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Autor Thema: Verfassungsbeschwerde in Brandenburg VfGBbg 44/21  (Gelesen 2473 mal)

H
  • Beiträge: 76
Ich weise darauf hin, daß meine Verfassungsbeschwerde unter dem Az. VfGBbg 44/21 beim Verfassungsgericht des Landes Brandenburg anhängig ist.
Hierin wird geltend gemacht:

1. Das Ausführungsgesetz zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag sei
-   nichtig, weil es nicht auf die in der Verfassung des Landes Brandenburg vorgesehene Weise zustande gekommen ist
-   nichtig, weil es die erheblichen Grundrechtseinschränkungen (gesondert dargestellt: Art. 7, 11, 12, 13, 41, 96 Abs. 3 LV; denkbar daneben noch Art. 15, 19, 27, 28, 49 LV https://bravors.brandenburg.de/de/gesetze-212792) trotz des Systemwechsel von einer geräteabhängigen Gebühr, auf einen geräteunabhängigen wohnungsbezogenen Beitrag nicht benennt
-   nichtig, weil es an ein unabdingbar notwendiges Gut für ein menschenwürdiges Leben, nämlich die Wohnung, anknüpft
-   nichtig, weil es eine Änderung des Inhaltes der Verfassung ermöglicht, ohne die hierfür notwendige Mehrheit erzielt zu haben
-   mit der Verfassung unvereinbar, weil es die Bürger und Bürgerinnen nicht vor einem menschenverachtenden (an Beispielen nachgewiesen) öffentlich-rechtlichen Rundfunk schützt, sondern zu dessen Finanzierung verpflichtet
-   mit der Verfassung unvereinbar, weil es sachwidrig an außerhalb einer potentiellen Rundfunknutzung liegende Tatbestände für eine Minderung des Beitrages anknüpft, die potentielle Rundfunknutzung beeinträchtigende Tatbestände jedoch unberücksichtigt lässt
-   mit der Verfassung unvereinbar, weil es weltanschauliche Gründe, die eine potentielle Rundfunknutzung ausschließen, außer Acht lässt
-   mit der Verfassung unvereinbar, weil es, folgt man der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder), gegen das Verbot der Offenbarungspflicht eines Glaubens oder einer Weltanschauung verstößt
-   mit der Verfassung unvereinbar, weil es in Zusammenhang mit dem RBBStV-G und dem RBB-StV sowie dem BbgLWahlG eine politische Minderheit bevorzugt

2. Die Umsetzung des Ausführungsgesetzes zum Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrag ist mit der Verfassung des Landes Brandenburg unvereinbar, weil
-   die Bestimmungen des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages durch die Verwaltungsvereinbarung „Beitragseinzug“ außer Kraft gesetzt worden, ohne dass dieser Verwaltungsvereinbarung der Gesetzgeber zustimmte
-   keine den Funktionsvorbehalt des Art. 96 Abs. 3 LV erfüllende Personen mit der Beitragserhebung betraut sind
-   bereits vor der Konstituierung eines Verwaltungsverbundes die Daten der Beitragschuldner vom Rundfunk Berlin-Brandenburg an Dritte herausgegeben wurden


Leider vergessen hatte ich den Verweis auf § 13 Abs. 1 LGG (gilt seit 1994):
"Gesetze und andere Rechtsvorschriften haben sprachlich der Gleichstellung von Frauen und Männern Rechnung zu tragen."
Es ist kein Grund ersichtlich, warum in Brandenburg nur Wohnungsinhaber, nicht jedoch Wohnungsinhaberinnen den Rundfunkbeitrag bezahlen müssen.

Hinweis für alle mitlesenden brandenburger Frauen:
Sie könnten sich mit dem Hinweis auf § 13 Abs. 1 LGG gegen den Rundfunkbeitrag wehren;
die Unterscheidung von Wohnungsinhaber und Wohnungsinhaberinnen steht im Gesetz, ist nicht auf meinem Mist gewachsen und auch nicht diskriminierend gemeint.

(Wer sich zur Auslegung von § 13 Abs. 1 LGG https://bravors.brandenburg.de/gesetze/lgg#13 durch sämtliche Regierungen des Landes Brandenburg näher informieren möchte, dem empfehle ich einen Blick in die Anlage 10 Rn. 34 ff. der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Ministerien des Landes Brandenburg (GGO) https://bravors.brandenburg.de/verwaltungsvorschriften/ggo2016 -ältere Versionen bitte selbständig heraussuchen).


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 11. August 2021, 03:59 von Bürger«

H
  • Beiträge: 76
Ich weise darauf hin, daß die Verfahren 44/21 und auch die (fast) inhaltsgleiche, aus formellen Gründen später eingereichte Beschwerde 70/21 vor dem Landesverfassungsgericht Brandenburg beendet sind.

VerfG Potsdam, Beschluss vom 17.11.2023, 70/21
https://gerichtsentscheidungen.brandenburg.de/gerichtsentscheidung/22540
(Dass 44/21 offenbar nicht veröffentlicht wurde, fiel mir jetzt erst auf.)

Gegen den Beschluß zu 70/21 hatte ich anschließend Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht wegen
- Verletzung des Justizgewährsanspruches
- Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
- Verletzung des Anspruches auf den gesetzlichen Richter
erhoben, diese wurde ohne Begründung nach § 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG nicht zur Entscheidung angenommen (1 BvR 441/24).

Da die Ablehnung lediglich aus formellen Gründen erfolgte, geht es nun wieder von vorne los.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 03. Mai 2024, 13:27 von Bürger«

Z
  • Beiträge: 16
Zu dem Thema der Nichtanwendung des Zitiergebotes wäre es interessant zu wissen, wie dies in der Verfassungsbeschwerde begründet wurde.

Besteht die Möglichkeit, dass der Verfasser den Teil der Begründung zum Zitiergebot hier veröffentlich oder per PN sendet?

Dies würde für weitere Klagen und Verfassungsbeschwerden in Sachsen hilfreich sein.


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 06. Mai 2024, 00:06 von Bürger«

H
  • Beiträge: 76
Hier aus pdf-Datei kopiert, daher ohne Überschriften / Absätze / Einrückungen u.ä.:

Zitat
– Seite 27 von 97 –
2. Zitiergebot des Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg
Nach Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg muss ein Gesetz, dass die
Grundrechte der Bürger einschränkt, das eingeschränkte Grundrecht zitieren.
Die Nicht-Einhaltung des Zitiergebotes führt zur Nichtigkeit des Gesetzes
(Verfassungsgericht vom 26.08.2011, Az. VfGBbg 6/11, Rn. 47).
Durch den Rundfunkbeitragsstaatsvertrag werden die Grundrechte der Bürger des Landes
Brandenburg erheblich eingeschränkt.
Dieser Staatsvertrag ändert auch das System der Finanzierung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks wesentlich und führt nun zur erheblichen Einschränkung
der Grundrechte der Bürger gegenüber der vorherigen Regelung der Rundfunkgebühr.
Damit kann entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder) nicht auf
das Gesetz zu dem Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland
(ORB-Gesetz, https://bravors.brandenburg.de/gesetze/rundfunk_stv, GVBl. 1991 I Nr. 42)
vom 06.12.1991 abgestellt werden.
Des weiteren ist anzumerken, dass auf Grund dieser Systemänderung nun erneut eine
Prüfung der Angemessenheit der Grundrechtseinschränkung durch die Legislative zu
erfolgen hatte.
Diese hatte sich entgegen der Prüfung in dem Jahr 1991 nicht nur an dem Grundgesetz zu
orientieren, sondern vorrangig auf die Verfassung des Landes Brandenburg abzustellen
(vgl. BVerfG vom 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16 u.a.).
Denn diese Verfassung gilt erst seit dem 20.08.1992, und konnte daher nicht bei dem
Gesetz vom 06.12.1991 berücksichtigt werden.
Bereits das Bundesverfassungsgericht vermutet die Nichtigkeit des Ausführungsgesetzes
zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, sieht sich jedoch für die Prüfung als unzuständig an
(BVerfG vom 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16 u.a., Rn. 133).
Eine Nichtigkeit von Gesetzen hat das Bundesverfassungsgericht bisher lediglich bei
(echten) rückwirkenden Regelungen oder bei einem Verstoß gegen das Zitiergebot
angenommen.
Da das Ausführungsgesetz keine (echte) Rückwirkung entfaltet, kann sich diese
Vermutung des Bundesverfassungsgerichtes ausschließlich auf eine Verletzung des
Zitiergebotes beziehen.
Damit wird der Verweis des Verwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder) auf das Urteil des
Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.12.2016, 6 C 49/15, ein Grundrechtszitat sei wegen
der nur geringfügigen Änderung der vorherigen Regelung nicht notwendig, hinfällig.
Denn das Bundesverfassungsgericht geht in seiner Entscheidung vom 18.07.2018
offensichtlich von einem Zitiergebot aus.
Zudem wurde entgegen der Behauptung des Verwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder) nicht
nur eine geringfügige Änderung vorgenommen.
Vielmehr kam es zu einer völligen Systemumstellung, als statt Rundfunkgerätenutzern
jede Person, die ein menschenwürdiges Leben zu führen beabsichtigt, potentiell
beitragspflichtig wurde.
– Seite 28 von 97 –
Hier ist auch darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) es
offensichtlich nicht verstanden hat, dass es zu diesem Systemwechsel bei der
Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kam.
So behauptet es in den Urteilen vom 18.09.2019 unter Missachtung meines
ausdrücklichen Hinweises in der mündlichen Verhandlung, den der Richter auch in seinen
Unterlagen vermerkte, der Rundfunkbeitrag hätte schon 2006 existiert, obwohl er erst
2013 eingeführt wurde.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat sich pauschal auf das Gesetz vom
06.12.1991 bezogen, ohne darauf einzugehen, dass
– der Rundfunkbeitragsstaatsvertrag weitere Grundrechte der Brandenburger
einschränkt, insbesondere die von mir im dortigen Verfahren geltend gemachten
Grundrechte auf
– Datenschutz (Art. 11 Verfassung des Landes Brandenburg), hier vermutet
auch das Bundesverfassungsgericht den Verstoß gegen das Zitiergebot
(siehe vor)
– Achtung der Menschenwürde
(Art. 7, Art. 27 Abs. 1 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Glaubens-, Gewissens- und Weltanschauungsfreiheit
(Art. 13 Verfassung des Landes Brandenburg)
– auf freie Entfaltung der Persönlichkeit
(Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Nichtbenachteiligung wegen einer Behinderung
(Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Nichtbenachteiligung wegen einer politischen Überzeugung
(Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Nichtbenachteiligung wegen eines Glaubens und einer Weltanschauung
(Art. 12 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Informationsfreiheit
(Art. 19 Verfassung des Landes Brandenburg)
– Erziehung und Bildung (Art. 27, 28 Verfassung des Landes Brandenburg)
die durch das Gesetz vom 06.12.1991 nicht eingeschränkt worden sind, da dieses
Gesetz auf eine gerätebezogene Nutzungsgebühr abstellte, nunmehr jedoch ein
wohnungsbezogener Beitrag eingeführt wurde.
Diese Grundrechte wären in dem Ausführungsgesetz zum
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zu zitieren gewesen.
Ein solches Zitat unterblieb jedoch.
Dass diese Grundrechte durch das Ausführungsgesetz zum
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag eingeschränkt werden, habe ich bereits im
Schreiben vom 08.11.2018 an das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) gezeigt, auf
dieses Schreiben nehme ich Bezug.
– in dem vorkonstitutionellen Gesetz vom 06.12.1991 keinerlei eingeschränkte
Grundrechte zitiert sind, obwohl bereits ein Zitiergebot nach
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG bestand
– Seite 29 von 97 –
– in den Änderungsgesetzen vom 18.12.1996 (GVBl. 1996 I Nr. 29), vom 23.03.2000
(GVBl. 2000 I Nr. 3), vom 19.12.2000 (GVBl 2000 I Nr. 16), vom 13.02.2004
(GVBl.2004 I Nr. 1), vom 17.03.2005 (GVBl. 2005 I Nr. 7), vom 08.01.2007
(GVBl. 2007 I Nr. 2), vom 11.06.2008 (GVBl. 2008 I Nr. 8) und vom 15.04.2009
(GVBl. 2009 I Nr. 5) keinerlei eingeschränkte Grundrechte zitiert sind
Daher bestand die Pflicht zum Grundrechtszitat im Ausführungsgesetz zum
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag, da nicht lediglich bereits geltende
Grundrechtsbeschränkungen unverändert oder mit geringen Abweichungen übernommen
wurden, sondern ein vollständiger Systemwechsel stattfand (vgl. BVerfG, Beschluss vom
25.05.1956, Az. 1 BvR 190/55).
Das Landesverfassungsgericht hat sich bisher nicht mit dem Zitiergebot des
Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg befasst, sondern dieses stets
offengelassen und sich nur auf die Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes von
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG bezogen.
So meint das Bundesverfassungsgericht (Urteil vom 27.07.2005, 1 BvR 668/04):
Führt die Änderung eines Gesetzes zu neuen Grundrechtseinschränkungen, ist das
betroffene Grundrecht im Änderungsgesetz auch dann gemäß
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu benennen, wenn das geänderte Gesetz bereits eine
Zitiervorschrift im Sinne dieser Bestimmung enthält.
Dies muss erst recht gelten, wenn das vorherige Gesetz keinerlei Grundrechtszitat enthält,
das neue Gesetz jedoch erheblich in die Grundrechte eingreift.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichtes Frankfurt (Oder) zum Zitiergebot ist daher nicht
haltbar.
Zudem ist entgegen der vom Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) vertretenen Auffassung
das Zitiergebot eine allgemeine Pflicht des Gesetzgebers und nicht von der Betroffenheit
des jeweiligen Grundrechtsträgers abhängig (Art. 5 Abs. 2 Satz 3 LV).
Für eine Einschränkung eines Grundrechts verlangt Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des
Landes Brandenburg, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des
Verfassungsartikels nennen muss.
Dies gilt entgegen Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG m.E. in jedem Fall.
Denn die restriktive Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes von
Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist m.E. nicht auf Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes
Brandenburg übertragbar.
Zwar meint das Bundesverfassungsgericht (dort natürlich zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG),
dass das Zitiergebot nicht für massenhaft eingeschränkte Grundrechte gelte.
Des weiteren sieht es auch keine Notwendigkeit eines Zitates bei Grundrechten, die nicht
durch Gesetz eingeschränkt werden dürfen oder bei denen lediglich die
Verfassungsschranken ausgestaltet werden (vgl. hierzu der Einfachheit halber
https://de.wikipedia.org/wiki/Zitiergebot, m.w.N.; BMJ - Handbuch der Rechtsförmlichkeit,
Teil C, Tz. 96)
6 http://hdr.bmj.de/page_c.9.html
– Seite 30 von 97 –
Ob das Landesverfassungsgericht Brandenburg der an der restriktiven Auslegung des
Bundesverfassungsgerichtes zum Zitiergebot geübten erheblichen Kritik folgt, wurde in der
Entscheidung vom 26.08.2011 (Az. VfGBbg 6/11) ausdrücklich offen gelassen.
Auch in der Entscheidung vom 19.10.2012 (Az. VfGBbg 31/11) konnte diese Kritik
dahinstehen, weil die damals fragliche Regelung des Art. 49 Verfassung des Landes
Brandenburg derart erheblich von der Regelung des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz abweicht,
dass auch bei Berücksichtigung der restriktiven Auslegung des Zitiergebotes durch das
Bundesverfassungsgericht ein Gebot zur Zitierung des eingeschränkten Grundrechtes
vorlag.
Weitere Entscheidungen zum Zitiergebot durch das Landesverfassungsgericht
Brandenburg sind nicht ersichtlich.
Nach meiner Auffassung ist bei jeder Einschränkung eines Grundrechtes das
eingeschränkte Grundrecht zu zitieren.
Denn Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg sieht keinerlei Ausnahmen
vor.
Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes verkennt, dass das Zitiergebot eine
verfassungsgesetzliche ausnahmefeindliche Regelung ist.
Es ist daher davon auszugehen, dass ausschließlich Dinge geregelt werden sollten, bei
denen ein Regelungsbedarf besteht.
Daher ist das Zitiergebot nicht nur eine reine Formsache, wie das
Bundesverfassungsgericht offenbar meint.
Die Auffassung des Bundesverfassungsgerichtes verkennt weiter, dass bei Erlass eines
Gesetzes abgewogen werden muss, ob ein Grundrechtseingriff erforderlich und
angemessen ist.
Dies muss aus der jeweiligen Gesetzesbegründung hervorgehen, an denen sich die
Abgeordneten (oder im Fall des Art. 78 Verfassung des Landes Brandenburg das Volk)
eine Meinung darüber bilden können, ob der Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist.
Werden eingeschränkte Grundrechte nicht zitiert, so werden diese bei der
Gesetzesbegründung auch nicht behandelt.
So sind aus der Begründung des Gesetzesentwurfes zum Ausführungsgesetz zum
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag (siehe Landtagsdrucksache 5/3022), der nachfolgenden
Diskussion im Landtag (siehe Plenarprotokoll 5/34 und 5/36) und im Hauptausschuss
(siehe Ausschussprotokoll 5/21) keinerlei eingeschränkte Grundrechte ersichtlich, obwohl
dieses Gesetz erheblich in die Grundrechte der brandenburger Bürger und Bürgerinnen
eingreift.
Zudem zeigt die Benennung des eingeschränkten Grundrechtes den Grundrechtsträgern
und -trägerinnen, dass sich der Gesetzgeber dem grundrechtseinschränkenden Charakter
eines Gesetzes bewusst gewesen ist und dennoch das Gesetz für notwendig hielt.
Diese Aufgabe des Zitiergebotes verkennt das Bundesverfassungsgericht vollkommen.
– Seite 31 von 97 –
Daher darf m.E. Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg nicht
eingeschränkt ausgelegt werden, zumal Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes
Brandenburg keinerlei Ausnahmen zulässt.
Vielmehr ist in jedem Fall das eingeschränkte Grundrecht zu zitieren und im
Gesetzgebungsverfahren seine Einschränkung zu begründen.
Die Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes von Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist zudem
nicht auf Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg übertragbar.
So führt das Bundesverfassungsgericht hierzu aus (Beschluss vom 04.05.1983,
1 BvL 46/80):
Satz 2 des Art. 19 Abs. 1 Grundgesetz knüpft an die in Satz 1 umschriebene
Voraussetzung an, dass "ein Grundrecht durch Gesetz oder aufgrund eines
Gesetzes eingeschränkt werden kann".
Für diesen Fall wird bestimmt, dass das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des
Artikels nennen muss
In der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung ist aus dieser Regelung in ihrem
Zusammenhang hergeleitet worden, das Zitiergebot diene zur Sicherung derjenigen
Grundrechte, die aufgrund eines speziellen, vom Grundgesetz vorgesehenen
Gesetzesvorbehalts über die im Grundrecht selbst angelegten Grenzen hinaus
eingeschränkt werden könnten.
Indem das Gebot den Gesetzgeber zwingt, solche Eingriffe im Gesetzeswortlaut
auszuweisen, will es sicherstellen, dass nur wirklich gewollte Eingriffe erfolgen;
auch soll sich der Gesetzgeber über die Auswirkungen seiner Regelungen für die
betroffenen Grundrechte Rechenschaft geben.
Würde man diese Auslegung auf die Verfassung des Landes Brandenburg übertragen,
käme man zu folgendem Ergebnis:
Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg müsste an die Sätze 1 und 2
anknüpfen.
Das wäre:
1. das Grundrecht muss durch Gesetz einschränkbar sein (Satz 1 Halbsatz 1),
2. die Einschränkung muss unverhältnismäßig erfolgen (Satz 1 Halbsatz 2) und
3. das Grundrecht muss in seinem Wesensgehalt angetastet sein (Satz 2)
Ein solches Gesetz würde jedoch gegen Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 verstoßen und wäre
daher unzulässig.
Damit würde Satz 3 ins Leere laufen.
Da jedoch davon auszugehen ist, dass die Verfassung des Landes Brandenburg
ausschließlich notwendige Sachen regelt und keine überflüssigen Bestimmungen enthält,
ist die Auslegung des Bundesverfassungsgerichtes zu Art. 19 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz
nicht auf Art. 5 Abs. 2 Satz 3 Verfassung des Landes Brandenburg übertragbar.
Die eingeschränkten Grundrechte sind daher in jedem Fall zu zitieren
Diesen erheblichen Unterschied zwischen der Verfassung des Landes Brandenburg und
dem Grundgesetz missachtete das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), als es das
Zitiergebot ausschließlich an Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG maß.
Dies ist um so verwunderlicher, als das Bundesverfassungsgericht im Urteil vom
18.07.2018 festhielt, die Grundrechte seien an den Landesverfassungen zu messen.
– Seite 32 von 97 –
Gerade die vom Bundesverfassungsgericht genannte Warn- und Besinnungsfunktion des
Zitiergebotes erfordert, dass sämtliche eingeschränkten Grundrechte genannt werden
müssen.
Denn wie das Ausführungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag zeigt, missachtet
sonst der Gesetzgeber die Grundrechte der Bürger.
Er wägt nicht einmal Grundrechte ab, die durch Gesetz eingeschränkt werden dürfen
(Art. 10, 11, 15, 19, 49 Verfassung des Landes Brandenburg).
Vielmehr schränkt er auch Grund- und grundrechtsgleiche Rechte ein, die nicht
eingeschränkt werden dürfen (Art. 7, 12, 13, 27, 28, 96 Verfassung des Landes
Brandenburg).
Dies hätte der Landtag vermieden, wenn er die betroffenen Grundrechte im Gesetz und
vor allem auch in seiner Gesetzesbegründung zitiert hätte.
So zeigt gerade die vom Bundesverfassungsgericht unterstellte Warn- und
Besinnungsfunktion des Zitiergebotes, dass die restriktive Auffassung des
Bundesverfassungsgerichtes keinen Bestand haben kann.
Des weiteren meint das Bundesverfassungsgericht, Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG beziehe sich
nicht auf die allgemeine Handlungsfreiheit; sie sei von vornherein nur unter dem Vorbehalt
der verfassungsmäßigen Ordnung gewährleistet (Urteil vom 29.07.1959, 1 BvR 394/58,
m.w.N.).
Vor allem dürften die Gesetze die Würde des Menschen nicht verletzen, die im
Grundgesetz der oberste Wert ist, aber auch die geistige, politische und wirtschaftliche
Freiheit des Menschen nicht so einschränken, dass sie in ihrem Wesensgehalt angetastet
sei.
Hieraus ergibt sich, dass dem einzelnen Bürger eine Sphäre privater Lebensgestaltung
verfassungskräftig vorbehalten sei, also ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher
Freiheit besteht, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen sei.
Ein Gesetz, das in ihn eingreifen würde, könnte nie Bestandteil der "verfassungsmäßigen
Ordnung" sein (BVerfG, Urteil vom 16.01.1957, 1 BvR 253/56).
Das Ausführungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag greift nun erheblich in die
private Lebenssphäre der Bürger und Bürgerinnen ein.
Denn diese können sich ohne Aufgabe ihrer Wohnung und damit ohne Preisgabe ihrer
Menschenwürde dem Rundfunkbeitrag nicht entziehen.
Auch daher ergibt sich ein Zitiergebot selbst für das massenhaft eingeschränkte
Grundrecht des Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg.
Zudem weicht Art. 2 Abs. 1 GG erheblich von Art. 10 Verfassung des Landes
Brandenburg. ab.
Während das Grundgesetz für die Einschränkung der allgemeinen Freiheit auf die
„verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz“ abstellt, stellt die Landesverfassung
auf „die Verfassung und die ihr entsprechenden Gesetze“ ab.
– Seite 33 von 97 –
Als „verfassungsmäßige Ordnung“ bezeichnet man im Verfassungsrecht die freiheitlichdemokratische
Grundordnung bzw. die Gesamtheit aller Normen, die formell und materiell
mit der Verfassung im Einklang stehen.
Zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören also auch die Rechtsverordnungen im Sinne
des Art. 80 GG.
Rechtsverordnungen sind jedoch nicht von Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg
umfasst.
Diese werden in der Verfassung des Landes Brandenburg ausdrücklich von Gesetzen
unterschieden (Art. 80 im Gegensatz zu Art. 75 Verfassung des Landes Brandenburg,
ebenso im Grundgesetz Art. 80 im Gegensatz zu Art. 76 GG).
Soweit das Landesverfassungsgericht (Beschluss vom 18.03.2010, VfGBbg 53/09)
Art. 10 LV unter die „verfassungsmäßige Ordnung“ stellte, verkannte es den – damals
nicht entscheidungserheblichen – Unterschied zwischen der „verfassungsmäßige
Ordnung“ des Art. 2 Abs. 1 GG und dem zulässigen Rahmen des Art. 10 Verfassung des
Landes Brandenburg.
Der freiheitseinschränkende Rahmen des Grundgesetzes ist also erheblich größer als der
zulässige Rahmen von Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg.
Schon daher ist die Auslegung des Zitiergebotes des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG zu
Art. 2 Abs. 1 GG durch das Bundesverfassungsgericht nicht auf das Zitiergebot des
Art. 5 Abs. 2 Satz 3 zu Art. 10 Verfassung des Landes Brandenburg übertragbar.
Da im Ausführungsgesetz zum Rundfunkbeitragsstaatsvertrag keinerlei eingeschränkte
Grundrechte zitiert werden, ist das Gesetz nichtig.
Dass in den im Sachverhalt dargestellten den Änderungsgesetzen schließlich
eingeschränkte Grundrechte, wenn auch nicht vollständig und nicht mit dem in der
Verfassung des Landes Brandenburg gebräuchlichen Namen genannt werden, ändert
nichts an der Unwirksamkeit des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der jeweiligen
Fassung.
Denn das Fehlen der Grundrechtszitate im ursprünglichen Ausführungsgesetz zum
Rundfunkbeitragsstaatsvertrag führte zur Nichtigkeit und Unwirksamkeit des Gesetzes und
damit des Staatsvertrages.
In den Änderungsgesetzes ist nun nicht der jeweils gültige Staatsvertrag, sondern nur die
jeweils zu ändernde Vorschrift in Auszügen genannt.
Eine Entscheidung über den Staatsvertrag als Ganzes erfolgte durch den Gesetzgeber bei
Erlass der Änderungsgesetze nicht.
Da das Gesetz zum ursprüngliche Staatsvertrag jedoch nichtig war, ist auch das jeweilige
Änderungsgesetz, das nicht den vollständigen Staatsvertrag enthält, unwirksam (so wohl
im Ergebnis auch BVerfG vom 18.07.2018, Az. 1 BvR 1675/16 u.a., Rn. 133).


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 06. Mai 2024, 00:07 von Bürger«

 
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