Schau mal:
Das ist für den Bürger die wichtige Passage:
"Der Beitrag, schreibt der in Leipzig lehrende Verfassungsrechtler Christoph Degenhart in dem Gutachten, sei keine individuell zuzuordnende „Vorzugslast“, sondern eine „Gemeinlast“ und also eine Steuer – eine Abgabe, die auf „Raumeinheiten“ abstelle und einer grundstücksbezogenen Steuer gleichkomme. Für eine solche fehle es den Bundesländern, die den Rundfunkbeitrag beschlossen haben, an der Gesetzgebungskompetenz."
Ergo: das Gesetz hätte gar nicht beschließen werden dürfen, weil die Bundesländer gar nicht die Kompetenz dazu haben...
Bin gespannt was BVG dazu sagt...
Jaja, aber bedenke: es ist nur ein Gutachten und der Bruder von Herrn Kirchhof sitzt im Bundesverfassungsgericht. Ich vermute einmal kräftig, daß es zwischen den beiden heftig zu einer Diskussion über dieses Thema gekommen ist. So nach dem Tenor: Wie kann man das verfassungsdicht machen. Zwar ist der Bruder auch nur einer innerhalb eines Gremiums, aber er kennt die anderen. Und er kann sich denken, wie sie denken.
D.h. nicht, daß das Gutachten von Degenhardt für die Katz ist, aber Degenhardt sitzt nicht im Verfassungsgericht und kann lediglich versuchen, schlüssig zu argumentieren. Es gibt ja auch noch einen weiteren Verfassungsrechtler, der den Vertrag für verfassungswidrig hält. Er heißt Ingo von Münch.
Die Frage ist, wie das Bundesverfassungsgericht auf das Gutachten hin argumentieren wird.
Zunächst einmal gilt:
"Die Gesetzgebungskompetenz für den Rundfunk liegt in Deutschland nach Art. 70 Abs. 1 GG bei den Ländern, wie das Bundesverfassungsgericht in seinem grundlegenden 1. Rundfunk-Urteil feststellte. "
http://de.wikipedia.org/wiki/Rundfunkrecht_(Deutschland)
und es gilt:
"Das 1. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 28. Februar 1961 bezeichnet in der deutschen Rechtswissenschaft das erste in einer Reihe von zwölf Urteilen des BVerfG zur Rundfunkfreiheit: Im ersten Rundfunkurteil[1] wurde die Gründung der Deutschland-Fernsehen GmbH als nicht mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG) vereinbar verworfen."
http://de.wikipedia.org/wiki/1._Rundfunk-UrteilSo und jetzt kommt die eigentliche Krux:
Artikel 5 GG:
http://dejure.org/gesetze/GG/5.htmlDort heißt in Absatz 1 Satz 2: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet."
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk bekommt durch diesen Satz quasi Abwehrrechtsqualität. Das ist wahrscheinlich die Logik, mit der der Rundfunkzwangsbeitrag entwickelt wurde. Die Artikel des Grundgesetzes sind das Programm der Bundesrepublik Deutschland. Die Gewährleistung der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film gehören zu dem Teil des Grundgesetzes, der die Abwehrrechte gegen den Staat darstellt. Es sind Schutzrechte natürlicher und juristischer Person vor dem Staat. Das Fernmeldegeheimnis gehört beispielsweise dazu. Freie Persönlichkeitsentfaltung ebenso. Wohnungsschutz. Ehe. Familie. Menschenwürde. Die sind in den ersten zwanzig Artikeln festgelegt.
Der Staat sind die Bundesländer und die Bundesrepublik Deutschland. Die Gemeinden gehören nur teilweise dazu.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk genießt zum einen einen Schutz vor der dem Staatswesen der Bundesrepublik Deutschland und zum anderen einen Schutz vor staatlichen Eingriffen in die Freiheit der Berichterstattung selbst, in dem dessen Freiheit GEWÄHRLEISTET wird. Das ist die Anspruchsvoraussetzung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk für die Erhebung des Rundfunkzwangsbeitrag: Die Gewährleistung.
So jedenfalls die Logik des Staatsvertrags.
Jetzt kommt der Verfassungsrechtler Degenhardt daher: Ätschie Bätsch, die Länder dürfen nicht eine "Gemeinlast" rechtsnormieren. Das darf nur der Bund.
Was machen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten? Was glaubst Du? Sie holen sich einen eigenen Gutachter.
Und der könnte beispielsweise argumentieren:
"Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten." Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 Grundgesetz:
http://dejure.org/gesetze/GG/5.htmlJeder hat also das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Wie stellt man so etwas um?
Durch den darauffolgenden Satz im Artikel 5 Grundgesetz, der oben schon zitiert wurde: "Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet."
Der Schlüssel der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten für den Rundfunkzwangsbeitrag heißt: "(...) sich aus allgemein zugängliche Quellen ungehindert zu unterrichten." und "die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk werden gewährleistet." Egal ob Du nun zahlst oder nicht, Du hast ein RECHT auf eine allgemein zugängliche Quelle. Die Finanzierungsfrage wird einfach davon abgespalten.
Und dann noch das Ganze innerhalb der Grundgesetzgliederung als Abwehrrecht gegen den Staat, also gegen seine Staatsmitglieder - also gegen seine Bürger.
Die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts findet in einem Prozess des "Aus Sichaustretens des Staates" statt, in dessen Verlauf das Bundesverfassungsgericht die Frage zu erörtern hat, welche Wertigkeit die Verteilung der Steuererhebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern und welche Wertigkeit die Abwehrrechte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der oben zitierten Passagen aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz haben. Hat es eine Lösung gefunden, versinkt die neue Rechtssprechung für dieses Teilrechtsgebiet in das Gesamtgefüge des Staates und das Bundesverfassungsgericht hat dort erst einmal den Staat verlassen.
Im Grunde könnte eine Lösung so aussehen: Der Bund muß gemäß Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 und 2 Grundgesetz "allgemein zugängliche Quellen" "gewährleisten" - zu gut deutsch: steuerfinanzieren, darf aber nicht bei der Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk mitreden, wie das 1. Rundfunk-Urteil des Bundesverfassungsgerichts festgestellt hat. "Erinnert an die Volksweisheit: Wie der Herr, so's Geschärr! Oder: Wessen Brot ich ess', dessen Lied ich pfeif!" (
www.predigten.de/predigt_pdf.php?id=7245 ) Eigentlich ein Widerspruch in sich. Aber so könnte es kommen, wenn Degenhardt mit seiner Meinung Recht behielte. Die KEF würde dann wie bei der Gewährleistung der Unabhängigkeit der Justiz die Legitimationsbasis für das Platznehmen im Bundeshaushalt bilden.
Wenn jetzt Merkel und Lammer beide Sparen bei den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten fordern, dann ahnen sie schon, was auf sie zukommt, denn die ominöse Schuldenbremse wird auf den Prüfstand gestellt.
Auf der anderen Seite könnte das Bundesverfassungsgericht schlicht die jetzige Lösung verwerfen und darauf hinweisen, daß man doch mit der Gerätegebühr ganz gut gefahren ist, worauf dann seitens der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten behauptet wird, daß diese dann keine "allgemein zugängliche Quellen" mehr seien. Aber wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk sich dieses Recht der Verkörperung "allgemein zugänglicher Quellen" herausnimmt und sich öffentlich-rechtlich finanzieren läßt, wer wollte dann den Zeitungen ein solches Recht verwehren? Da könnten dann ganz schön hohe Kosten auf die Allgemeinheit zukommen.