Die Frage ob ein ÖR-Sender eine Behörde ist, stellte ja schon Richter Dr. Sprießler. M. E. sind wir über dessen Erkenntnisse nicht hinaus gekommen. Mir scheint, das Problem, mit dem man sich bei den ÖR-Sendern herumschlägt, ist eines dessen Ursache ziemlich weit in der Vergangenheit liegt. Es basiert auf schlechten Erfahrungen, guten Absichten und einem besetzten Land. Kurzer Ausflug, der Einfachheit halber eng an der Wikipedia und nur für die größten Sender:
- 02. Okt. 1948: Der Hessische Landtag verabschiedete nach langen Debatten und unter dem Druck der Amerikaner am 2. Oktober 1948 das „Gesetz über den Hessischen Rundfunk“.
Darin heißt es unter § 1: Der Hessische Rundfunk wird hiermit als eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit dem Sitz in Frankfurt a. M. errichtet. - 05. Jan. 1949: Die amerikanische Militärregierung in Bayern übergibt den BR in deutsche Hände.
- 22. Sep. 1945: unter der Kontrolle der britischen Militärregierung wurde der "Nordwestdeutsche Rundfunk" (NWDR) zur gemeinsamen Rundfunkanstalt für die gesamte britische Zone einschließlich Berlin. Hauptsenderstandort war Hamburg. In Köln befand sich ein weiteres, durch den Krieg stark zerstörtes Funkhaus, das den Sendebetrieb provisorisch am 26. September 1945 aufnehmen konnte. Der NWDR wurde am 30. Dezember 1947 von der Militärregierung übergeben und durch Rundfunkgesetz zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts für die Länder Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Berlin. Die Führung des NWDR blieb jedoch britisch, denn Erster Generaldirektor war ab dem 1. Januar 1948 noch Hugh Carleton Greene, dem Chief Controller der BBC.
- 23. Mai 1949: im westlichen Teil Deutschlands tritt das Grundgesetz in Kraft
- Februar 1955: die Länder Hamburg, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen regeln den Rundfunk in ihren Ländern neu. Der NWDR wurde in zwei eigenständige Rundfunkanstalten aufgeteilt. Der "NDR" mit Sitz in Hamburg sollte künftig für die Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein und der "Westdeutsche Rundfunk Köln" mit Sitz in Köln für das Land Nordrhein-Westfalen Rundfunksendungen veranstalten. Am 1. Januar 1956 starteten die beiden neuen Sendeanstalten mit ihren eigenen Radiosendungen. Den Fernsehbereich übernahm ab 1. April 1956 zunächst noch der "Nord- und Westdeutsche Rundfunkverband" (NWRV) bis 1961. Dann waren beide Sendeanstalten auch im Fernsehbereich für ihr jeweiliges Sendegebiet verantwortlich.
Was fällt auf? Bevor die Bundesrepublik Deutschland überhaupt existierte, wurden auf Veranlassung der Besatzungsmächte und unter ihrer Leitung Rundfunksender bereits als "öffentlich-rechtliche Anstalten" gegründet und betrieben. Ohne echte staatliche Ordnung, in einem besetzten Land, werden "öffentliche-rechtliche" Sender gegründet? Nach wessen Recht? Dem der Besatzer und nicht demokratisch legitimierter Politiker, die von den Besatzungsmächten eingesetzt und kontrolliert werden. Die Politiker und die Mitarbeiter in den Sendern handelten unter Kontrolle von Militärgouverneuren. In die politische und staatliche Ordnung der späteren Bundesrepublik konnten und sollten diese Sender offenbar nicht eingegliedert werden. Das war damals sinnfällig, eingedenk der Erfahrungen mit dem Rundfunk in Nazi-Deutschland. Heute, nach einem stetigen Wachstum der ÖR-Sender, weiter Verbreitung von TV, einem deutlichen Machtzuwachs der Sender, einem damals nicht vorstellbaren Wettbewerb in Hörfunk und Fernsehen, fällt uns die Konstruktion der "öffentlich-rechtlichen Anstalten" auf die Füsse. Niemand weiß so richtig, was eine ÖR-Anstalt darf und was nicht; wir nicht, Politiker nicht und Richter ebenfalls nicht. Vorsichtshalber fasst man Rundfunkthemen daher mit Samtpfötchen an. Besser man gibt denen, was sie wollen, ist eher auf ihrer Seite als gegen sie. Alles andere könnte ja unangenehm werden, ist gegen die Pressefreiheit und eigentlich voll undemokratisch. Da muss der Bürger im Zweifelsfall eben schlucken, was man ihm zumutet.
Die merkwürdige beinahe Nicht-Staatlichkeit der ÖR-Sender ging lange gut. Gelegentlich bekamen Politiker einmal ein wenig auf die Finger. Adenauer durfte seinen Sender nicht aufbauen, die CDU-Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Schleswig-Holstein mussten einen Kompromiss mit der SPD-Regierung von Hamburg eingehen. Aber ansonsten Friede, Freude, Farbfernsehen und immer mehr Geld für die Sender, ihre Mitarbeiter und
Könige Intendanten. Dann ließen sich die SPD-Politiker in NRW ins Hirn **** und befürworteten private Sender. Der Bruch war nicht gleich sichtbar, man bekam weiterhin immer mehr Geld, die Privaten standen unter Aufsicht, was neue Posten mit sich brachte, die die Gebührenzahler finanzierten. Alles schien gut, aber nichts war wie vorher.
1984, in dem Jahr, in dem die privaten Sender in Deutschland starteten, wurde DNS entwickelt. Damit ließen sich Computer auf der ganzen Welt mit einfachen, merkbaren Namen ansprechen. Das Internet und das WWW begannen ihren Siegeszug. Zunächst nicht merklich und nicht kommerziell. Bis zum Ende des Jahrhunderts ändert sich das, man zählte ca. 250 Millionen Nutzer. Im Jahr 2000 platzt die Dotcom Blase, 2005 startet Youtube, ein Jahr später sind mehr als 1 Milliarde Nutzer am Netz. Etwa um die gleiche Zeit sinnt man in den Sendern darüber nach, wie man die Einnahmen auch in Zukunft wie zuvor steigern könnte. Diese kulminierten 2011 in der Verabschiedung des RBStV, mit dem der Griff in die Taschen aller Bürger möglich wurde. Ein Traum der ÖR wurde wahr! Widerstand ist zwecklos, die öffentlich-rechtlichen kommen!
Womit wir nach langer Vorrede beim Problem sind. Die ÖR-Rundfunkanstalten haben sich tief in diesen Staat gekrallt, betrachten sich weiter als außerhalb desselben stehend und daher mit Sonderrechten versehen, die auf die Besatzungszeit zurückgeführt werden können. Es gibt ja Leute, die gute Argumente dafür anführen, dass die Vorrechte der damaligen Besatzungsmächte bis heute gelten. Dennoch hat sich dies Land geändert. Politiker haben ihre Zurückhaltung aufgegeben, was Zumutungen für den "Pöbel" angeht und reden den letzten Krieg dieses Planeten herbei. Deutsche, die doch nie wieder Krieg wollten, machen weltweit mit, wenn es gilt eben solche zu führen.
Parallel zu einer Reihe unguter Entwicklungen ging der Informationsvorsprung, auf den sich über Jahrhunderte die Macht auch gründete, perdu. Nun begreifen Rundfunkleute, Politiker und Richter mehrheitlich nicht, was sich genau abspielt, sie spüren aber die Veränderungen. Daher versuchen sie mit aller Gewalt die Macht in den Händen zu behalten. Da diese Leute leider die Machtpositionen in der Gesetzgebung, der Jurisdiktion, der Regierung und der Propaganda besetzen, ist es derzeit noch völlig egal, als was man die ÖR-Rundfunkanstalten außerhalb dieser Blase betrachtet. Denn es zählt aktuell deren Betrachtung, nicht unsere. Hier sind ca. 0,0375% der Haushalte vertreten, die den Rundfunk finanzieren sollen bzw. müssen. 0,0375%. Wir sind wenige, das muss einem klar sein. Unser einziger Vorteil ist, dass wir aktiver sind als andere.
Kurz: es ist eigentlich egal, was die ÖR-Anstalten genau sind. Es kommt aktuell und solange man sich vor Gericht wehrt, einzig auf die Betrachtung der Gegenseite an. Bewegt die sich nicht, sondern konserviert den Status quo, muss den man Kampf auf die politische Ebene tragen.
M. Boettcher