Hallo zusammen,
das Recht des öffentlichen Rundfunks in Deutschland besteht bekanntlich aus vielen einzelnen Rechtsquellen. Neben den verschiedenen
Rundfunkstaatsverträgen gibt es die Gesetze über die jeweiligen Rundfunkanstalten (beispielsweise das
HR-Gesetz), die Satzungen der jeweiligen Rundfunkanstalten (beispielsweise die HR-Satzung) sowie die sog. Leistungssatzungen (beispielsweise die Satzung des Hessischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge).
Für mich stellt sich die Frage, ob § 2 der Leistungssatzung (
Satzung des Hessischen Rundfunks über das Verfahren zur Leistung der Rundfunkbeiträge) gegen das Bestimmtheitsgebot bzw. gegen den Grundsatz der Normenklarheit verstößt und welche Folgen dies haben könnte. Denn in § 2 der Leistungssatzung steht, dass der Beitragsservice die Aufgaben der LRA "ganz oder teilweise" wahrnimmt:
"Die im Rahmen einer nicht rechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene gemeinsame Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten nimmt die der Rundfunkanstalt zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten nach § 10 Abs. 7 Satz 1 RBStV ganz oder teilweise für diese wahr."Und § 10 Absatz 7 Satz 1 RBStV lautet:
"Jede Landesrundfunkanstalt nimmt die ihr nach diesem Staatsvertrag zugewiesenen Aufgaben und die damit verbundenen Rechte und Pflichten ganz oder teilweise durch die im Rahmen einer nichtrechtsfähigen öffentlich-rechtlichen Verwaltungsgemeinschaft betriebene Stelle der öffentlich-rechtlichen Landesrundfunkanstalten selbst wahr." Ganz unweigerlich taucht da die Frage auf:
"Häääääh???"Es ist nicht klar, welche Aufgaben der Beitragsservice wahrnimmt, wenn dort steht "ganz oder teilweise". Es muss ja doch gemäß Bestimmtheitsgebot (oder dem Grundsatz der Normenklarheit) klar und nachvollziehbar festgelegt sein (und durch den Bürger feststellbar sein), welche Aufgaben er wahrnimmt und in welchem Umfang. Kurz: Das "Recht des Beitragsservice" erscheint mir weitaus zu unklar und nebulös geregelt zu sein.
Wenn die Aufgabenübertragung und deren Umfang aber nicht klar und nachvollziehbar gesetzlich geregelt ist, dann ist auch für den Bürger nicht klar erkennbar, welche Rechte und Pflichten er gegenüber dem Beitragsservice hat, d.h. die Rechtsbeziehung zwischen Bürger und Beitragsservice bleibt unklar und schleierhaft. Und wenn man ehrlich ist: Genau so ist es doch! Ein durchschnittlich rechtkundiger Bürger hat keine Ahnung, welche Rechte und Pflichten er gegenüber dem Beitragsservice hat. Nur beispielhaft sei an dieser Stelle gefragt:
1) "Wieso gibt es wohl so viele Vollstreckungssachen über Rundfunkbeiträge?"
2) "Gibt es überhaupt sowas wie eine Satzung des Beitragsservice, damit ich als Bürger mir überhaupt erst einmal ein Bild davon machen kann, um was für ein Gebilde, um was für eine Organisation, um was für ein "Ding" es sich bei diesem "Beitragsservice" rechtlich handelt, wenn ich einen Brief von denen erhalte? Wenn ja, kann ich mir diese Satzung vielleicht mal irgendwo ansehen und durchlesen? Oder muss die möglicherweise gar nicht veröffentlicht werden, weil es dafür möglicherweise gar keine Veröffentlichungspflicht gibt, und ich steh so dumm da wie vorher auch?"
3) "Welche gesetzlichen Rechenschaftspflichten hat der Beitragsservice denn überhaupt? Der zieht so viel (öffentliche) Gelder ein, ist denn nirgendwo gesetzlich geregelt, welche Auskünfte er gesetzlich verpflichtend über sich selbst geben muss?"
4) Und: "Wo kann ich denn überhaupt nachlesen, welche Rechte und Pflichten ich gegenüber dem Beitragsservice habe und der Beitragsservice mir gegenüber? Welche Aufgaben hat der denn überhaupt?"
5) "Darf der Beitragsservice sich aussuchen, welche Aufgaben er wahrnimmt und welche nicht? Darf er bestimmen, dass er sämtliche Aufgaben wahrnimmt oder nur bestimmte Teile? Gibts dazu irgend eine gesetzliche Regelung, welche Rechte und Pflichten der Beitragsservice gegenüber den Landesrundfunkanstalten hat und umgekehrt, welche Rechte und Pflichten die Landesrundfunkanstalten gegenüber dem Beitragsservice haben?"
Hier nur beispielhaft einige Aufgaben des Beitragsservice:
Er verfasst Widerspruchsbescheide, zieht Beiträge ein, erstellt Zahlungserinnerungen und Mahnungen, tritt als Vollstreckungsgläubiger auf, erstellt Vollstreckungsersuchen, verlangt Auskünfte vom Bürger. Darf er das denn alles? Oder nur teilweise? Und: Sind das alle? Oder gibts da noch mehr?
Mit anderen Worten: Ich sehe einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (oder auch gegen den Grundsatz der Normenklarheit), wenn gar nicht genau klar ist, welche Aufgaben der Beitragsservice wahrnimmt. Und: Nimmt er die dann ganz oder teilweise wahr? Je nach Lust und Laune? Nur an Dienstagen und Donnerstagen?
Aus meiner ursprünglichen Frage, ob § 2 der Leistungssatzung des Hessischen Rundfunks gegen das Bestimmtheitsgebot bzw. den Grundsatz der Normenklarheit verstößt, wird nun auf einmal die Frage nach dem "Recht des Beitragsservice".
Gibt man den Suchbegriff "
Recht des Beitragsservice" bei Google ein (mit Anführungszeichen hinten und vorne), so erhält man exakt drei Treffer, keiner davon ist ein Buchtitel. Gibt man im
HeBiS-Katalog den Suchbegriff "Recht des Beitragsservice" ein, so erhält man keinen einzigen Treffer über das Recht des Beitragsservice. Mit anderen Worten: Es gibt in Deutschland eine Institution namens "Beitragsservice", die Jahr für Jahr viele Milliarden Euro von den Bürgern einzieht, aber es gibt nicht ein einziges Buch über die rechtlichen Grundlagen des Beitragsservice. Ist das nicht erstaunlich? Macht das nicht nachdenklich?
An die Nachwuchs-Juristen, die hier mitlesen: "Das Recht des Beitragsservice" würde sich bestimmt gut als Promotionsthema eignen. Aber Achtung: Plagiieren geht nicht, weils nix zum Plagiieren gibt. Aufs Buchcover kann man vorne drauf bedenkenlos "Garantiert plagiatfrei!" schreiben.
An die Leser des Forums: Ich habe hier sicherlich viele Fragen aufgeworfen, die diskussionswürdig sind. Ich würde mich aber sehr freuen, wenn wir unsere Diskussion (an dieser Stelle jedenfalls) auf die Frage konzentrieren würden, ob § 2 der Leistungssatzung gegen das Bestimmtheitsgebot bzw. das Gebot der Normenklarheit verstößt und welche Folgen daraus resultieren. Sicherlich findet sich dieser "§ 2" nicht nur in der hessischen Leistungssatzung, sondern in allen anderen auch.
Viele Grüße!