Auch die Satzung des NDR über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge - veröffentlicht im Niedersächsischen Ministerialblatt (Nds. MBl.) Nr. 44 vom 05.12.2012, S. 1104-1106 - ist vom Wortlaut her identisch.
@Roggi, @ Knax
Im verwaltungsrechtlichen, juristischen Sinne wird wie folgt geprüft:
1. Rechtsgrundlage der Satzung
Die Satzungen müssen ihrerseits auf einer hinreichend bestimmten Ermächtigungsgrundlage beruhen, da sie eine belastende Regelung für den Adressaten enthält. In der Präambel der Satzungen des SWR, des HR sowie des NDR wird auf die Ermächtigungsgrundlage aus § 9 II RBStV hingewiesen und die Ausgestaltung der Satzung vorgegeben.
“Gemäß Artikel 1 § 9 Abs. 2 des Fünfzehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages vom 15. bis 21.12.2010 (Rundfunkbeitragsstaatsvertrag - RBStV) hat der Norddeutsche Rundfunk (Rundfunkanstalt) mit Genehmigung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, der Regierung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, der Niedersächsischen Landesregierung und der Regierung des Landes Schleswig-Holstein folgende Satzung erlassen: [...]“ (Satzung des NDR über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge vom 19.10.2012)
Es ist zurzeit nicht ersichtlich, dass die Norm des § 13 der Satzung des NDR verfassungswidrig wäre (vgl. Art. 105 IIa GG), solange kein bestandskräftiges Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vorliegt, dass den Rundfunkbeitrag als direkte Steuer klassifiziert.
2. Voraussetzungen
Die Satzung muss ferner den formellen und materiellen Voraussetzungen entsprechen.
a.) Die Satzung wurde vom Norddeutschen Rundfunk (NDR) und damit von der zuständigen Landesrundfunkanstalt erlassen. Es ist davon auszugehen, dass Verfahren und Form der Satzungsgebung eingehalten wurden.
b.) Inhaltlich regelt die Satzung das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge. Dies stimmt insoweit mit den Vorschriften des RBStV überein.
3. Rechtsfolge
Der Norddeutsche Rundfunk (NDR) hatte somit das Ermessen, die Satzung zu erlassen. Dieses Ermessen ist jedoch durch höherrangiges Recht (hier: Rundfunkbeitragsstaatsvertrag) begrenzt. In Betracht kommt u.U. ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (vgl. Art. 20 III GG).
Das LG Tübingen hat festgestellt, dass die Satzung des SWR über die inhaltlichen Vorgaben der Ermächtigungsgrundlage aus § 9 II RBStV deutlich hinausgeht. “In der Satzung (§ 13) wird geregelt, dass auch dem außerhalb der Vollstreckung leistenden Schuldner keinerlei Leistungsbestimmungsrecht zusteht. Für eine solche Regelung fehlt bereits die gesetzliche Ermächtigung in § 9 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags. Dort ist enumerativ bestimmt, was geregelt werden kann [...]“ (LG Tübingen, Beschluss vom 16.09.2016 - 5 T 232/16, Rn. 37).
Durch diese Ermessensüberschreitung verstößt die Satzung gegen das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG. “[...] Die somit gegebene Nichtigkeit dieser Satzungsnorm führt zur Gesamtnichtigkeit der Satzung, [...] (vgl. zu diesem Kriterium BVerwG, Beschluss vom 30. Januar 1997 - BVerwG 8 NB 2.96 - NJW 1998, 469).“ (BVerwG, Urteil vom 29.04.2004 - 10 C 3.04).
Ergebnis:
Da ein Verwaltungsakt ohne wirksame Ermächtigungsgrundlage erlassen wird, ist er rechtswidrig und verletzt den “Beitragsschuldner“ in seinen Rechten (§ 113 I VwGO). Eine Klage ist somit hinreichend begründet.
Der Beschluss des LG Tübingen ist zwar eine Einzelfallentscheidung und auf das Sendegebiet des SWR beschränkt. Es lässt sich analog auch für das Sendegebiet des NDR feststellen, dass das HmbVwVfG nicht auf die Tätigkeit des NDR anzuwenden ist (§ 2 I Satz 2 HmbVwVfG). Somit wäre der Beschluss des LG Tübingen auch auf die Freie und Hansestadt Hamburg übertragbar und kann für eine Argumentation herangezogen werden.
Der Beschluss enthält einen sehr deutlichen Fingerzweig in Richtung Karlsruhe und ist zudem eine schallende Ohrfeige für die Leipziger Richter des Bundesverwaltungsgerichts. Der Beschluss ist mutig und sensationell. Person M zollt der 5. Zivilkammer des LG Tübingen Respekt und Anerkennung für die realistische und zutreffende juristische Würdigung.
Da Rechtsbeschwerde zugelassen wurde, bleibt abzuwarten, WIE die Karlsruher Richter/ Richterinnen des BGH reagieren werden, ob sie den Beschluss abermals “kassieren“ werden oder ob sich der “Muff unter den Roben von 1.000 Jahren“ (Anm.: in Anlehnung an die 68er Studentenbewegung) realitäts- und zukunftsorientiert allmählich zu lichten beginnt und endlich Recht im Namen des Volkes gesprochen wird.
Grüße aus Hamburg
"Ein guter Jurist kann nur der werden, der mit einem schlechten Gewissen Jurist ist." (Gustav Radbruch, deutscher Rechtsphilosoph, 1878-1949)