Verfassungsbeschwerden in Bundesländern... Probleme, die nicht jeder erwartet.
a) Einzelbürger können nur in einem Teil der Bundesländer Verfassungsbeschwerde einlegen.
b) Sofern einlegbar, kann Anwaltspflicht bestehen. Beispiel: Saarland
Das mag sinnvoll sein für Beschwerden bezüglich des finanziellen Eigeninteresses. Wer aus staatsbürgerlicher Verantwortung über Grundsatzfragen streiten will, der müsste für die Komplexität solcher Themen rund 5 000 bis 20 000 Euro für die Interessen.
Das Angebot von Prozesskostenhilfe löst ein derartiges Problem natürlich überhaupt nicht.
Nun kommt das Problem, dass das Bundesverfassungsgericht erwartet, dass in Bundesländern mit Recht der Einzelbürgerbeschwerde vorab dieser Rechtsweg ausgeschöpft wird. Wenn das aber keiner ist - wie vorstehend gezeigt - , fehlt es ganz am Beschwerderecht gemäß Artikel 17 GG?
Man kann das umschiffen, aber glücklich machen kann diese Konstellation den Bürger als Rechtsstaatsverteidiger nicht.
c) Das führt gleich zur nächsten Frage: Können in Bundesländern Gerichtskosten für Verfassungsbeschwerden anfallen?
Auch das erscheint nun auch nicht mehr ausgeschlossen, muss also vor Beschwerden bei Landesverfassungsgerichten geklärt werden.
Das Bundesverfassungsgericht macht davon nur Gebrauch, wenn Missbrauch erkennbar wird. Ein Beispielfall war, als eine gleiche Rechtsanwaltskanzlei sich mehrfach von Bürgern für Verfassungsbeschwerden honorieren ließ, obgleich sie immer für gleichartige Beschwerden eine Ablehnung erhalten hatte. Das fällt dann unter den Gesamtbegriff "Querulantenklausel".
d) Bundesverfassungsgericht wie auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte haben eine einheitliche Linie:
Jeder Bürger kann Beschwerde einreichen und dies ist normalerweise ohne Anwaltspflicht und ohne Kosten.
(BVerfG: Im Fall von mündlicher Verhandlung, wenn die Erinnerung nicht trügt, ist Anwaltspflicht auch für die Einzelbürger-Beschwerde. Aber wenn es wirklich hierzu kommt, das ist dann für 1 Termin ja immer irgendwie regelbar.)
Beide Gerichte haben erheblichen Kummer mit der Menge von Beschwerden und beide Gerichte begrenzen das durch Filter-Konzepte, ohne das Prinzip zu ändern. - Beim Bundesverfassungsgericht filtert beispielsweise die Pflicht zur Anhörungsrüge, die mit 14 Tagen unerwartet kurz befristet ist. Wer es verpasst, kann aber monatelang mit dem Aspekt der "subjektiven verspäteten Kenntnisnahme der Gerichtsfehler" die Frist überschreiten. Das wurde kürzlich hier in einer Rundfunkabgabe-Sache übrigens praktiziert, war vom Ergebnis erfolgreich, aber die Fristfrage wurde gar nicht näher thematisiert.
e) Die Verfassungsgerichte sind nicht immer am Ort der Landeshauptstadt.
Das ist zwar ein nebensächliches Detail, aber wichtig, sofern man bei Fristsachen unter Zeitdruck persönlich einreichen muss. Da Verfassungsbeschwerden gewöhnlich ein inhaltsbezogenes Zurückweisungsrecht haben, kann bei Befristung von Beschwerdeeinreichung nicht auf "spätere Nachreichung von..." ausgewichen werden.
f) Und was exakt darf Gegenstand der Beschwerde sein?
Wenn nur "Verletzung des Rechts durch die öffentliche Gewalt", gilt das dann auch für Fehler der "staatsfernen" ARD-Anstalten beim Beitragsinkasso?
f) Und wer beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde einlegte,
darf es in gleicher Sache normalerweise nicht beim eigenen Landesverfassungsgericht.
Das Berliner Landesverfassungsgericht sendet dann gerne schon einmal sofort nach Erhalt die Anfrage, ob auch beim Bundesverfassungsgericht Beschwerde eingelegt wurde.
Die Frage ist komplex:
- Wenn Bürger B in Berlin Beschwerde machte;
- und Bürger N die gleiche für NRW machte, aber mangels Landes-Beschwerderecht sogleich in Karlsruhe;
was ist dann? Das regelt sich in der Realität durchaus vernünftig. Nur muss man es im Hinterkopf tragen bei dem, was man tut.
Was bedeutet dies für die Bürger?
(1) "Gleiche Beschwerde bei allen Landesverfassungsgerichten",
das geht so einfach nicht, wie es bis Ende September 2017 hier noch Idee war.
(2) Beschwerden beim Landesverfassungsgericht bedürfen der vorherigen Analyse der erkennbaren typischen Problemstellen.
Bezüglich des Kostenrisikos ist immer ein Anruf beim Gericht empfehlenswert (Tag und Uhrzeit uns Auskunft notieren!).
Auch zu den anderen Fragen kann - nach eigener Klärung - zusätzlich ein Anruf die Meinung absichern.
(3) Damit gewinnt ein Projekt Bedeutung: "Verfassungsbeschwerde bei den Staatskanzleien".
Das ist Ausnutzung des Wortlauts von Artikel 17 Grundgesetz "Bitten und Beschwerden" des Bürgers.
Gerade bei der Rundfunkabgabe hat es aber mehr Potential, weil die Staatskanzleien nun einmal die Chefgeiger sind im Orchester der Gelddruck-Maschine ARD, ZDF,...
(4) Nun aber sei hingewiesen auf eine typische Gefahr der rechtlichen Deduktionen - besonders bei Laien, aber etwas weniger intensiv auch bei Juristen - letztlich bei allen:
Man deduziert etwas Unübliches, findet es zunehmend gut und meint schließlich, so und nur so könne es das geltende Recht sein.
Wenn man Unübliches tut in Rechtssachen, muss man dies immer intellektuell beherrschen. Sehr oft kann man durch rechtlich aussichtslose Scheinkonstrukte den eigentlichen Erfolg erreichten. Sehr oft ist Win-Win-Situation.
Was eine "Verfassungsbeschwerde bei einer Staatskanzlei" rechtlich ist? Jede Menge Fragezeichen.
Aber man kann in den Text eine ganze Menge von kritischen Sachen hinein packen - vorzugsweise gleich auf der ersten Seite. Das kann also auf jeden Fall strategischen Nutzen erzeugen.
Nur darf man nicht die intellektuelle Kontrolle verlieren und plötzlich meinen, man hätte den juristischen Stein der Weisen erfunden. Was Strategie ist, ist Strategie. Man wartet, wie der Gegner mit dem Überraschungsei umgeht. Da die menschlichen Hierarchien bei Unüblichem oft Fehler machen, ist dann das Ausschöpfen der Fehler die Stufe B.