Bildquelle: http://up.picr.de/30704435il.pngDie Zeit (Pintausgabe No.51 S.28,, 07.12.2017
ARD UND ZDF UNTER DRUCK
Das gestörte ProgrammDen Osten vernachlässigt, das junge Publikum vergrault: ARD und ZDF stehen in der Kritik wie nie zuvor. Nun versuchen sie, sich neu zu erfindenVon Götz Hamann
Für den Rundfunk in Europa sind hässliche Zeiten angebrochen, wer wüsste das besser als Noel Curran. Er leitet den Dachverband der öffentlich-rechtlichen Sender in Europa, die European Broadcasting Union, kurz EBU. […] Wer also könnte die Sender besser repräsentieren als Curran, doch repräsentieren ist nicht ganz das richtige Wort, er muss sie verteidigen: ihren Beitrag zum kulturellen Leben nachweisen, ihre Rolle für die Meinungsbildung, denn »zum ersten Mal gibt es politische Mehrheiten gegen die Öffentlich-Rechtlichen«, sagt er. »Es geht in einigen Ländern um die Existenz.« […]
Auch wenn die Kürzungen in vielen Ländern in der europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise begonnen haben, als das Geld knapp war, ist daraus etwas anderes erwachsen. Die Wirtschaftskrise ist vorbei, der Wohlstand in der EU in fünf Jahren um zehn Prozent gewachsen – und trotzdem müssen viele Sender weiter schrumpfen.
Die Sparprogramme sind Zeichen einer inneren Abkehr vom Öffentlich-Rechtlichen geworden.
Sogar in Deutschland zeigen sich die Symptome. Dass der Beitrag seit 2009 mehr oder weniger stagniert, reicht prominenten Vertretern von FDP, CSU, CDU und AfD sowie den Zeitungsverlegern bei Weitem nicht. Sie fordern regelmäßig, die öffentlich-rechtlichen Sender zu verkleinern. Es geschieht aus je eigenen Gründen und nie gemeinsam, begleitet von schrotflintenmäßigen Titelgeschichten wie jener im Nachrichtenmagazin Spiegel (»Die unheimliche Macht – Wie ARD und ZDF Politik betreiben«). Es ist ein erratischer Beschuss – aber in hoher Frequenz. […]
Anruf beim Rundfunk Berlin-Brandenburg: ob es kurzfristig eine Chance gebe, die Chefin Patricia Schlesinger zu treffen – sie ist eine von neun Intendanten in der ARD. Ob sie bereit sei, über die Zukunft des Senderverbunds zu reden und darüber, wie er aus der Defensive kommen könnte. Dazu muss man wissen, dass Interviewanfragen bei großen Sendeanstalten über viele Jahre so behandelt wurden, als wolle ein Ungläubiger zum saudischen König vorgelassen werden. Von dieser Mentalität ist bis heute etwas geblieben. Treffen sich die Intendanten zu einer Sitzung der ARD wie vergangene Woche in Leipzig, gibt es am Ende einen Empfang. Intendanten begegnen Politikern und geladenen Gästen. Als Berichterstatter sind dabei nur Journalisten der ARD zugelassen. […]
Wie also, Frau Schlesinger, kommt die ARD da raus? »ARD und ZDF haben vor Jahrzehnten einen Auftrag bekommen«, beginnt die Intendantin vorsichtig. Dieser Auftrag, vom Bundesverfassungsgericht in mehreren Urteilen ausgedeutet, lautet: Grundversorgung bei Information, Kultur und Unterhaltung. Daraus leiten die Sender alle paar Jahre ihren wachsenden Finanzbedarf für Radio und Fernsehen ab. Schlesinger sagt: »Würde man diesen Auftrag heute von Grund auf neu formulieren, sähe er sicher anders aus. Er würde die Angebote im Digitalen deutlich stärken – aber bei der Frage, wie die Sender sich insgesamt aufstellen, ginge es an der einen oder anderen Stelle um ein Weniger.« […]
»Wir werden demnächst mit den Ministerpräsidenten auch den Auftrag von ARD und ZDF diskutieren.« Vielleicht schon im März.
Doch was soll so ein Treffen bringen, wenn niemand vorher wagt, zu durchdenken, wie ein zeitgemäßer Auftrag aussehen könnte? […]
Doch Haseloffs Kritik weist auch einen Lösungsweg. Deutschland würde sich vielleicht einen teuren, an einigen Stellen zu teuren Rundfunk weiterhin leisten, wenn es ARD und ZDF gelänge, die verlorenen Teile der Gesellschaft wiederzugewinnen. Wenn sie sich erneut unverzichtbar machten und wirklich die Bandbreite der Meinungen, sozialen Schichten und Altersgruppen abbildeten.
Weiterlesen in der heutigen Printausgabe der Zeit (S.28)Anmerkung:Leider erneut eine eher einseitige Sicht der Dinge und angesichts der enormen Problematik nur zaghafte Kritik durch Herrn Hamann.
Zum enormen Akzeptanzverlust und der massenhaften Kritik aus der Bevölkerung am Rundfunkbeitrag(sstaatsvertrag), zu den zahlreichen Gerichtsverfahren bis hin zu ca. 140 Verfassungsbeschwerden und der richterlichen Vorlage an den EuGH verliert Herr Hamann keine Silbe. Der örR wird als Marker einer stabilen Demokratie bezeichnet, die empörenden undemokratischen Elemente des örR-Systems einfach ausgeblendet.
Wieder einmal werden die Kritiker des örR-Systems vor allem in der rechten Ecke verortet. Auch das Mantra des seit 2009 nicht erhöhten Beitrags wird unkommentiert wiederholt. Dass die Sender seit 2009 massive Mehreinnahmen verzeichnen konnten und diese nur zu einem Bruchteil über eine Beitragssenkung an den Bürger zurückerstattet wurde, wird verschwiegen.
Die "Sparoffensive" (Strukturreform) des örR wird als freiwillige Eigeninitiative des örR verkauft und einer geringeren Selbstgerechtigkeit der heutigen Intendanten und einer dadurch erhöhten Bereitschaft für Veränderungen angerechnet. Die Gehalts-, Pensions- und Rentenproblematik, die Tatsache, dass wir den teuersten ör-Rundfunk der Welt, ein intransparentes System in dem jährlich 8 Milliarden Euro mehr oder minder unkontrolliert verpulvert werden, zwangsfinanzieren, nicht näher dargelegt.
Dass es nun um die Existenz der Rundfunkanstalten geht, ist nicht der Kritik anzurechnen, sondern den hierfür tauben Ohren der nimmersatten Rundfunkanstalten und auch der Politik, die schon längst ernsthafte Reformen im Sinne der Bürger hätten einleiten können, anstatt dessen jedoch bevorzugten auf das Pferd der inzwischen lächerlich erscheinenden Eigen-PR im alleinigen Sinne einer Profitmaximierung zu setzen und darüber hinaus sowohl Gesetzgebung, als auch Rechtsprechung in nicht akzeptabler Weise beeinfluss(t)en.