Sie kritisieren die Neuregelung der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
Ich bin gebeten worden, Ihnen zu antworten und möchte nachfolgend erläutern, warum die Länder ein neues Finanzierungssystem beschlossen haben und warum dies die Ihnen unerwünschte Zahlungsverpflichtung nach sich zieht.
Früheres Rundfunkfinanzierungsmodell: Die geräteabhängige Rundfunkgebühr
Seit den Anfängen des Rundfunks in Deutschland wurde die wie auch immer im einzelnen ausgestaltete Zahlungspflicht an das Vorhandensein eines Rundfunkgerätes geknüpft. Lange Zeit stellte sich aufgrund des stetigen Zuwachses der Zahl der Menschen, die mit einem Gerät am Rundfunk teilnahmen, nicht die Frage einer Gebührenerhöhung.
Die Ausweitung der Medienangebote insgesamt und damit auch derjenigen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einerseits sowie die Abflachung der Einnahmekurve aus Neuanmeldungen als Sättigungseffekt andererseits führten zur Notwendigkeit von Gebührenerhöhungen und zur Frage der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage. In diesen Blickpunkt geriet Ende der 1990er Jahre der Computer. Seit dem 1. Januar 2007 galt die sogenannte PC-Gebühr für neuartige Geräte, mit denen Rundfunk empfangen werden kann, die im privaten wie im nicht-privaten Bereich aber nur griff, wenn ansonsten kein klassisches Radio oder Fernsehgerät vorhanden war.
Diese Regelung folgte dem System des Gerätebezuges der Rundfunkgebühr: Wenn Rundfunk zunehmend auch über andere als die klassischen Geräte empfangen wird und die Zahl der Anmeldungen bei den Radios und Fernsehern sinkt, dann muss der Anknüpfungspunkt auf alle Geräte erstreckt werden, mit denen Rundfunk empfangen werden kann. Denn es ist die Aufgabe der Länder als Gesetzgeber, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine hinreichende und funktionstüchtige Finanzierungsgrundlage zur Verfügung zu stellen.
Der Einbezug von allen neuartigen Geräten, mit denen Rundfunk empfangen werden kann (neben den Computern auch Handys etc.), führte jedoch zu umfangreichen Diskussionen. Denn anders als ein Radio oder Fernseher wird ein Computer oder Handy nicht in erster Linie zum Empfang von Rundfunk angeschafft werden, andererseits können Computer und Handy das Radio und den Fernseher ersetzen. Gerade dann aber, wenn jemand tatsächlich über kein klassisches Rundfunkgerät verfügt, dürfte die Verwendung eines PCs oder Handys auch für den Rundfunkempfang recht wahrscheinlich sein.
Der neue Gebührentatbestand machte also durchaus Sinn und ist im Übrigen auch vom Bundesverfassungsgericht bestätigt worden. Gleichwohl blieben Akzeptanzprobleme, die den Gesetzgeber bewogen, das System der Rundfunkfinanzierung ab 2013 umzustellen.
Neues Rundfunkfinanzierungsmodell: Der geräteunabhängige Rundfunkbeitrag
Ausgangspunkt für die ab 2013 geltende Reform war die Erkenntnis, dass die alte Rundfunkgebühr mit ihrem Gerätebezug aufgrund der technischen Entwicklung kein zukunftstaugliches Modell mehr darstellte. Ständig kamen neue rundfunktaugliche Geräte hinzu. Die Akzeptanz einer entsprechenden Ausweitung der Zahlungspflicht war und ist jedoch problematisch. Gleichzeitig nahm die Anmeldequote bei den herkömmlichen Geräten ab. Damit war klar, dass die Länder zu einer Neuregelung kommen mussten.
Der Gerätebezug kann bei der Neuregelung entfallen; denn – so heißt es im einschlägigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts – die für das Bereithalten eines Empfangsgerätes zu zahlende Gebühr stellt keine Gegenleistung für eine Leistung dar, sondern ist das von den Ländern eingeführte Mittel zur Finanzierung der Gesamtveranstaltung Rundfunk. An anderer Stelle hat dasselbe Gericht festgestellt, dass die Rundfunkgebühr der Aufrechterhaltung eines Rundfunkangebotes diene, das von Verfassungs wegen gefordert sei und im Gesamtinteresse liege. Die Leistungspflicht bestehe daher auch ohne Rücksicht auf die Nutzungsgewohnheiten der einzelnen Empfänger und knüpfe allein an den Empfängerstatus an, der durch den Besitz eines Empfangsgerätes begründet werde.
Daraus wird deutlich, dass es auch im früheren System nicht auf die tatsächliche Nutzung von Angeboten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ankam, sondern der Gerätebezug nur als Anknüpfungspunkt gewählt wurde, um das Finanzierungsgebot umzusetzen.
Anknüpfungspunkt für den neuen Rundfunkbeitrag ab 2013 ist daher im privaten Bereich die Wohnung und im nicht-privaten Bereich die Betriebsstätte bzw. das betrieblich genutzte KFZ. Ein Vorteil dieser Anknüpfung ist, dass damit der Beauftragtendienst der Landesrundfunkanstalten weitgehend entbehrlich wird, der bislang Sachverhaltsklärungen vor Ort vornehmen musste.
In Hinblick auf die finanzielle Belastung des Einzelnen bietet der ab 2013 geltende Rundfunkbeitrag genauso wie die frühere Rundfunkgebühr die Möglichkeit für eine Befreiung von der Zahlungspflicht aus sozialen Gründen.
Beitragspflicht auch für Unternehmen und öffentliche Hand
Vorgabe für das neue Beitragsmodell war es, dass der neue Rundfunkbeitrag bei 17,98 € monatlich liegt - so wie die frühere Rundfunkgebühr - und insgesamt das bisherige Gebührenvolumen erwirtschaftet. Zweite Vorgabe war es, dass der private Bereich, die Wirtschaft und die öffentliche Hand an der Erbringung des neuen Rundfunkbeitrags genauso prozentual beteiligt sind wie früher bei der Rundfunkgebühr. Dies ist in etwa ein Verhältnis von 91 zu 8 zu 1 Prozent.
Die Entwicklung der Betragseinnahmen weicht nach oben von der Prognose ab, allerdings in Höhe von weniger als 5 %. Die Mehrerträge werden zu einer Senkung des Rundfunkbeitrages ab dem 01.04.2015 genutzt werden, was allen Beitragspflichtigen gleichermaßen zu Gute kommt.
Früher haben Unternehmen oder Behörden für ihre dort vorhandenen Rundfunkgeräte gezahlt, ab 2013 tun sie dies auf neuer Rechtsgrundlage ohne Gerätebezug. Zwar könnte man auf die Heranziehung der Wirtschaft und der öffentlichen Hand für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verzichten und - anders als früher bei der Rundfunkgebühr - nur die privaten Haushalte beitragspflichtig machen. Da jedoch auch das neue Finanzierungssystem das bisherige Gebührenvolumen erwirtschaften muss, würde dies zwangsläufig zu einer deutlichen Erhöhung des Rundfunkbeitrags über 17,98 € führen und damit zu einer Mehrbelastung der privaten Haushalte. Das neue Rundfunkbeitragsmodell ist demgegenüber so konzipiert, dass sich für die Betroffenen trotz des Systemwechsels möglichst wenig ändert.
Bislang ist nicht ersichtlich, dass der Bereich der Unternehmen nach dem neuen Finanzierungsmodell einen erhöhten Anteil tragen müsste. Eine andere Frage ist, dass es - wie bei den privaten Beitragszahlenden – im Einzelfall zu Mehr- oder Minderbelastungen kommen kann.
Beitragspflicht unabhängig von Rundfunkgeräten und generell unabhängig von der Nutzung der Angebote des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
Da im neuen Rundfunkfinanzierungsmodell der Gerätebezug bei der Zahlungspflicht entfällt, folgt daraus zwangsläufig, dass es weder eine Unterscheidung zwischen Radio- und Fernsehgebühr mehr geben kann noch dass es darauf ankommt, ob man überhaupt Rundfunkgeräte besitzt. Dies ist ein zwangsläufiges Ergebnis des Systemwechsels.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erfüllt hinsichtlich der Meinungsfreiheit und -bildung in Deutschland eine wichtige Aufgabe. Dies mögen Sie persönlich anders sehen, entspricht aber einer in Jahrzehnten der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gefestigten Rechtslage, einschließlich einschlägiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (s. o.).
Die Bürgerinnen und Bürger profitieren zumindest indirekt von der auf diese Weise gesicherten vielfältigen Berichterstattung über Themen und Meinungen. Dafür zahlen sie ihren Beitrag. Auf eine konkrete Gegenleistung im Sinne der Nutzung von Programmen und Sendungen kann es nicht ankommen.
Ihre Vorstellungen von der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks laufen auf das Finanzierungsmodell von Bezahl-Fernsehen hinaus. Ein adäquates öffentlich-rechtliches Angebotsprofil - auch jenseits der massenattraktiven Programme - wäre damit jedoch nicht dauerhaft zu sichern. Gegen eine Pay-Finanzierung spricht folglich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk allen Bürgern zur Verfügung stehen soll, und zwar mit einem thematisch umfassenden und dabei journalistisch hochwertigen Angebot. Damit aber ein solches Angebot finanziert werden kann, muss es auch von allen Bürgern - soweit sie nicht aus sozialen Gründen befreit sind - finanziell getragen werden. Dieses grundsätzliche Denkmodell steht hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.
Dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt auf Grund seiner Sicherungsfunktion für das demokratische Gemeinwesen eine verfassungsrechtliche Bestands- und Entwicklungsgarantie zu. Eine Finanzierung und eine Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, die ihn in die Lage versetzt, seine verfassungsmäßigen und gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, ist daher ein Verfassungsauftrag, für dessen Erfüllung die Länder verantwortlich sind. Diese Finanzierung ist staatsfern organisiert, da über die finanzielle Ausstattung mittelbar Einfluss auf das Programmangebot ausgeübt werden könnte. Damit der öffentlich-rechtliche Rundfunk unabhängig und insbesondere staatsfern bleibt, muss er eine in besonderer Weise gesicherte Finanzierung erhalten. Die Länder als zuständiger Gesetzgeber haben sich zu diesem Zweck veranlasst gesehen, die bisherige Rundfunkgebühr durch ein neues Finanzierungsmodell zu ersetzen.
Der Rundfunkbeitrag stellt dabei eine zulässige Typisierung dar. Denn bei einem Massenverfahren wie dem Rundfunkbeitrag muss der Gesetzgeber nicht jedem Einzelfall entsprechen, sondern lediglich eine typisierende Gerechtigkeit herstellen, um dem Gleichheitssatz von Art. 3 GG zu genügen. Der Gesetzgeber hat bei abgabenrechtlichen Regelungen einen Gestaltungsspielraum, zu verallgemeinern und zu pauschalieren sowie an Regelfälle anzuknüpfen und die Besonderheiten von Einzelfällen außer Betracht zu lassen. Die Statistiken belegen, dass in annähernd 100% der Wohnungen zum Empfang von Rundfunk taugliche Geräte vorhanden sind. Laut Statistischem Bundesamt sind seit Jahren konstant etwa 96 % der Haushalte mit mindestens einem Fernseher ausgestattet. Daran knüpft der Gesetzgeber in typisierender Weise an: Anknüpfungspunkt für den Rundfunkbeitrag ist das Existieren einer Raumeinheit, in der üblicherweise eine Rundfunknutzung stattfindet - im privaten Bereich die Wohnung und im nicht-privaten Bereich die Betriebsstätte bzw. das Kraftfahrzeug.
Der neue Rundfunkbeitrag zielt i. Ü. gerade auf eine Verbesserung der Entsprechung des Gleichheitsgrundsatzes. Denn während beim alten Gebührenmodell die Durchsetzung der Finanzierungspflicht angesichts der offensichtlichen Diskrepanz zwischen der Anmeldequote der Haushalte bei der GEZ und den Statistiken zur Ausstattung der deutschen Haushalte mit für den Rundfunkempfang geeigneten Geräten ein zunehmendes Problem wurde, das die Gebührengerechtigkeit berührte, ermöglicht der neue Rundfunkbeitrag eine gleichmäßigere Heranziehung der Zahlungspflichtigen, ohne zugleich z. B. mit einer Ausdehnung des früheren Beauftragtendienstes verstärkt in die Privatsphäre der Menschen eindringen zu müssen. Das neue Beitragssystem erfasst nun die neu definierten Zahlungspflichtigen wesentlich effektiver, betrifft aber zwangsläufig all jene negativ, die sich bisher rechtstreu verhalten haben und mangels Besitz von rundfunkempfangstauglichen Geräten nichts oder nur einen geringeren Betrag (nur Radio oder PC = Grundgebühr) zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beitragen mussten.
Die von Art. 1 Grundgesetz geschützte Menschenwürde schützt den Kern individueller Selbstbestimmung, Eigenverantwortlichkeit und Selbstdarstellung. Aus einer Gesamtschau von Art. 1 und Art. 2 Grundgesetz hat das Bundesverfassungsgericht das „allgemeine Persönlichkeitsrecht“ abgeleitet. Es geht um einen Kern menschlicher Würde, der unangetastet zu bleiben hat. Um die Betroffenheit durch staatlich festgesetzte Abgaben geht es dabei nicht.
In Hinblick auf grundgesetzlich geschützte Freiheitsrechte stellt der Rundfunkbeitrag auch keine Verletzung der Religions- und Gewissensfreiheit aus Artikel 4 des Grundgesetzes dar. Aus dem Grundgesetz ist kein Anspruch ableitbar, dass im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Meinungsäußerungen unterbleiben, die der eigenen Meinung oder Weltanschauung zuwiderlaufen. Genauso wenig kann darauf der Wegfall der Zahlungsverpflichtung gestützt werden. Gerade in einem Rechtsstaat kann es nicht so sein, dass die Erfüllung einer Verpflichtung in das Belieben des Schuldners gestellt ist, auch wenn er meint, für seine Ablehnung gute Gründe zu haben. Das trifft gerade auch für öffentliche Zahlungsverpflichtungen zu, bei denen der Gesetzgeber typischerweise nicht von freiwilliger Zahlungsbereitschaft ausgehen kann.
Ich habe nicht die Absicht, Sie zu einem Befürworter des Rundfunkbeitrags zu bekehren. Sofern aber rechtliche Einwände gegen seine Zulässigkeit vorgebracht werden, so ist nicht ersichtlich, dass dies begründet wäre. Dafür kommt es nicht auf einzelne Meinungen und Ansichten an. Vielmehr sind letztinstanzliche Gerichtsentscheidungen maßgeblich. So ist im Mai 2014 der Rundfunkbeitrag durch Entscheidungen der Verfassungsgerichtshöfe von Bayern und Rheinland-Pfalz bestätigt worden. Mit der bayerischen Entscheidung wurde auch die Popularklage des von Ihnen angeführten Herrn Ermano Geuer auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit von Vorschriften des Rundfunkbeitragsstaatsvertrags verworfen, nachdem dessen Eilantrag bereits im April 2014 vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof zurückgewiesen worden war.
Die Länder sehen den Rundfunkbeitrag als die rechtlich zutreffende und im Übrigen zeitgemäße Umsetzung des zugunsten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestehenden Finanzierungsgebotes an.
Mit freundlichen Grüßen
Im Auftrag
Andreas Kumpert
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