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Autor Thema: Anwendung der "Neuen Formel" bei Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz  (Gelesen 2280 mal)

S
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Eine fiktive Person F könnte sich folgende Musterargumentation zu dem Thema erdacht haben:

Zitat
Nachweis der Verletzung des Gleichheitssatzes und gerichtlicher Fehler

1.
Im Urteil zum Verfahren 6 C 6.15 erkennt das Bundesverwaltungsgericht die Benachteiligung allein wohnender Bürger gegenüber Haushalten mit mehreren (volljährigen) Personen an.
Bestätigt wird auch, daß ein Beitrag pro Kopf statt pro Wohnung diese Ungleichbehandlung vermeiden würde (Rn. 43 und 45). Außerdem stellt das Gericht fest, der Wohnungsbezug könne weder mit einem Ausgleich der Nutzungsgewohnheiten der Wohnungsinhaber noch über das Argument von Empfangsgemeinschaften legitimiert werden. Hierbei handle es sich um Annahmen, die sich nicht durch Tatsachen belegen ließen (Rn. 46).
Zur Rechtfertigung einer Wohnungspauschale anstelle eines Pro-Kopf-Beitrags bleiben daher laut Urteilstext ausschließlich Gründe der Praktikabilität (Rn. 44 und 47 f.). Nach Ausführung des Gerichts ist eine Typisierung aus Praktikabilitätsgründen zulässig, wenn deren Vorteile im rechten Verhältnis zu der mit ihr verbundenen Ungleichheit der Belastung stehen (Rn. 44). Auf dieser Grundlage kommen die Richter zu dem Schluß, der pauschale Wohnungsbeitrag sei als noch vorteilsgerecht mit Art. 3 Abs. I GG vereinbar (Rn. 43, Hervorhebung nur hier), verstoße also nicht gegen den verfassungsmäßigen Gleichheitssatz.
Ein Pro-Kopf-Beitrag sei nicht derart vorzugswürdig, daß der Gesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, diesen einzuführen. Denn der Wohnungsbezug habe den Vorteil, daß zur Beitragserhebung jeweils nur ein Bewohner bekannt sein müsse. Die personelle Fluktuation innerhalb einer Wohnung könne so außer Betracht bleiben. Ein Pro-Kopf-Beitrag würde dagegen größeren Ermittlungsaufwand verursachen, aber nur zu geringen Verschiebungen individueller Beitragslasten führen. Der höheren Belastung allein wohnender oder alleinerziehender Personen durch den wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag stehe die Entlastung von familiären Haushaltsgemeinschaften mit mehreren Erwachsenen gegenüber (Rn. 48).

Was das Gericht unerwähnt läßt, sind die als "Neue Formel" bekannten Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wonach an die Verhältnismäßigkeit der Vor- und Nachteile einer Typisierung umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je weniger die Betroffenen durch ihr Verhalten Einfluß auf die Abgabenlast nehmen können. Die Kriterien reichen vom einfachen Willkürverbot (ein sachlicher Grund genügt) bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeiterfordernisse. Die hier gemeinte Verhältnismäßigkeit der Mittel ist als Kriterium der Gleichheit nicht zu verwechseln mit dem Übermaßverbot als Kriterium der Angemessenheit. Das folgende Zitat aus einem der Urteile des Bundesverfassungsgerichts zur Gleichheitsprüfung zeigt die Grundsätze jahrzehntelanger Rechtsprechung:

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.
[. . .] Da der Grundsatz, daß alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll, unterliegt der Gesetzgeber bei einer Ungleichbehandlung von Personengruppen regelmäßig einer strengen Bindung [...] Die engere Bindung ist jedoch nicht auf personenbezogene Differenzierungen beschränkt. Sie gilt vielmehr auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Bei lediglich verhaltensbezogenen Unterscheidungen hängt das Maß der Bindung davon ab, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Merkmale zu beeinflussen, nach denen unterschieden wird [. . .] (BVerfGE 88, 87; Transsexuelle 11, 26.01.1993, Rn. 34 f. sowie BVerfGE 95, 267; Altschulden, 08.04.1997, Rn. 188 f.).

Dieses zentrale Prüfschema der neuen Formel zum Gleichheitssatz sollte unter Juristen allgemein bekannt sein. Man findet es bereits auf Vorlesungsfolien für Jurastudenten, z.B. zu Staatsrecht II, Prof. Dr. Christoph Gröpl, Universität des Saarlandes (dort sogar vorrangiger Darstellungsgegenstand zur Gleichheitsprüfung unter Hinweis auf dessen sehr hohe Praxisrelevanz). Umso erstaunlicher ist es, daß Gerichte diese verbindlichen Regeln beim Rundfunkbeitrag bisher weder beachtet noch wenigstens erklärt haben, warum sie deren Anwendung hier für nicht erforderlich halten. Bezüglich der Anknüpfung der Beitragspflicht an die Wohnung wurde stets nur die Einhaltung des wesentlich schwächeren Willkürverbots geprüft.

Bei korrektem Vorgehen der Gerichte zur Gleichheitsprüfung wäre aufgefallen, daß die Behauptung aus dem Kirchhof-Gutachten falsch ist, die Wohnungsbindung führe durch Ausgleich der Nutzungsgewohnheiten zu einer gerechteren Lastenverteilung. Es hätte sich sehr klar ergeben, daß Mehrfachbelastungen der über 40 % Einpersonenhaushalte gegenüber Mehrpersonenhaushalten sowie durch Zweitwohnungen nicht mit dem Gleichheitssatz vereinbar sind (auf Personen umgerechnet liegt die Zahl der Betroffenen bei über 16 Millionen, also auch weit über der von den Gerichten bisweilen für unbedenklich gehaltenen Bagatellgrenze von 10 %).

Der wohnungsbezogene Rundfunkbeitrag begründet eine unausweichliche, an die Existenz geknüpfte Abgabenschuld. Auch das Bundesverwaltungsgericht räumt deshalb ein, die Rundfunkempfangsmöglichkeit stelle einen personenbezogenen Vorteil dar (Rn. 45). An die Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Vor- und Nachteilen der Wohnungsbindung sind somit gemäß neuer Formel die höchsten Maßstäbe anzulegen. Die Möglichkeit, z.B. als Alleinstehender, als Geringverdienender oder in einer Zweitwohnung die Beitragspflicht durch Verzicht auf Empfangsgeräte zu vermeiden, besteht nicht mehr. Daher ist für die verfassungsrechtliche Beurteilung der neuen Abgabe auch nicht relevant, daß schon die bisherige, gerätebezogene Rundfunkgebühr nur einmalig pro Wohnung erhoben wurde. Die Unausweichlichkeit des neuen Rundfunkbeitrags schafft rechtlich eine fundamental andere Situation. Eine bloße Prüfung des Willkürverbots reicht jetzt nicht mehr aus. Es ist eine Verhältnismäßigkeitsprüfung von Vor- und Nachteilen der Anknüpfung an die Wohnung nach strengsten Kriterien erforderlich.

Dabei zeigt sich, daß die wirtschaftlichen Folgen der Wohnungsbindung des
Rundfunkbeitrags in deutlichem Mißverhältnis zu den damit verbundenen Vorteilen stehen.
Das ist wenig überraschend, denn der wesentliche Vorteil einer Anknüpfung des Beitrags an die Wohnung, den die Gesetzesbegründung nennt, ist gerade die nach Paul Kirchhof vermeintlich gerechtere Lastenverteilung. In der Begründung zum 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag heißt es dazu auf Seite 6:
Unterschiedliche Nutzungsarten und -gewohnheiten gleichen sich innerhalb der Wohnung aus. Der deshalb nunmehr auf die Wohnung bezogene Beitrag ist im Hinblick auf die Vielzahl der Schuldner und die Häufigkeit der Erhebung des jeweiligen Beitrags einfach und praktikabel auszugestalten.

Wie oben bereits erwähnt wurde, hat das Bundesverwaltungsgericht die Unzulässigkeit dieser Argumentation erkannt und dazu festgestellt, die Annahme einer ausgleichenden Funktion des Wohnungsbezugs sei nicht belegbar (Rn. 46). Tatsächlich ist die Annahme nicht nur unbelegbar, sondern mathematisch falsch. Mit statistischer Erwartungswertberechnung Iäßt sich nachweisen, daß die Wohnungsbindung die Beitragslasten nicht gerechter verteilt, sondern Ungleichheiten noch massiv verstärkt (siehe dazu die Erläuterungen und den formalen Beweis unten). Die Anknüpfung an die Wohnung bringt diesbezüglich also in Wahrheit nur Nachteile.

Alle weiteren, immer wieder angeführten Vorteile wie die Praktikabilität des Vollzugs, die Vermeidung von Nachforschungen hinter der Wohnungstür etc. genügen zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit nicht, denn sie ließen sich völlig ohne Wohnungsbezug z.B. mit einer (niedrigeren) Abgabe pro Kopf sogar deutlich einfacher erreichen. Laut Bundesverfassungsgericht ist die Regelung damit eindeutig gleichheitswidrig:
Stehen die wirtschafilichen Folgen einer solchen Regelung in einem Mißverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, so genügt diese dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht L...]. Das gilt insbesondere dann, wenn eine andere, der Verfassung besser entsprechende Typisierung genauso möglich ist (BVerfGE 48, 227; Lohnfortzahlung, 26.04.1 978, Rn. 42).

Bei der Wohnungsbindung des Rundfunkbeitrags bedarf es zur Prüfung der
Verhältnismäßigkeit noch nicht einmal einer subjektiven Abwägung von Vor- und Nachteilen.
Vielmehr liegt schon ein objektiver Verstoß vor, da mit dem Ansatz einer an die Person geknüpften Beitragspflicht eine sachgerechte, Mehrfachbelastungen vermeidende und gleichzeitig bezüglich Erhebung und Vollzug nicht nur ebenso praktikable, sondern sogar einfachere Alternative zur Wohnraumabgabe existiert. Die Wohnungspauschale bietet bei genauem Hinsehen also überhaupt keine Vorteile gegenüber einer Abgabe pro Kopf.
Zum Nachweis sind die Argumente für eine Typisierung über den Beitragstatbestand der Wohnung zu betrachten, die in der Begründung des Staatsvertrags (Seiten 2 f., 6 und 10) und im Gutachten von Paul Kirchhof (Seiten 53 ff., 63 und 82 f.) genannt werden. Dies sind Einfachheit, Einsichtigkeit, Unausweichlichkeit, geringer Verwaltungsaufwand, Praktikabilität von Erhebung und Vollzug, Aufkommensneutralität, Schutz der Privatsphäre und Unverletzlichkeit der Wohnung.

Sämtliche Ziele ließen sich auch durch Anknüpfung an die Person erreichen (der
aufkommensneutrale Beitrag pro Person wäre dann entsprechend niedriger als der für eine Wohnung). Die Erhebung würde sich damit deutlich vereinfachen, weil die potentiellen Schuldner zur Klärung ihrer Beitragspflicht nicht mehr bestimmten Wohnungen zugeordnet werden müßten. Hierfür wären weniger Daten zu erfassen. Auf regelmäßig wiederkehrende Nachforschungen oder Rückfragen an alle nicht als Beitragszahler geführten Personen zur Aktualisierung ihrer Zuordnung zu Wohnungen könnte verzichtet werden.

Die vom Bundesverwaltungsgericht für die Anknüpfung an die Wohnung angeführten Praktikabilitätsgründe, zur Beitragserhebung müsse jeweils nur ein Bewohner bekannt sein und die personelle Fluktuation innerhalb einer Wohnung könne außer Betracht bleiben (Rn. 48), überzeugen nicht. Obwohl genau die Wohnungsbindung in Frage steht, ist das Gericht hier offensichtlich davon ausgegangen, ein Pro-Kopf-Beitrag sei nur in Kombination mit einer wohnungsbezogenen Regelung möglich, so daß die Zahl der Bewohner ermittelt und ständig auf dem aktuellen Stand gehalten werden müßte. Das ist aber unzutreffend, denn bei Führung jeweils eines Beitragskontos für jede volljährige Person wäre es vollkommen unerheblich, mit wem diese Person zusammen wohnt, solange die Beiträge regelmäßig bezahlt werden.

Dies würde zwar etwa 50 % mehr Beitragskonten erfordern. Den Zweck einer Minimierung der Zahl von Beitragskonten hätte der Gesetzgeber jedoch, wenn überhaupt, nur aufgrund sachgerechter Erwägungen verfolgen dürfen. So wäre es vor dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz.z.B. sicher nicht möglich, die Anzahl der Konten weiter zu reduzieren, indem nur noch ein entsprechend höherer Beitrag pro Mehrfamilienhaus oder sogar ein doppelter Beitrag nur noch von den Bewohnern ungerader Hausnummern erhoben würde.
Die einzigen Argumente, die keine reinen Praktikabilitätsgründe sind und laut offizieller Gesetzesbegründung für die Anknüpfung an die Wohnung sprechen, nämlich Empfangsgemeinschaften und Ausgleich von Nutzungsgewohnheiten, hat das Bundesverwaltungsgericht aber mit dem vorliegenden Urteil gerade für unzulässig erklärt (Rn. 46, siehe oben).

Die Wohnungsbindung ist also nicht mehr mit in der Sache liegenden Gründen zu
rechtfertigen, sondern dient ausschließlich der Vereinfachung der Beitragserhebung.
Insofern kann der einheitliche Beitrag pro Wohnung tatsächlich als ebenso willkürlich
betrachtet werden wie eine Erhebung nur für ungerade Hausnummern. Und selbst wenn man annimmt, daß doch noch auf irgendeine Weise zu begründen wäre, warum der Gesetzgeber zumindest das Willkürverbot beachtet habe, kann der Rundfunkbeitrag in Gestalt einer Wohnungspauschale sicher nicht den Anforderungen einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung für eine unausweichlich an die Existenz geknüpfte Abgabe genügen. Die höchsten Maßstäbe zur Verhältnismäßigkeit der Mittel wurden hier trotz Unausweichlichkeit der Abgabe augenscheinlich nicht angelegt.

Mehrbelastungen von Einpersonenhaushalten gegenüber Mehrpersonenhaushalten sowie durch Zweitwohnungen verstoßen damit gemäß neuer Formel gegen den
verfassungsmäßigen Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Und das folgt nicht allein aus der Verhältnismäßigkeitsprüfung. Auch die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Kriterien zur Typisierung wurden nicht eingehalten:

Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Zahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist [. . .] (BVerfGE 98, 365; Versorgungsanwartschaften, 15.07.1 998, Rn. 63).

Die durch Zweitwohnungen sowie für Einpersonenhaushalte gegenüber
Mehrpersonenhaushalten bestehenden Mehrfachbelastungen erfüllen keines dieser
Typisierungskriterien. Sie können nämlich durch Vervielfachungen der Beiträge zu so erheblichen Ungleichbehandlungen führen (bei jeder allein wohnenden Person z.B. zu einem etwa 50 % überhöhten Beitrag mit jährlichen Mehrkosten von 70 Euro, mit Zweitwohnung dann schon Faktor 3 mit jährlichen Mehrkosten von 280 Euro), daß weder prozentual noch absolut von Geringfügigkeit gesprochen werden kann. Es ist auch nicht nur eine kleine Zahl von Abgabepflichtigen betroffen. Beispielsweise handelte es sich laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2012 bereits bei 41 Prozent aller Wohnungen in Deutschland um Einpersonenhaushalte (mit zunehmender Tendenz), das entspricht etwa 16 Millionen Menschen.

Die Behauptung des Bundesverwaltungsgerichts, ein Pro-Kopf-Beitrag führe zu größerem Ermittlungsaufwand bei nur geringen Verschiebungen individueller Beitragslasten (Rn. 48), ist in Anbetracht dieser Faktenlage offenkundig falsch.
Auch das Argument, beim wohnungsbezogenen Rundfunkbeitrag stehe der höheren
Belastung allein wohnender oder alleinerziehender Personen eine Entlastung von familiären Haushaltsgemeinschaften mit mehreren Erwachsenen gegenüber (Rn. 48), greift nicht durch.
Die Verfolgung sozialer Zwecke bei der Bemessung von Vorzugslasten ist zwar nicht
grundsätzlich ausgeschlossen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fordert in diesem Fall aber eine kostenorientierte Obergrenze der Abgabenlast (siehe BVerfGE 97, 332; Kindergartengebühren, 10.03.1 998, Rn. 125; ebenso BVerfGE 108, 1 ; Rückmeldegebühr, 19.03.2003, Rn. 61). Zu einkommensbezogenen Kindergartengebühren führt das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung BVerfGE 97, 332 vom 10.03.1998 z.B. aus (Rn. 125), die unterschiedliche Höhe der Abgabe sei unter dem Blickwinkel der Abgabengerechtigkeit jedenfalls dann unbedenklich, wenn selbst die Höchstgebühr den tatsächlichen Kostenanteil zur Finanzierung der Einrichtung nicht decke. Auch Nutzer, die die volle Gebühr zahlten, erhielten damit im Ergebnis immer noch einen vermögenswerten Vorteil und würden nicht über dessen (ohnehin nur teilweisen) Ausgleich hinaus zur Entlastung sozial schwächerer Nutzer herangezogen.

Wollte man dagegen die Höhe des Rundfunkbeitrags mit Familienförderung rechtfertigen, müßte man erkennen, daß aufgrund des Kostendeckungsprinzips bereits jede allein wohnende Person diese Fördermaßnahme durch einen gegenüber ihrem rechnerischen Kostenanteil überhöhten Beitrag zwangsweise finanzieren muß. An der Verfassungsmäßigkeit eines solchen Ansatzes im Bereich der Vorzugslasten bestehen deshalb erhebliche Zweifel.

Teil 2 folgt im Anhang


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  • IP logged  »Letzte Änderung: 29. Januar 2017, 10:05 von Viktor7«

V
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 8)

Das klingt schon wie die Begründung des Bundesverfassungsgerichts zu der voller Spannung erwarteten Entscheidung über die aktuell eingereichten 40 Verfassungsbeschwerden gegen den Rundfunkbeitrag.


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c
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Finde ich eine sehr gelungene Argumentation. Das BVerwG behauptet ja, es könne gar nicht selbst über die Verfassungswidrigkeit entscheiden. Aber das BVerfG hat bereits mehrfach entschieden, dass eine Abgabe so nicht geht. Die geltende Rechtslage wird einfach ignoriert. Dass dies auch ein Professor aus Heidelberg tut, macht es nicht besser und zeigt nur, welche "Lichtgestalten" an süddeutschen Hochschulen herumirren.

Zur Familienförderung könnte man noch erwähnen, dass Kinder ja gar nicht herangezogen werden sollen. Sollte der Gesetzgeber nachweisen, dass auch 18jährige in der Regel ganz überwiegend noch bei den Eltern wohnen und über kein eigenes Einkommen verfügen, dann kann man es typisierend wahrscheinlich vertreten, das Beitragspflichtalter hochzusetzen (z.B. statt Volljährigkeit auf das Erwachsenenalter von 21). Aber wie richig gesagt, müsste der Gesetzgeber sich dazu überhaupt erstmal Gedanken machen.

Der Rechenfehler des lieben Herrn Kirchhof ist eigentlich ein reiner Logik-Fehler. Dies ist m.E. ein Problem der Juristenausbildung in Deutschland, in der Logik nicht gelehrt wird. Deshalb haben auch Juristen im fortgeschrittenen Betätigungsalter immer wieder Probleme mit den fundamentalen Denkgesetzen.


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Die pro Kopf Belastung wäre eindeutig eine Steuer, für die den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Deshalb hat man versucht, sich so durchzumogeln, anstatt den Rundfunk an die gesunkene Akzeptanz anzupassen.


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@GEiZ ist geil: nein, an der Steuer-Frage ändert sich nichts. Beide Formen sind schon deshalb verfassungswidrig. Wenn man aber über diese Hürde springt, dann macht das keinen Unterschied mehr (es geht ja um den "Sondervorteil" aller Bewohner gegenüber den Rest).

Hintergrund war, dass man eigentlich die Aufregung klein halten wollte. Für die große Masse der dämlichen Zahlschafe, die stets flissentlich ihre Rundfunkgebühr pro Haushalt bezahlt hatten, sollte sich nichts ändern. Man hatte zuviel Widerstand / Unruhre / Nachfragen / Verwirrung / Wahlauswirkungen befürchtet, wenn plötzlich die Durchschnittsfamilie als Bevölkerungsnukleus mit höheren Beiträgen für den RTL-Abend konfrontiert würde.

Weshalb man von der ursprünglichen Haushaltsabgabe auf die Wohnungsabgabe umgeschwenkt ist, weiß ich nicht. Ich nehme an, dass man kurz vor Schluss gemerkt hat, dass man mit den Zweitwohnungen noch eine bislang unerschöpfte Geldquelle ausgemacht hat. Oder der BND wollte besseres Datenmaterial darüber haben, wer ganz genau mit wem wo wohnt.  :-X


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Oder der BND wollte besseres Datenmaterial darüber haben, wer ganz genau mit wem wo wohnt.  :-X

Aus Datenschutzgründen hat der BND keine Befugnis für den Zugriff auf die umfangreichen GEZ-Daten, weil sie zu sensibel sind. ;D


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  • Ersatzmaßstab Wohnung: das BVerfG erklärt die Welt
Sehr gute Darstellung der Tatsachen. D. H. +++ aus meiner Sicht.

Den Satz im "Kopf" des Beitrags zur "fiktiven Person" finde ich hier albern, weil der Text eindeutig Meinung ist, die unter dem Schutz des GG steht. Das aber nur am Rande.

Die mathematische Herleitung ist m. E. entbehrlich, könnte sogar verwirren. Es genügt der grobe Ansatz, dass im Mittel zwei Personen pro Wohnung in Deutschland leben. Wären dies Erwachsene, so würde eine pro Kopf erhobene Abgabe exakt der je Wohnung entsprechen. Für 3 volljährige Personen ergibt sich pro Kopf ein Vorteil von 33% für jeden, bei 4 Personen sind es schon 50%. Diese Bevorzugung von Mehrpersonen-Haushalten (Wohnungen einmal gleich Haushalt gesetzt) muss "gegenfinanziert" werden, was durch die erheblich höhere Belastung der 1-Personen-Haushalte und der mit 2 und mehr Wohnungen zum großen Teil gelingt. Den "Rest" holt man sich, indem über die Einbeziehung von Unternehmen und Firmenfahrzeugen Teile des alten Gebührenmodells in die derzeitige Finanzierung übernommen wurden. Begründungen eines Vorteils für Unternehmen fand ich schon immer als arg konstruiert, zumal der einerseits von den bereits belasteten Mitarbeitern abhängen soll, dies aber mit der Zahl der Mitarbeiter abnehmend bis zu einer Obergrenze. Ob man daraus den Schluss ziehen könnte, eine hohe Mitarbeiterzahl hätte für Unternehmen Nachteile und es gäbe einen Grenznutzen, ab dem zusätzliche Mitarbeiter nichts mehr zum Unternehmenserfolg beitragen?

Nun soll es ca. 40 Mio Wohnungen in Deutschland geben. Da 15,7% der Einwohner unter 18 Jahre alt sind, was mehr als 12 Mio. Menschen entspricht, kann man zwar nicht von 2 Erwachsenen pro Wohnung ausgehen, sofern der Leerstand sich im unteren einstelligen Bereich befindet. Das ändert jedoch rein gar nichts am dargestellten Prinzip, nämlich dass vor allem allein Lebende den Vorteil von Mehrpersonen-Haushalten durch ihre persönliche höhere Belastung finanzieren. Sie finanzieren zudem überproportional auch die von "Beitrag" befreiten mit.

Sehr gut dargestellt finde ich auch, dass ein Pro-Kopf-Modell zu weniger sensiblen Datenerhebungen führen könnte. Problematisch könnte sein, dass sich daraus ggf. eindeutiger eine Steuerfinanzierung ergäbe. Nun haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt, dass es mit der Staatsferne des ÖRR nicht weit her ist. Insofern würde es mich nicht schrecken, wenn ÖRR per Steuer finanziert wird. Jedenfalls muss sich daraus kein höherer Einfluß von Staat, Regierung und Politik ergeben als derzeit bereits vorhanden. Mir wäre eine ehrlich titulierte Steuer lieber als das Verbiegen der Finanzordnung durch ein falsches Ettikett "Beitrag".

M. Boettcher



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Ken Je(b)sen, Betreiber von KenFM, soll "politische Entfremdung" betreiben und "unwahre Verschwörungstheorien" verbreiten. Daher beobachtet ihn der sogn. Verfassungsschutz. Würden die "Verschwörungspraktiker" dieses Dienstes ihren Maßstab an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Publikationen von der BILD-Zeitung bis zum Magazin SPIEGEL anlegen, in Deutschland bliebe kein Medium unbeobachtet. So schnell wird in Deutschland zum Staatsfeind, der nicht mit dem Strom schwimmt.

 
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