_2bvr073917.html
Zitat
Leitsätze
[...]

1. Der Schutz von Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG erstreckt sich auch auf die Wahrung der Anforderungen des Art. 23 Abs. 1 GG an eine wirksame Übertragung von Hoheitsrechten. Bürgerinnen und Bürger haben zur Sicherung ihrer demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen der Art. 23 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt (formelle Übertragungskontrolle). (97 f.)

2. Zustimmungsgesetze zu völkerrechtlichen Verträgen, die in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Integrationsprogramm der Europäischen Union stehen, sind an Art. 23 Abs. 1 GG zu messen. (118)

3. Ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag, das unter Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 GG ergangen ist, vermag die Ausübung öffentlicher Gewalt durch Organe, Einrichtungen und sonstige Stellen der Europäischen Union oder eine mit ihr in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis stehende zwischen-staatliche Einrichtung nicht zu legitimieren und verletzt deshalb die Bürgerinnen und Bürger in ihrem grundrechtsgleichen Recht aus Art. 38 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG. (133)

...brauchen Gesetze, mit denen Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen werden, die Mehrheit, die für eine Verfassungsänderung benötigt wird - anderenfalls sind diese Gesetze nichtig.
(In Brandenburg [und wahrscheinlich auch sonst] wäre das die 2/3-Mehrheit, Art. 79 S. 2 Landesverfassung.)

Die Erhebung des Rundfunkbeitrages ist nach der Subordinationstheorie eine hoheitliche Aufgabe, da sie ein Über-Unterordnungsverhältnis betrifft.
Diese hoheitliche Aufgabe obliegt dem jeweiligen Bundesland nach
BVerfG, Urteil des Ersten Senats vom 18. Juli 2018
- 1 BvR 1675/16 -, Rn. (1-157),
http://www.bverfg.de/e/rs20180718_1bvr167516.html

Die Bundesländer haben diese Aufgabe jedoch auf zwischenstaatliche Einrichtungen übertragen, nämlich die jeweilige Rundfunkanstalt.
(Dürfte jeweils mehrere Länder umfassen außer bei Radio Bremen, Hessischen und Saarländischen Rundfunk - ich habe dies nicht geprüft, sondern gehe an Hand des Namens davon aus;
beim RBB jedoch sicher Brandenburg und Berlin, bbg. GVBl. 2002 I Nr. 9)


Die Rundfunkanstalten wiederum haben die hoheitliche Aufgabe auf eine weitere zwischenstaatliche Einrichtung, nämlich den Beitragsservice übertragen.

"Zwischenstaatlich" muß man hier m.E. auf Ebene des jeweiligen Bundeslandes prüfen, so daß, sobald ein zweites Bundesland mit betroffen ist, man von zwischenstaatlich auszugehen hat.
Denn bereits dann sind die Hoheitsrechte des jeweiligen Bundeslandes verletzt.

In Brandenburg hatte das Zustimmungsgesetz jedoch offenbar nicht die 2/3-Mehrheit erhalten, da dies sonst durch den Landtagspräsidenten (in diesem Fall Vizepräsidentin Große) festzustellen gewesen wäre.
(§ 69 Abs. 2 Geschäftsordnung des Landtages in der für die 5. Legislaturperiode geltenden Fassung – GVBl. 2010 I Nr. 19)
Eine solche Feststellung erfolgte jedoch nicht.
(vgl. Plenarprotokoll 5/36 – 18. Mai 2011, S. 2886)

M.E. sollte das brandenburgische Zustimmungsgesetz zum RBStVt daher nichtig sein.


Edit "Bürger": Danke für die Diskussions-Anregung.
Ursprünglichen Betreff "Brauchten die Zustimmungsgesetze zum RBStV eine 2/3-Mehrheit?" präzisiert und Beitrag angepasst/ wichtiges hervorgehoben.

Zur Vermeidung von Mehrfachdiskussionen siehe bitte auch tangierende Themen u.a. unter
Keine hoheitl. Befugnis der LRA nach Bundesfachrecht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=33470.0
Keine hoheitl. Befugnis f. j.P.ö.R in Wettbewerb; gefestigte Rechtspr. des BFH
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=30952.0
Beinhaltet ein Staatsvertrag automatisch hoheitliche Befugnis?
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=25921.0
EuG T-461/13 - Eine Behörde hat keine hoheitl. Befugnis, wenn... -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=26548.0
Warum Rundfunkunternehmen öffentlichen Rechts keine hoheitlichen Rechte haben
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=14771.0
Strukturelle Trennung hoheitlicher und betrieblicher Funktionen -> EU-Recht
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=23124.0
VGH Baden-Württemberg Urteil vom 4.11.2016 zu hoheitlicher Tätigkeit der LRA
https://gez-boykott.de/Forum/index.php?topic=21313.0
Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts [Sammelthread]
https://gez-boykott.de/Forum/index.php/topic,11688.msg78947.html#msg78947
sowie weitere per Forum-Suche.

Es gibt noch eine Entscheidung des BVerfG aus 1971 (dazumal noch Einzug durch Bundespost-Behörde!), auf welche ARD-ZDF-GEZ immer gern referenzieren wegen der dortigen (Neben-)Aussage, dass die "Rundfunkanstalten beim Beitragseinzug hoheitlich tätig" würden - etwa so in diversen Widerspruchsbescheiden:

Zitat
Die Rundfunkanstalten werden beim Rundfunkbeitragseinzug im öffentlich-rechtlichen Bereich und damit hoheitlich tätig (vgl. zur übertragbaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Rundfunkgebühreneinzug: BVerfGE 31. 314; 90, 60; zum Rundfunkbeitragseinzug: VG Koblenz, Urteil vom 6.11.2014 [...])
>> BVerfG, 2. Rundfunkurteil - Urteil vom 27. Juli 1971
BVerfGE 31, 314 Umsatzsteuer (1971)
https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv031314.html
>> BVerfG, 8. Rundfunkurteil - Urteil vom 22. Februar 1994
BVerfGE 90, 60 Gebührenurteil (1994)
http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv090060.html
Diese sollten hier insofern ebenfalls mit berücksichtigt werden.
Die von ARD-ZDF-GEZ bemühte Aussage lässt sich den Volltexten der Entscheidungsgründe des BVerfG so jedenfalls nicht direkt entnehmen.

Die eigentliche Frage der hoheitlichen Tätigkeit hier bitte nicht vertiefen, sondern hier bitte Konzentration auf die Eingangsfrage:
Hoheitsrechte > Für Zustimmungsgesetze zum RBStV 2/3-Mehrheit erforderlich?
Danke für allerseitiges Verständnis und die Berücksichtigung.


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