Viktor7 hat hier vor einiger Zeit eine Abhandlung zur Typisierung im Steuerrecht verlinkt. Ich meine, es war diese Arbeit
http://www.jurawelt.com/sunrise/media/mediafiles/13828/tenea_juraweltbd9.pdf. Nachstehend einige meines Erachtens wesentliche Vortragspunkte, die daraus gezogen werden können.
Bei vorliegender
materieller Typisierung wird aufgrund einer vereinfachenden Sachverhaltswürdigung unter bewusster Ignorierung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls ein Lebenssachverhalt in seiner typischen Erscheinungsform als gegeben fingiert, ohne dass ein Gegenbeweis zulässig ist.
Anders ausgedrückt wird ein Gesetz auf einen fiktiven Sachverhalt angewandt.
Im Steuerrecht werden aufgrund des Gebots der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung materielle Typisierungen durch Rechtsprechung oder Verwaltung als unzulässig angesehen.-> Rundfunk"beitrag" vergleichbar mit Kopfsteuer. --> vergleichbare UnzulässigkeitsgesichtspunkteDen Umfang des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hat das
Bundesverfassungsgericht im Folgenden dahingehend konkretisiert, dass -außer bei vereinzelten oder nicht sehr intensiven durch die Typisierung verursachten Ungleichbehandlungen- eine
Typisierung auch dann zulässig sei, wenn die Vorteile der Typisierung in einem „rechten Verhältnis“ zu den mit der Typisierung verursachten Ungleichbehandlungen stehen; insofern sei also eine Abwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG v. 20.12.1966 - 1 BvR 320/57, 70/63, BVerfGE 21, 12 (27); BVerfG v. 6.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354f.); BVerfG v. 10.4.1997 - 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (8f.)).
Nach
neuerer Rechtsprechung ist die äußere
Grenze gemäß der „neuen Formel“ dann
überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Normadressaten ungleich behandelt wird, ohne dass zwischen beiden Gruppen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen (vgl. dazu BVerfG v. 10.5.1972 - 1 BvR 286, 293, 295/65, BVerfGE 33, 171 (189); BVerfG v. 26.4.1978 - 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227 (235); BVerfG v. 6.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325 (354); BVerfG v. 29.11.1989 - 1 BvR 1402, 1528/87, BVerfGE 81, 108 (118); BVerfG v. 23.1.1990 - 1 BvL 4,5,6,7/87, BVerfGE 81, 228 (236) = BStBl II 1990, 483; BVerfG v. 8.6.1993 - 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15 (22f.)).
Entsprechendes gilt, wenn vergleichbare Gruppen von Normadressaten gleich behandelt werden, obwohl zwischen beiden Gruppen gewichtige Unterschiede bestehen, die einer Gleichbehandlung entgegenstehen.Eingeschränkt wird die
Zulässigkeit von Typisierungen dadurch, dass
nicht vom atypischen Fall ausgegangen werden darf. Ebenso dürfen keine realitätsfremden Grenzen gezogen werden (vgl. BVerfG v. 22.2.1984 - 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223); BVerfG v. 4.10.1984 - 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290 (297)).
-> Wohnung = Raum zum Schlafen geeignet! (Nur) zum Schlafen geeigneter Raum rechtfertigt Annahme typischer Rundfunknutzung?Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz darf grundsätzlich nicht zu intensiv sein (vgl. BVerfG v. 2.7.1969 - 1 BvR 669/64, BVerfGE 26, 265 (275f.); BVerfG v. 8.2.1983 - 1 BvL 28/79, BVerfGE 63, 119 (128); BVerfG v. 17.11.1992 - 1 Bvl 8/87, BVerfGE 87, 234 (255); BVerfG v. 28.4.1999 - 1 BvL 11/94, 33/95, 1 BvR 1560/97, BVerfGE 100, 138 (174); BVerfG v. 28.4.1999 - 1 Bvl 22, 34/95, BVerfGE 100, 59 (90)).
Lassen sich die durch die Typisierung in Einzelfällen verursachten Härten nicht mit Art. 3 Abs. 1 GG in Übereinstimmung bringen, führen sie auch bei einem intensiven Gleichheitsverstoß nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift, wenn der Maßstab für den Regelfall sachgerecht gewählt wurde und die Möglichkeit des Steuererlasses im Billigkeitswege besteht. ->
Hier führen die Härten zur Verfassungswidrigkeit, da die Regelung des § 4 Abs. 6 RBStV in der Praxis leerläuft.Des Weiteren ist festzuhalten, dass der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei
Typisierungen nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts auch durch andere Verfassungsnormen
eingeschränkt werden kann, beispielsweise durch die Verpflichtung des Staates aus Art. 6 Abs. 1 GG zur Gewährung besonderen Schutzes von Ehe und Familie oder aus der
Verpflichtung zur steuerlichen Verschonung des Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) (vgl. BVerfG v. 25.9.1992 - 2 BvL 5, 8, 14/91, BVerfGE 87, 153 (154); BVerfG v. 17.11.1992 - 1 Bvl 8/87, BVerfGE 87, 234 (256) m.w.N.; BVerfG v. 10.11.1998 - 2 BvL 42/93, NJW 1999, 561 (562f.) = BVerfGE 99, 246 und § 3, 3.3.1.3.2.). -
> wer keinen Sozialleistungsbescheid vorlegen kann bzw. keine Sozialleistungen in Anspruch nimmt, jedoch ein geringeres Einkommen als das Existenzminimum hat, der muss gleichfalls Rundfunk"beiträge" zahlen! Die
Beeinträchtigung anderer Grundrechte habe
auch Auswirkung auf die Feststellung der Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG, da der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers umso stärker eingegrenzt werde, je mehr sich die Typisierung auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten einschränkend auswirke (vgl. BVerfG v. 15.7.1998 - 1 BvR 1554/89, 963, 964/94, BVerfGE 98, 365 (385)).
-> auch Art. 5 GG beeinträchtigt, freier Informationszugang wegen fehlenden Mitteln beeinträchtigt. Im Einzelnen ist daher gemäß der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu untersuchen,
wie intensiv der Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist und ob
durch die Typisierung realitätsgerechte Grenzen gezogen wurden, bei denen nur eine
verhältnismäßig kleine Zahl von Betroffenen benachteiligt wird, so dass die
Typisierung aus Praktikabilitätsgründen gerechtfertigt wäre.
- Ist dies nicht der Fall, ist zu prüfen, ob die Vorteile der Typisierung bzw. die neben der Praktikabilität verfolgten Ziele insgesamt in einem „rechten Verhältnis“ zu den hervorgerufenen Beeinträchtigungen stehen, so dass also dann eine gleichheitsrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen ist.
-- Durch die mit einer (unwiderlegbaren) Typisierung verursachte Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Fälle darf nur eine
verhältnismäßig kleine Zahl an Betroffenen benachteiligt werden, wenn sie bereits aus Praktikabilitätserwägungen gerechtfertigt sein soll.
-> (-) Singles - Mehrpersonenhaushalte / Geringstverdiener - Gutverdiener / Inhaber einer Zweitwohnung müssen doppelt zahlen
UND:
-- Gleichbehandlung ungleicher Fälle
nicht von geringer Intensität-- Wird hingegen eine verhältnismäßig große Gruppe von Betroffenen benachteiligt, steigen die Anforderungen an die Feststellung eines rechten Verhältnisses zwischen den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen und Beeinträchtigungen der Betroffenen, reichen bloße Praktikabilitätserwägungen nicht aus (vgl. BVerfG v. 8.10.1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365)).
-> Da unwiderlegbare Typisierung: kein lediglich geringfügiger Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.Das Vorliegen eines „rechten Verhältnisses“ erlangt besondere Bedeutung, wenn
Ungleichbehandlungen von größerer Intensität oder einer
nicht verhältnismäßig kleinen Zahl von Personen festzustellen sind.
--- In diesem Fall ist zu prüfen, welche weiteren Zielsetzungen der Gesetzgeber mit der Typisierung verfolgt und ob diese für ein „rechtes Verhältnis“ zwischen den Vor- und Nachteilen der Typisierung sorgen (vgl. BVerfG v. 8.10.1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365)).
--- Geeignetheit: Aufgrund der dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsprärogative ist regelmäßig von der Geeignetheit des mit der Typisierung gewählten Differenzierungsgrades (als dem Mittel) zur Erreichung des Gleichbehandlungsziels bzw. der Einnahmeerzielung auszugehen.
--- Erforderlichkeit: Kein Prüfungspunkt
--- Verhältnismäßigkeit i.e.S.: Ein Abweichen von der Einzelfallgerechtigkeit ist
rechtfertigungsbedürftigJe intensiver bzw. zahlreicher die verursachten Ungleichbehandlungen sind, desto höhere Anforderungen sind an die Rechtfertigung zu stellen. Ein bloßes Abstellen auf Praktikabilität und Vereinfachung ist dann nicht mehr ausreichend.Es wird von einem
größeren Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ausgegangen, wenn dieser zur Regelung komplexer Sachverhalte
nicht auf ausreichende empirisch gesammelte Daten zurückgreifen kann (vgl. BVerfG v. 10.5.1972 - 1 BvR 286, 293, 295/65, BVerfGE 33, 171 (189f.) m.w.N.). Dann sind anfangs auch gröbere Typisierungen zulässig.
-> Die Anzahl der Haushalte der BRD war 2010/11/12 statistisch erfasst. Die Bedarfsdeckung der Anstalten durch die Neuregelung hätte relativ genau ermittelt werden können!Zur Rechtfertigung von Typisierungen sind von der Rechtsprechung sozial- und umweltpolitische, steuervereinfachende/-technische, finanzpolitische sowie verkehrstechnische Gründe anerkannt worden. Auch die angestrebte Gleichheit im Belastungserfolg kann hier im Rahmen der steuertechnischen Gründe Berücksichtigung finden.
Trotz Benachteiligung einer verhältnismäßig großen Gruppe von Steuerpflichtigen oder
schwerer Verstöße gegen Art. 3 Abs. 1 GG kann des Weiteren noch dann von einem „rechten Verhältnis“ ausgegangen werden, wenn eine
weniger belastende Typisierung aus sachlichen Gründen nicht möglich ist (vgl. BVerfG v. 8.10.1991 - 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (365); BVerfG v. 26.04.1978 - 1 BvL 29/76, BVerfGE 48, 227 (239).
-> Rechtfertigung "Schwarzseher" aufzudecken: Woher überhaupt die Annahme, dass Personen mit TV örR konsumieren? Fortführung altes "Gebühren"system wäre möglich gewesen! Oder Steuer = sozialverträglicher.