Und die Antwort von Herrn Keymis – was haltet ihr davon?
Sehr geehrter Herr ,
vielen Dank für Ihre heutigen Meinungsäußerungen zu den von mir bereits gegebenen Antworten über "abgeordnetenwatch.de". Allerdings erscheint es mir nicht sinnvoll, diese Diskussion so zu führen, wenn Sie - was augenscheinlich ist - ohnehin "in keinster Weise", wie Sie es formulieren, zu "überzeugen" sind. Gleichwohl will ich mich nicht drücken und nehme noch einmal zu Ihren Aussagen und Anfragen Stellung:
Ich rate Ihnen, sich bitte ausführlicher mit den von den öffentlich-rechtlichen Sendern zur Verfügung gestellten Materialien zu befassen, die in vielfältiger Weise belegen, wofür das Geld der RundfunkgebührenzahlerInnen ausgegeben wird. Ich rate Ihnen auch, sich bitte mit den politischen Entwicklungen in Ländern zu befassen, wo solche Angebote leider nicht oder nicht mehr zum Alltag der Menschen gehören. Ein besonders brisantes Beispiel ist in unserer nächsten Umgebung die Republik Italien.
Ich rate Ihnen, bitte noch einmal genau darüber nachzudenken, ob das Informationsangebot der von Ihnen angeführten Privatsender auch wirklich Ihren eigenen Informations-Ansprüchen genügen würde. Und ich rate Ihnen auch, bitte einmal zu überprüfen, woher die rund vier Milliarden Euro stammen, die beispielsweise der Privatsender RTL pro Jahr verausgabt. Wir alle finanzieren die Werbeeinnahmen automatisch mit, wenn wir ein Produkt kaufen, für das im Privatsender "Werbung" gesendet wird. Keinesfalls also gibt es Privatfernsehen "umsonst".
Wie mit dem Internet verfahren werden kann, haben wir gerade in Ägypten seinerzeit leider beispielhaft mitansehen müssen. Als es dem Regime "zu gefährlich" zu werden drohte, schaltete man das Netz einfach ab. Ähnlich verfahren die Mullahs im Iran. Der arabische Frühling verdient unseren größten Respekt und sicherlich hat auch das Internet und die Verbreitung von Handys dabei eine Rolle gespielt. Gleichwohl, wir stimmen sicher mindestens darin überein, sehr geehrter Herr , dass es irgend einen Sinn macht, die dortigen Medien- und/oder Macht-Verhältnisse mit den unseren zu vergleichen.
Und warum behaupten Sie, dass die Volksvertreter Sie nicht vertreten oder gar, dass keine Debatten darüber stattfinden? Für die Beschlüsse müssen jeweils Mehrheiten in den 16 Länderparlamenten gefunden werden. Darüber wurde bisher in allen Landtagen in Plenar- und Ausschusssitzungen ausführlich debattiert und beraten. Es wurden Anhörungen mit den verschiedensten Expertinnen und Experten und vielen verschiedenen Verbands- und Interessen-VertreterInnen in den einzelnen Landtagen durchgeführt - und auch diese Erörterungen wurden wiederum diskutiert. Und es wird auch bei dieser Entscheidung -wie sonst auch so oft - Befürworter und Gegner im Parlament geben.
Dies ist bisher zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag in 14 Landtagen der Fall gewesen. Alle Landtage sind demokratisch gewählt. Und vermutlich alle Parteien, die in den diesen Landtagen vertreten sind, haben sich auch in ihren Wahlprogrammen zu ihrer jeweiligen Medienpolitik geäußert - und wurden vielleicht auch - ganz sicher nicht nur! - dafür jeweils in die Parlamente gewählt. Hier ein medienpolitisches Zitat aus dem Wahlprogramm der GRÜNEN in NRW unter dem Titel "Freiheit für die Medien sichern":
"Der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Rundfunkfreiheit sind weiterhin staatsfern zu gewährleisten. Wir fordern, dass die Mitgliedschaft in den Rundfunk- und Verwaltungsräten sowie dem Fernsehrat für Vertreterinnen und Vertreter der Exekutive grundsätzlich nicht mehr möglich ist, um die Staatsferne des Rundfunks tatsächlich umzusetzen. Zudem bedarf es einer Diskussion über die teilweise Übermacht von politischen Parteien in den Rundfunkgremien. Wir stehen zur Bestands- und Entwicklungsgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland. Freiheit und Demokratie sind ohne ökonomisch unabhängige, gebührenfinanzierte Medienangebote nicht überlebensfähig. Dazu gehört im Internetzeitalter auch ein öffentlich-rechtliches digitales Vollangebot im Internet als "dritte Säule" neben Hörfunk und Fernsehen – selbstverständlich komplett werbefrei. Werbefrei sollen aber auch die Rundfunkangebote der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanbieter sein. Im Gegenzug sollen sie in Zukunft mit einer nicht mehr gerätebezogenen Mediengebühr finanziert werden.
Wir Grünen in NRW treten für das gegenwärtig bestehende Mehrsäulenprinzip in der deutschen Fernsehlandschaft weiterhin ein. Allerdings ist das Privatfernsehen gefordert, sich klar an medienethische Grundsätze zu halten. Neue Formate, in denen die Würde des Menschen herabgesetzt wird, um die Quote zu steigern, lehnen wir ab. Ebenso eine komplette Verschlüsselung privater Medienangebote, verbunden mit der Forderung, dass auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk künftig seine digital verbreiteten Programme nur noch verschlüsselt anbieten soll. Eine einseitige Angebotsverschlüsselung stellt das Mehrsäulenprinzip in Frage. Pay-TV-Angebote sollen ihren Platz haben, gesellschaftspolitisch vergleichbar mit dem frei empfangbaren öffentlich-rechtlichen Rundfunkangebot sind sie nicht.
Umso wichtiger für eine vielfältige, freiheitlich-demokratische Rundfunklandschaft sind daher die wegweisenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Die vom höchsten deutschen Gericht vorgeschriebene Bestands- und Entwicklungsgarantie des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darf weder durch populistische "Reformvorschläge" noch durch marktradikale EU-Wettbewerbs-politikerinnen und -politiker aufs Spiel gesetzt werden und schließt ausdrücklich alle Entwicklungen der digitalen Zukunft mit ein.
Mediengebühr statt GEZ-Schnüffelei
Ein qualitativ hochwertiges öffentlich-rechtliches Rundfunkangebot braucht eine sichere finanzielle Grundlage. Deshalb wollen wir GRÜNEN überprüfen, ob eine neue Mediengebühr praktisch und staatsfern von jeder und jedem einfach und direkt bezahlt werden kann. Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) soll optimiert werden. In die KEF sollen künftig Menschen aus Rundfunk- und Verwaltungsräten entsandt werden, die den Willen der gesellschaftlich relevanten Gruppen vertreten. Die KEF soll ausschließlich den Finanzbedarf ermitteln, über dessen Verwendung die Rundfunkanstalten selbstständig entscheiden. Die Mediengebühr wird also auch künftig über einen Rundfunkstaatsvertrag parlamentarisch auf der Basis des KEF-Vorschlags festgelegt. Dieses Verfahren gewährleistet auch bei einem anderen Zahlungsmodus die notwendige Staatsferne und wurde vom Bundesverfassungsgericht in seinem "Gebührenurteil" vom 11. September 2007 verfassungsrechtlich ausdrücklich gestärkt."
Soweit, sehr geehrter Herr , ein Auszug aus unserem Wahlprogramm, Sie erkennen auch unschwer, dass wir daran gehen, das, was wir dort angeboten haben und für das wir uns u.a. zur Wahl gestellt haben, nun auch - wie versprochen - politisch umsetzen.
Auch wenn ich Sie vermutlich wiederum, wie Sie es bereits schrieben, "in keinster Weise überzeugen" konnte, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Oliver Keymis MdL
Link:
http://www.abgeordnetenwatch.de/frage-231-40139--f319332.html#q319332