medienpolitik.net, 29.07.2019
„Die Programmgestaltung wird auf die Gerichte verlagert“„Auftrag nach Kassenlage ist verfassungsrechtlich die falsche Reihenfolge“, so bewertet Prof. Albrecht Hesse, Justiziar des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der juristischen Kommission der ARD, die Reformüberlegungen der Länder in Bezug auf Flexibilisierung und Budgetierung in einem medienpolitik.net-Interview. Problematisch an diesem Modell sei, so der erfahrene Jurist, „dass es beihilferechtlich eines genau definierten Auftrags bedarf, um die Verhältnismäßigkeit der Finanzierung feststellen zu können. Überkompensation wäre ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot. Und verfassungsrechtlich richtet sich die Finanzierung nach dem Auftrag: Das, was der Gesetzgeber beauftragt hat, ist also bedarfsgerecht zu finanzieren. Das ist jüngst einmal mehr durch Karlsruhe bestätigt worden.“ Eine Einbeziehung der KEF in den Drei-Stufen-Test, wie jüngst in einem Gutachten von Prof. Hubertus Gersdorf gefordert, sei nach Auffassung von Hesse nicht nachvollziehbar und mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht vereinbar.Interview mit Prof. Albrecht Hesse, Justiziar des Bayerischen Rundfunks und Vorsitzender der juristischen Kommission der ARD
medienpolitik.net: Herr Hesse, die bisherigen Vorschläge für eine reformierte Auftragsbestimmung sehen vor, dass nur noch einige Programme konkret beauftragt werden soll und über andere Angebote die Sender selbst entscheiden sollen. Dieses Konzept wird auch vom privaten Rundfunk kritisiert, die auf die Vereinbarung mit der EU verweisen, nach der Auftrag von den Ländern konkret bestimmt werden müsse. Verstößt das Modell der Flexibilisierung gegen die EU-Vereinbarung oder gar gegen die Spruchpraxis des Bundesverfassungsgerichts?
Hesse: Flexibilisierung gehört in den Reformüberlegungen der Länder zur Budgetierung: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll mit einem vorgegebenen Finanzvolumen – dem Budget- auskommen und innerhalb dieses Rahmens über eine gewisse Freiheit verfügen. Dadurch sollen die Kosten begrenzt und ein Anreiz zu sparsamem Umgang mit Beitragsgeldern gesetzt werden. Problematisch an diesem Modell ist jedoch, dass es beihilferechtlich eines genau definierten Auftrags bedarf, um die Verhältnismäßigkeit der Finanzierung feststellen zu können. Überkompensation wäre ein Verstoß gegen das Beihilfeverbot. Und verfassungsrechtlich richtet sich die Finanzierung nach dem Auftrag: Das, was der Gesetzgeber beauftragt hat, ist also bedarfsgerecht zu finanzieren. […]
medienpolitik.net: Angenommen, die Länder entscheiden sich für eine Flexibilisierung: Wer sollte diese Angebote letztendlich bestätigen? Ist es verfassungsrechtlich erforderlich, dass das durch eine unabhängige Kommission erfolgen muss?
Hesse: Die Repräsentation der Allgemeinheit liegt bei den Rundfunkräten mit Vertretern aus allen gesellschaftlichen Bereichen bzw. dem Fernsehrat beim ZDF und dem Hörfunkrat bei Deutschlandradio. Diese üben die Kontrolle über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Zusätzliche Kontrollinstanzen bringen keinen Fortschritt im Hinblick auf das Ergebnis, sondern führen nur zu größerer Schwerfälligkeit und weniger Transparenz.
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